Hamas an der Regierung:
Nicht von langer Dauer
Kommentar von Danny Rubinstein, Ha'aretz,
24.04.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Mehrere Telefongespräche mit Bekannten im
Gazastreifen haben mir den Eindruck vermittelt, dass die Ernennung
von Jamal Abu Samhadaneh zum Generaldirektor des Innenministeriums
der Hamas-Regierung und die Gründung einer neuen Sicherheitstruppe
unter Abu Samhadanehs Kommando eine breite Unterstützung im
Gazastreifen finden. Abu Samhadaneh ist dort sehr beliebt, zum Teil
wegen der Terroranschläge, die er ausgeführt hat und von denen viele
Menschen im Gazastreifen denken, sie hätten Israel dazugeführt, sich
von dort zurückzuziehen. Abu Samhadaneh war ein prominenter Aktivist
in der Fatah-Bewegung und vereinigte junge Leute aus verschiedenen
politischen Gruppen in einer Organisation, die den Namen
"Volkswiderstandskomitee" trägt. Dieses Komitee hat mehrere
Terroranschläge ausgeführt.
Falls Abu Samhadaneh –trotz der Opposition des Vorsitzenden der
palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas- Erfolg mit
der Gründung einer neuen Sicherheitstruppe hätte, würde es sein Job
sein, der Polizei bei der Umsetzung von Recht und Ordnung zu helfen
und die Milizen und Gangs, die durch die Straßen von Gaza laufen, in
Zaum zu halten. Gesetzlosigkeit ist ein wichtiges Thema in Gaza,
nicht weniger wichtig als die finanzielle Krise, die den
Gazastreifen an den Rand des Hungers zu bringen droht. Jeder
wichtige Clan, jedes Stadtviertel und jede politische Gruppe
besitzen eine Art Privatarmee.
Der palästinensische Innenminister Said Siyam, der Abu Samhadaneh
ernannt hat, möchte, dass die neue Sicherheitstruppe Soldaten aus
den verschiedenen anderen Gruppen absorbiert. Hierzu soll auch Iz
al-Din al-Qassam, der militärische Zweig der Hamas, gehören. Diese
Gruppe soll von nun an ein untrennbarer Teil der offiziellen
Sicherheitstruppe der palästinensischen Autonomiebehörde sein. Dies
bedeutet, die Mitglieder der Gruppe werden Lohn bekommen wie der
Rest der Polizisten und Soldaten der PA auch.
Bei einem Auftritt am Wochenende in der Al-Omari-Moschee in Gaza
sagte Siyam, die neue Sicherheitstruppe solle den Gebrauch von
Waffen bei internen Konflikten und bei Angriffen auf Institutionen
der PA –wie z. B. bei der Übernahme von Regierungsministerien und
–eigentum durch bewaffnete Gangs- stoppen. Erst vor einer Woche
haben Mitglieder des Al-Sha'ar-Clans aus Rafah Eigentum und Gebäude,
die in der evakuierten Siedlung Rafiah Yam zurückgeblieben waren, in
Besitz genommen. Als palästinensische Polizisten versuchten
einzuschreiten, brach eine Schießerei aus, die einige Opfer
forderte.
Deshalb erwarten die Bewohner des Gazastreifens von der Hamas, das
zu tun, was sie während der Wahlkampagne versprochen hatte, nämlich,
für die persönliche Sicherheit der Menschen zu sorgen. Dies war eine
von den Hauptzusagen der Hamas. Sie versprach nicht, den Frieden mit
Israel voranzubringen oder die Beziehungen zu den USA und Europa zu
verbessern. (Allerdings war die Hamas-Führung, die merkte, dass sie
in der Welt mehr und mehr isoliert wurde, gezwungen, öffentliche
Statements abzugeben, die besagten, dass nach einem israelischen
Rückzug zu den 1967er Grenzen, ein Friedensabkommen möglich wäre.)
Die Hamas-Regierung hat nicht das Geld, um die Gehälter zu zahlen.
Die Spenden, die diese Woche aus Katar, Saudi-Arabien und dem Iran
eintreffen sollen, werden gemeinsam mit den privaten Spenden kaum
ausreichen, um für alle anfallenden Gehälter der nächsten Woche
aufzukommen.
Deshalb war die Hamas-Regierung gezwungen, etwas gegen
Gesetzlosigkeit und Korruption zu unternehmen. Und die Ernennung von
Abu Samhadaneh war die Art von Aktion, die viele im Gazastreifen
erwartet hatten. Das Problem ist, dass die Hamas-Regierung kaum eine
Chance hat, auf diesem Gebiet einen Erfolg vorzuweisen. Siyam und
Abu Samhadaneh planen nicht, die existierenden Milizen zu
entwaffnen. Sie wollen sie nur in ein gemeinsames Rahmenwerk
bringen. Die Existenz der Milizen und Privatarmeen wird akzeptiert
werden. Dies wird eine Art offizieller Anerkennung sein, die diese
Gruppen wohl eher stärken als schwächen wird. Jeder wird Jobs und
Gehälter haben wollen, doch es gibt nicht genug Geld dafür. Und wer
braucht eigentlich wirklich eine weitere Sicherheitstruppe? Seit
Jahren beklagen sich diese Leute, die Reformen in der PA fordern,
darüber, dass es zu viele Sicherheitstruppen gibt. Es sind so viele,
dass man sie kaum zählen kann. Sie forderten von Arafat, sie zu
demontieren. Doch nun wollen sie eine weitere hinzufügen?
Die Proteste, die man im Gazastreifen zu diesem Thema hört, die
zunehmende Rivalität zwischen Fatah und Hamas, die Isolation der
Hamas-Regierung in der regionalen und internationalen Arena und die
ernsthafte finanzielle Krise, der die Regierung gegenüber steht: All
dies weist darauf hin, dass diese Regierung nicht lange überleben
wird. Das schwierigere Problem ist jedoch, jemanden zu finden, der
fähig ist, sie zu ersetzen.
hagalil.com 24-04-2006 |