Abfallbeseitigung oder strafbare Sachbeschädigung:
Deutsche Richter schützen SS-Schleife
In Salzburg marschiert alljährlich die Waffen-SS mit protzigem Kranz samt
Banderole zur Verherrlichung ihrer Taten und zur Leugnung ihrer Verbrechen
auf. Der Künstler Wolfram P. Kastner hat die SS-Banderole mehrfach
beschnitten und dem Bundespräsidenten nach Wien geschickt.
Während in Österreich Verfahren wegen angeblicher Sachbeschädigung stets
eingestellt wurden, erfand in Deutschland ein von Kastner als "jungdeutscher
bräunlicher Staatanwaltgruppenleiter" beschriebener Herr, mit
offensichtlicher Rückendeckung seiner Herren ein "besonderes deutsches
Strafverfolgungsinteresse".
So konnte ein deutsches Amtsgericht den Künstler wegen
"Sachbeschädigung" verurteilen. Ein Oberlandesgericht bestätigte das Urteil
sogar. Nun reichte der Künstler Verfassungsbeschwerde beim
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Klaus Parker kann nur
Abfallbeseitigung - und keine strafbare Sachbeschädigung erkennen.
Wolfram P. Kastner berichtet: Alljährlich marschieren in Salzburg am 1.
November SS-Veteranen mit Anhang und Blasmusik zum Kriegerdenkmal am
Kommunalfriedhof und stellen einen Kranz mit schwarzer Banderole auf - mit
silberner Aufschrift "Zum ehrenden Gedenken unseren gefallenen Kameraden der
Waffen-SS".
Es geht ihnen um die Verharmlosung der Verbrechen der SS und um ihre
Stilisierung zu Kriegshelden. Da trägt schon mal einer Hakenkreuzorden.
Der Bischof geht voraus, die FPÖ marschiert hinterher.
Ich habe diesen Skandal erstmals 1994 mit einem Scherenschnitt versehen,
ebenso 1999, 2001, 2003, 2004, 2005 - in der Hoffnung, den gefährlichen
Irrsinn so sichtbar zu machen, dass er endlich unterbunden wird. Die
SS-Mannen erstatteten Anzeigen gegen mich und stießen Morddrohungen aus.
Alle Strafverfahren wegen Sachbeschädigung wurden in Österreich eingestellt.
Dagegen erfand ein deutscher Staatsanwalt im Jahr 2005 von sich aus ein
besonderes deutsches Strafverfolgungsinteresse wegen des Scherenschnitts von
2003. Und ein deutsches Amtsgericht verurteilte mich wegen Sachbeschädigung.
Dagegen legte ich Revision ein.
Das zuständige bayerische Oberlandesgericht bestätigte nun im Februar 2006
das Urteil und beschloss, dass die SS-Kranzschleife eine Sache wie jede
andere und durch das Eigentumsgrundrecht geschützt sei.
Der antifaschistische Grundkonsens der Verfassung ist den bayerischen
Oberrichtern völlig wurscht, ebenso die Freiheit der Kunst. Gegen das Urteil
und den Beschluss habe ich mit meinem Anwalt Jürgen Arnold
Verfassungsbeschwerde eingelegt. Daraus entstehen einige finanzielle
Aufwendungen. Solidaritätserklärungen und Solidaritätsbeiträge wären
hilfreich.
Ein Kommentar von Klaus Parker
Wenn schon, denn schon...
... richtige §§-Reiterei:
Strafbar beschädigen kann man nur eine fremde Sache. Wer eine Zeitung
zerschnippelt, die er auf einer Parkbank gefunden hat, konnte davon
ausgehen, dass der vormalige Eigentümer sie unter Aufgabe des Eigentums dort
zurückgelassen hat. Unser fiktiver Schnippler wird sich also vor seinem
"Scherenschnitt" die Zeitung rechtmäßig zugeeignet haben, womit sie nicht
(mehr) fremd war und somit auch kein taugliches Objekt einer
Sachbeschädigung.
Bei den "Froinden" aus AT würde ich natürlich sofort unterstellen, dass
diese solche Kranzschleifen mit Ausdrucken, die nahe an eine strafbare
Wiederbetätigung kommen, unter Eigentumsaufgabe entsorgen, da es ihnen nur
auf den Propagandaerfolg und nicht auf ein eventuelles Ermittlungsverfahren
gegen sich selbst ankommt.
Kurz und gut: besten Gewissens würde ich die Dinger für herrenlos halten,
mir selbige wirksam zueignen und gehörig der Beschädigung und / oder
Vernichtung anheim fallen lassen. Abfallbeseitigung sozusagen. Und straflos.
Die Beschwerde wird unterstützt von:
Sepp Bierbichler, Schauspieler; Christine Bucher; Margret Chatwin;
Eckert Dietzfelbinger, Nürnberg; Dr. Ulrich Dittmann; Otto Dressler,
Verfremder; Gabi Duschl; Günter Eisenhut, Galerist, Graz; Birgit Grube; Pf.
Oliver Gußmann, Rothenburg o.d.T.; Amelie Fried, Autorin, Moderatorin;
Giordano-Bruno-Stiftung; Lisa Gritzmann; Prof. Dr. Daniela Hammer-Tugendhat;
Prof. Dr. Ivo Hammer;
Hubert Heinhold, Rechtsanwalt; Claus Peter Hess, Hamburg;
Hanne Hiob, Schauspielerin; Prof. Dr. Detlef Hofmann, Kunsthistoriker;
Hans-Georg Hollweg, Mönchengladbach; Robert Hültner, Autor, Regisseur;
Gottfried Hüngsberg; Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und
Strafverteidiger; Naomi Isaacs;
Georg Janinhoff; Elfriede Jelinek; Pf. Walter Joelsen; Toni Kilger; Günter
Knoll; Antje Kunstmann Verlag; Claus Peter Lieckfeld, Autor; Edgar Liegl,
Dozent; Gabriele Malek; Max Mannheimer; Ecco Meineke, Autor, Karettist; Jens
Mittelsten-Scheid; Peter Probst, Autor; A1-Verlag; Gerd Nies, Rechtsanwalt;
Prof. Klaus Staeck; Herbert Steffen, Masterhausen; Sobo Swbodnik, Autor,
Berlin; Bernd Tremml, Rechtsanwalt; Prof. Peter Weibel, Wien; Günter Wimmer;
Christian Woldmann; Ingo Zechner, Wien
Institut für Kunst und Forschung
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