Jaffas alter Bahnhof:
Eine Eisenbahn in Palästina?
Von Lisa Yehuda
Die Küstenebene ist weit, flach und schlecht
erschlossen und im Bergland klimmen Lasttiere und Menschen an der Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit die Steigungen hinauf. Die Dampflok könnte mit
Leichtigkeit lange Strecken und Höhenunterschiede überwinden, Distanzen
verkürzen, Orte und Menschen zusammenbringen. Sir Moses Montefiori erschien
die Verbindung von Land und Stahlkoloss als glänzende Partie und wenn in
England allerorts die schnaufenden Ungetüme den Fortschritt verkündeten,
konnten sie das genauso gut auch hier in Palästina.
Man schrieb das Jahr 1839 und vom Gedanken bis zur Tat
sollten noch 51 Jahre vergehen. Erst 1890 begann man die erste Bahnstrecke
zu bauen, zwei Jahre später war sie fertig gestellt. Sie führte von Jaffa
nach Jerusalem und war 87km lang. Über die tatsächliche Dauer der Zugfahrt
ist man sich noch nicht einig geworden, fest steht jedoch, dass der Reisende
etwas Geduld mitbringen musste. Unter vier Stunden war die Strecke nämlich
nicht zu schaffen.
Denjenigen, der genug Zeit hatte, diese kleine Weltreise
zu unternehmen, erwartete in Jaffo ein moderner und schmucker Bahnhof. Die
Bodenfließen stammten aus einer Manufaktur des Templerviertels in Tel Aviv
und die eisernen Dachpfeiler hatte die Firma hergestellt, die schon das
Eisen für die Konstruktion des Eiffelturms geliefert hatte.
Die
Eisensäulen sehen heute noch gut aus, obwohl die verschmutzte Salzluft nicht
gerade zimperlich mit altem und neuem Eisen umgeht. Das restliche Gebäude
dagegen leidet sichtlich an Alterschwäche und mehr noch an Vernachlässigung.
Die Fließen sind längst abgewetzt, zerbrochen und herausgerissen, die
Wartehalle vollgestopft mit Gerümpel. Die Treppen sind zusammengefallen und
die geschmiedeten Streben des Treppengeländers bräuchten dringend einen
neuen Anstrich.
Die alte Gepäckwaage könnte noch funktionieren, wenn sie
jemand ölen würde. So wie das ganze Gebäude wieder funktionieren könnte,
wenn jemand käme und es entrümpeln, entrosten und entblättern würde, bis
hinunter auf den Kern aus Holz, Sandstein, Eisen und Flechtwerk.
Doch bis es im Zuge der Sanierung des Templerviertels
Sharona auch hier soweit ist, verfällt der ehemalige Bahnhof immer mehr und
seine morbide Schönheit entdecken nur die, die das vernachlässigte Gelände
abseits des gängigen Touristenprogramms betreten.
Alle Fotos: © Tamir Yehuda
hagalil.com 09-05-2006 |