Mordversuch aus Fremdenhass:
Deutsch-Äthiopier von Rassisten halb tot geschlagen
Von Ralf Fischer
Am vergangenen Sonntagmorgen wurde in Potsdam der
37-jähriger Wasserbauingenieur Ernyas M. von zwei unbekannten Tätern
angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Die Polizei geht von einem
fremdenfeindlichen Motiv aus, denn das eingeschaltete Handy des Opfers
übertrug die Tat. Die Stimmen der Täter hat die Polizei ins Internet
gestellt.
Beim Abspielen des Telefonats auf der Pressekonferenz lief es so manch einem
Pressevertreter kalt den Rücken herunter. Neben den vielen nicht deutbaren
Geräuschen und Wortfetzen ist ein Wort immer wieder deutlich zu hören:
'Nigger'. Offenbar hat das Opfer versucht seine Frau anzurufen, aber die war
nicht ans Telefon gegangen, so dass der Anrufbeantworter ansprang und das
aufzeichnete, was die Polizei als Beginn der Auseinandersetzung ansieht.
Nach insgesamt fast zwei Minuten bricht das Telefonat ab. 'Oh je!' ist das
Letzte, was deutlich zu hören ist. Das Gespräch kann mittlerweile auch über
die Telefon-Nummer 0331 - 283 53 777 abgehört werden.
Seit jenen Morgenstunden kämpfen die Ärzte um das Leben des 37-Jährigen
Deutschen mit afrikanischer Herkunft. Mit einem schweren Schädel- und
Gehirntrauma, Knochenverletzungen, einem verletzten Auge und Erbrochenem in
der Lunge wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Nur ein Schlag oder Tritt
mehr und der Mann wäre vermutlich tot gewesen, so Benedikt Welfens, Sprecher
der Staatsanwaltschaft.
Was die Verletzungen verursachte ist bis jetzt noch nicht klar. "Stumpfe
Gewalt gegen den Kopf", heißt es seitens der Polizei. Verursacht durch eine
unbekannte Waffe oder durch Tritte mit Stiefeln gegen den Kopf, als das
Opfer schon am Boden lag, genau könne man das noch nicht sagen.
Womöglich hat ein Taxifahrer Ernyas M. das Leben gerettet. Auf der Fahrt zu
einer nahen Diskothek, sah er bereits, dass sich Täter und Opfer an der
Haltestelle im Gespräch befanden. Auf der Rücktour habe er dann den Mann an
der Ecke Zeppelinstraße/Nansenstraße auf dem Boden liegen sehen. Daraufhin
stieg der Taxifahrer aus und die Täter flüchteten in Richtung Innenstadt.
Zwar versuchte der Taxifahrer den beiden Tätern noch zu Fuß zu verfolgen,
aber nach ergebnisloser Verfolgung ist er an der Ecke
Zeppelinstraße/Stiftstraße umgekehrt, um dem Opfer zu helfen.
Zivilgesellschaftliche Solidaritätskundgebung mit dem Opfer
Eine Reaktion der Potsdamer Zivilgesellschaft auf diesen brutalen Angriff
lies nicht lange auf sich warten. Schon einen Tag nach dem Übergriff
demonstrierten über 500 Menschen in der Potsdamer Innenstadt zwei Stunden
lang ihre Solidarität mit dem Opfer und gegen rechte Gewalt. Vom Platz der
Einheit ausgehend ging es bis zum S-Bahnhof Charlottenhof und wieder zurück.
Zumeist junge Antifaschisten aus Berlin und Potsdam waren an der
Demonstration durch die brandenburgische Landeshauptstadt beteiligt.
Angemeldet hat die Demonstration Lutz Boede von der Kampagne gegen
Wehrpflicht aus Potsdam. Die Stimmung ist kämpferisch solidarisch. Als sich
der Demonstrationszug losbewegt ertönen Sprechchöre, die dazu auffordern den
Neonazis die Straße zurück zugeben, und zwar Stein für Stein. Doch trotz
dieser verbalen Militanz ist es eher ein breites Bündnis, welches auf der
Straße gegen jeden Rassismus und rechte Gewalt demonstriert. Mitglieder der
Grünen bekunden Seit an Seit mit jugendlichen Autonomen und Anhänger der PDS
sowie der DKP ihre Abscheu.
Übergriffe im Wochentakt
Vielen steht die Wut ins Gesicht geschrieben, sie haben erst vor kurzem
erfahren, was am 16. April Frühmorgens in Potsdam geschah. Unter ihnen ist
auch Tamás Blenessy. Vor einem Jahr wurde der Student auch Opfer eines
Überfalles von Neonazis. Er war erschüttert als er die Nachricht vom
Geschehen an der Straßenbahnhaltestelle bekam, aber überrascht hat es ihn
nicht. Rechte Übergriffe, nicht immer in dieser Dimension, finden, nach
seiner Aussage, derzeit im Wochentakt in Potsdam statt.
Die Brutalität mit der die Täter gegen ihn vorgingen, erinnert Blenessy an
das Vorgehen der Neonazis damals gegen ihn. Doch er hatte mehr Glück als der
aus Äthopien stammende Ernyas M., dass steht für ihn fest.
Für die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta
Kahane, beweist der Übergriff wieder einmal mehr, wie wichtig eine
kontinuierliche gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus
wäre und dass besonders Opferberatungen in Ostdeutschland als wichtiger
Bestandteil der Zivilgesellschaft finanziell gefördert werden müssen. Sie
ruft dazu auf Geld zur Betreuung und Behandlung von Ernyas M. und seiner
Familie, aber auch zugunsten vieler anderer, oft unbekannter Opfer
rassistischer Gewalt zu spenden. Das sei die Gesellschaft den Opfer rechter
Gewalt schuldig.
>> Zum
Opfernfonds CURA
>> Zur Opferberatung Jugend engagiert in
Potsdam (JeP)
>> Zur Opferberatung
Brandenburg
>> Der Mitschnitt der Tat
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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 18.4.2006
hagalil.com 19-04-2006 |