Verdammt noch mal:
Die Wahlmüdigkeit der Israelis Kommentar der
britischen Journalistin Melanie Philipps zur geringen Wahlbeteiligung bei
den israelischen Parlamentswahlen
http://www.melaniephillips.com/diary/archives/001655.html
Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass Israels Pein
darin besteht, dass es verdammt ist, was immer es auch tut: Es befindet sich
in schrecklicher Gefahr, wenn es sich aus den Gebieten zurück zieht und
(meiner Ansicht nach) in noch größerer Gefahr, weil viel existentieller,
wenn es dort bleibt.
Sollte Israel mit der Hamas reden? Natürlich nicht.
Hat es eine andere Wahl, als mit der Hamas zu reden? Natürlich nicht.
Alle Entscheidungen, die Israel zu treffen hat, sind immer schrecklich; alle
ziehen eine furchterregende Strafe nach sich, die bezahlt werden muss. Die
einzige Frage ist, wie schon immer, welche ist die am wenigsten schlimmste
dieser furchtbaren Alternativen.
Politikbesessenheit und aberwitziger Optimismus
Ist dies nicht auch der Grund, warum die israelischen Wähler „apathisch“
sind? Ein politisch weniger apathisches Volk kann man sich nicht vorstellen:
Fixiert auf jede politische Entwicklung, jede Stunde an den
Nachrichtensendungen hängend, weil Politik für sie sprichwörtlich den
Unterschied zwischen Leben und Tod ausmacht. Ein irrsinnig optimistischeres
Volk ist ebenfalls kaum vorstellbar: Sie greifen nach jedem Hoffnungsstrahl
auf Frieden, jedem Fitzel einer Friedenshoffnung, wie dürftig er auch sein
mag, dass die Araber sie letztendlich doch nicht wirklich umbringen oder den
Jüdischen Staat zerstören wollen.
Es ist tatsächlich der Optimismus, der aus der größtmöglichen Verzweiflung
geboren wurde, der sich an jeden Strohhalm klammert, um nicht der
Möglichkeit ins Auge sehen zu müssen, die einfach zu schrecklich ist, um sie
zu erwägen – dass es wirklich kein Ende dieses arabischen Hasses gibt, und
dass es kein Ende des Belagerungszustandes gibt, den Israel gezwungener
maßen seit seinen Anfängen aushalten muss.
Verteidigung mit allen Mitteln
Israel hat sich durch Kriege verteidigt. Es hat sich durch
Friedensverhandlungen verteidigt. Es hat sich durch Dialoge mit reformierten
palästinensischen Arabern in diskreten Hinterzimmern verteidigt. Es hat sich
durch gezielte Tötungen zum Völkermord entschlossener palästinensischer
Araber verteidigt. Es hat sich durch die Wahl kriegerischer rechter
Expansionspolitiker verteidigt. Es hat sich durch die Wahl linker
„Frieden-um- jeden- Preis“ Politiker verteidigt.
Doch was immer Israel auch tut, nichts bringt seiner Qual ein Ende.
Stattdessen hat, zu seiner Verwunderung, die Mehrheit der freien Welt
beschlossen, dass es als ein weltweit Ausgestoßener behandelt werden muss,
weil es gewagt hat, sich überhaupt zu verteidigen.
Jetzt, wo es übel mitgenommen durch den geopolitischen Ring taumelt, hat das
Schicksal ihm einen weiteren grausamen Schlag beigebracht. Kaum wurde Israel
ein weiterer möglicher Ausweg aus der Falle geboten – die Araber zu zwingen,
Farbe zu bekennen, den Palästinensern den Staat aufzudrücken, der angeblich
der Grund für den Konflikt ist und ihnen dann den Rücken zuzukehren, bis sie
einsehen, dass das Leben dem Tod und Wohlstand dem Massenmord vorzuziehen
sind – da wurde der Architekt dieser Vision gefällt, und das Land blieb ohne
Führungsfigur.
Das Ende aller Illusionen
Durch Krieg traumatisiert leidet es jahrzehntelang an ständigen
Misshandlungen für das Verbrechen seiner Existenz; Raketen werden täglich
aus Hamastan auf Israel abgeschossen und Völkermord wird aus dem Iran
angedroht.
Manche Gruppen schreien, dass die Regierung den Weg zur nationalen
Auslöschung durch einen Abzug aus den Palästinensergebieten bahnt; andere
schreien, dass die Regierung den Weg zur nationalen Auslöschung dadurch
ebnet, dass Israel nicht schnell genug aus diesen Gebieten abzieht; die
Groß-Israel-Bewegung wurde durch Scharon zerstört; das Friedenslager wurde
durch Arafat, Hamas und Islamischer Dschihad vernichtet.
Ältere Menschen suchen in Abfallbergen nach Nahrung (!), die politische
Elite lässt Gemeindevorsteher wie Staatsmänner aussehen, und das Wahlsystem
ist ein Rezept für eine dauernde politische Lähmung – ist es daher ein
Wunder, dass die Israelis, die sich plötzlich durch den Abtritt ihres
Kriegervaters als politische Waisenkinder wieder fanden, ihr Vertrauen in
einen weiteren Schritt in die bedrohliche Finsternis verloren und
stattdessen die Pensionärspartei wählten?
Die Friedensfrage und die Freie Welt
Man fragt: Wird das Wahlergebnis den Frieden mehr oder weniger
wahrscheinlich machen? Falsche Frage. Das Wahlergebnis ist irrelevant für
die Friedensfrage im Nahen Osten. Was die Israelis tun, kann die
Friedensaussichten im Nahen Osten nicht beeinflussen, weil das, was die
Israelis tun, nicht der Grund für den Krieg im Nahen Osten ist. Der Grund
für den Krieg ist die Tatsache, dass Israel überhaupt existiert und der
Wille der Araber, es auszulöschen – und die Tatsache, dass die freie Welt
sich geweigert hat, diese einfache Tatsache im letzten halben Jahrhundert
anzuerkennen, ist der wichtigste Grund dafür, dass diese mörderische
Sackgasse fortbesteht.
Lippenbekenntnisse des so genannten zivilisierten Westens zu Israels
Existenzrecht – ein Bekenntnis, welches das Recht schon durch seine
Artikulation in Zweifel zieht – hindern ihn nicht daran, Israel hängen zu
lassen, während seine Angreifer umschwärmt werden, Handel mit ihnen
getrieben wird, sie aufgebaut und gebilligt, befördert, entschuldigt,
gerechtfertig und verwöhnt werden.
Was wird eine Friedenslösung wahrscheinlicher machen? Wenn, und nur wenn,
die freie Welt ihren ruinierten moralischen Kompass repariert und anfängt,
Massenmörder als Außenseiter zu behandeln und ihre Opfer zu verteidigen,
statt es umgekehrt zu machen. Die Chancen, dass dies passieren wird, sind,
das muss man auch sagen, niedrig. Folglich ist die einzige Frage, die sich
aus Israels Wahlergebnis ergibt, diejenige, ob das Ergebnis es für Israel
einfacher oder schwieriger machen wird, sich gegen die ständigen Angriffe zu
verteidigen; und die Antwort auf diese Frage wird sich schnell genug
herausstellen. |