Die moralische Geschichte zum Montag:
Viagra
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Von Maxim Biller
Wer hat nicht schon mal seine Frau betrogen? Hornstein,
der Zahnarzt. Dann kam aber Anfang August diese schreckliche Hitzewelle, und
plötzlich gab es auf den Straßen Frankfurts mehr zu sehen als im
Schlafzimmer der Familie Hornstein.
Jetzt hielt es auch Hornstein nicht mehr aus. Er rief eine
Kollegin in Wiesbaden an, mit der er beim letzten Dentistenkongress in Bad
Reichenhall eine interessante Diskussion über die Vor- und Nachteile von
Zahnersatz bei Oralverkehr hatte. Die Kollegin konnte sich an Hornstein zwar
nicht erinnern, war aber trotzdem sofort bereit, sich mit ihm in der
Mittagspause in einem Frankfurter Bahnhofshotel zu treffen. Er selbst wusste
auch nicht mehr, wie sie aussah - sie hatte aber noch alle ihre Zähne, das
hatte er nicht vergessen.
Auf dem Weg zum Bahnhof nahm Hornstein schnell eine halbe
Viagra. Er brauchte sie nicht wirklich, aber dass er sie gar nicht gebraucht
hätte, kann man auch nicht gerade sagen. Das merkte er schon am Bahnsteig.
Er stand da, übte das unauffällige Winken mit der neuesten Ausgabe des
»Jüdischen Dentisten«, das sie verabredet hatten, und spürte eine Erektion
in der Hose, die er das letzte Mal vor vierzig Jahren zustandegebracht
hatte. Damals überraschte er an einem Schabbatnachmittag seine Eltern nackt
in ihrem Bett in der spektakulären Baruch-Spinoza-Stellung.
Der Zug, der Hornstein Erlösung bringen sollte, kam nicht.
Wegen der Hitze hatten sich die Gleise irgendwo zwischen Frankfurt und
Wiesbaden verdreht, und die Kollegin sagte per SMS ab. Jetzt hatte Hornstein
also ein Problem. Zuerst versuchte er, Eis zu essen, um sich von seiner
Erregung abzulenken. Dann ging er in die Bahnhofsbuchhandlung und blätterte
mehrere Bände über das Dritte Reich durch. Aber die Erektion blieb. Auch
eine Golda-Meir-Biografie konnte ihm keine Erleichterung verschaffen. In der
Praxis schloss er sich dann im Röntgenraum ein und befriedigte sich dreimal
selbst. Er hätte es noch fünfmal machen können. Kaum war er fertig, richtete
sich dieses Viagra-Monster da unten schon wieder auf.
Als Hornstein nach Hause fuhr, begann es das erste Mal
seit Wochen zu regnen. Es stürmte und donnerte, und die Temperatur fiel um
ganze zehn Grad. War das seine Rettung?, fragte Hornstein sich verzweifelt.
Nein, war es natürlich nicht. Beim Aufschließen der Haustür kam er mit
seinem riesigen Schmendrik gegen die Klinke, und die Tür sprang wie von
selbst auf.
Hornsteins Frau Berele - eigentlich Barbara - bemerkte
sofort die ungewohnte Veränderung an ihrem Mann. Sie schob ihn ohne zu
zögern ins Schlafzimmer, und ungefähr zwei Stunden später gab sie wieder
auf. »Also weißt du, Liebling«, sagte sie völlig außer Atem, »wenn du mich
umbringen willst, geht das mit einer echten Waffe leichter.«
Am nächsten Morgen waren es draußen wieder fast vierzig
Grad im Schatten. Und Hornsteins Ding stand immer noch wie eine Eins. |