Traueransprache von Herbert Rubinstein:
Mein lieber Paul, Schalom!
Herbert Rubinstein, Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen
Gemeinden von Nordrhein, Düsseldorf, sprach im Namen der Familien und
Freunde von Dr. h.c. Paul Spiegel sel. A. am 04. Mai 2006.
Mein lieber Paul,
dass ich hier und heute stehen und aus diesem für uns alle unfassbar
traurigen Anlass zu Dir würde sprechen müssen, hätte ich nie gedacht. Wie
sehr wünschte ich, Du hättest Deine Gesundheit wieder erlangt und wärest uns
erhalten geblieben!
Was Du für unsere Freunde und ganz besonders für mich und für unsere Familie
bedeutet hast, kann ich gar nicht in Worte fassen. Du warst in unserem
Kreise stets der Mittelpunkt. Mit Dir konnten wir über alles sprechen, uns
über alles beraten, alles gemeinsam planen und die vielen schönen Stunden
ebenso gemeinsam durchstehen wie die schweren.
Lachen und Weinen lagen für uns oft nahe beieinander, aber das Lachen
überwog Gott sei Dank.
1958 haben Ruthi und ich Dich kennen gelernt und als Freund sofort ins Herz
geschlossen. 48 Jahre Freundschaft sind mehr als ein halbes Menschenleben.
In diesen vielen Jahren warst Du mit Deiner Familie fast täglich in unser
Leben einbezogen. Wir haben alles miteinander geteilt und zusammen erlebt:
fröhliche Stunden, schöne Ereignisse, unvergessliche Familienfeiern,
herrliche Ferien mit unseren Kindern und unseren vielen gemeinsamen
Freunden.
Alte und neue Freunde begleiten Dich heute auf Deine letzte Reise und haben
alle Termine gestrichen, um sich persönlich von Dir zu verabschieden.
Für Ruthi und für mich war es ein Glücksfall, dass wir Dich kennen gelernt
haben, und dass Du von Anfang an zu unserer Gruppe junger jüdischer Menschen
in Düsseldorf gehörtest, die sich entschlossen hatte, in Deutschland wieder
jüdisches Leben aufzubauen.
Wenn ich an die Jahre zurück denke, in denen wir noch Junggesellen waren,
werde ich nie die Zeit vergessen, in der meine gottselige Mutter Dir, mein
lieber Bruder, wenn Du krank warst, mit jüdischem Penicillin, sprich
kräftiger Hühnersuppe, zur baldigen Genesung verholfen hat.
Gerade bei diesen Anlässen teilten Deine gottselige Mutter und die Meinige
sehr oft Ihre Sorgen über die etwas unruhigen Tag- und Nachtvergnügungen
ihrer lebenslustigen Söhne. Die große Beruhigung genossen sie erst, nachdem
Du und ich uns entschieden hatten, jeweils, mit nur etwa 7 Monaten
Unterschied, den Hafen der Ehe anzusteuern.
Und dass wir gottlob die richtigen Lebenspartnerinnen fanden, hatte
maßgebliche Auswirkungen auf unseren bereits Mitte der 60-er Jahre großen
Bekannten- und Freundeskreis. Viele dieser Menschen sind die so genannten
ehemaligen Junioren-Club-Mitglieder unserer Gemeinde.
Was unsere Familien-Freundschaft wohl am meisten gefestigt hat, waren die
Zeiten, in denen wir unsere Sorgen, unsere Ängste und unsere Trauer
gemeinsam durchlebt haben und immer füreinander da waren. Für Ruthi und mich
warst Du auch ein kluger und wichtiger Kollege bei Gemeindeentscheidungen.
Für unsere Kinder und Enkel warst Du der lustige Onkel Paul. Vor allem aber
warst Du der beste Freund, den wir alle uns nur wünschen konnten.
Ich werde nie die Anspannung und Freude unserer Kinder vergessen, als Hans
Rosenthal sel. A. Euch in Eurer Wohnung in der Gartenstraße besuchte, und
er, wie immer in seinen Sendungen, beim Satz: „Das war Spitze“, in die Luft
sprang.
Eine weitere wunderbare Erinnerung ist Deine Rückkehr nach Hause, nach
Deiner erfolgreichen Wahl zum Vorsitzenden des Zentralrates. Alle waren wir
bei Euch versammelt, die Lichter waren aus, wir vielen Erwachsenen
mucksmäuschenstill. Als Du die Tür aufmachtest und wir Dir alle ein
Ständchen brachten, da glaubtest Du, Du würdest träumen. Deine von uns allen
empfundene Fröhlichkeit wetteiferte mit der sichtbaren Erschöpfung nach
diesen vielen angespannten Stunden.
Du hast, lieber Freund, Deine kräfteverzehrende Krankheit nicht wahr haben
wollen. Bis zuletzt hast Du mit uns gelacht und Dich mit uns gefreut, obwohl
die in immer kürzeren Abständen wiederkehrenden Schmerzen und Anfälligkeiten
Dir arg zusetzten.
Wie es ohne Dich in unserem Leben weiter gehen wird, wissen wir im
Augenblick alle noch nicht. Was wir aber wissen und Dir ganz fest
versprechen ist dies: Wir werden versuchen, Deine uns bekannten Ziele
anzustreben.
Wir werden Deine fröhliche und lebensfrohe Art immer in Erinnerung behalten
und die Freundschaft unserer Familien so lange, wie wir leben, weiter
führen.
Schalom, mein lieber Bruder und guter Freund.
Ruhe in Frieden, lieber Paul.
[PAUL
SPIEGEL IST GESTORBEN] |