Radio Maryja unter Beschuss:
Streit um
antisemitische Aussagen des polnischen Radiosenders
Von Daniel Mahla
Der Ethikrat der polnischen Medien (Rada Etyki Mediów) kritisierte in der
letzten Woche in aller Schärfe den katholischen Radiosender Radio Maryja. In
einer Verlautbarung vom ersten April griff der Rat die Benutzung "primitiver
antisemitischer Aussagen" an und bezichtigte den Sender einer "Sprache des
Hasses".
Anlass der Kritik war eine Sendung des Journalisten Stanislaw
Michalkiewicz vom 27. März. In dieser hatte sich Michalkiewicz über
angebliche "jüdische Forderungen" aus den 90er Jahre erregt. Verschiedene
amerikanisch-jüdische Organisationen und vor allem der World Jewish Congress
hätten in dieser Zeit von Polen "Schmiergelder" gefordert und damit gedroht,
bei Nichtzahlung die Bemühungen des Landes um einen Beitritt zur NATO zu
vereiteln. In dieser Situation habe der polnische Staat die geforderten
Gelder bezahlt. Damit aber gäben sich die jüdischen Organisationen noch
nicht zufrieden. Nun, so will Michalkiewicz in Erfahrung gebracht haben,
fordert der World Jewish Congress, "eine der Hauptfirmen der
Holocaustindustrie", die Restitution von in der Shoa ermordeten polnischen
Juden hinterlassenen Gütern.
Schenkt man den Behauptungen des Journalisten Glauben, so muss Polen den
jüdischen Organisationen 60 Milliarden Dollar zahlen, um von diesen nicht
auf internationaler Bühne kompromittiert zu werden. Als Beweise für seine
These nennt Michalkiewicz die angeblich übertriebenen Darstellungen der
Ereignisse in Jedwabne sowie die "propagandistischen" Vorbereitungen zum 60.
Jahrestag der Pogrome in Kielce (In der polnischen Stadt Kielce kam es am 4.
Juli 1946 zu einem Pogrom auf heimkehrende jüdische Shoaüberlebende, in
dessen Verlauf über 40 Menschen ermordet wurden).
Der nationalkonservative Sender, der auch in Kreisen der katholischen Kirche
nicht unumstritten ist, macht nicht zum ersten Mal mit solchen Schlagzeilen
auf sich aufmerksam. Immer wieder waren in Ausstrahlungen Radio Maryjas in
der Vergangenheit diskriminierende Aussagen über religiöse Minderheiten und
extreme Stimmungsmache gegenüber Homosexuellen zu vernehmen. So wird etwa
der Gründer und geistige Patron des Senders, Pater Tadeusz Rydzyk, in der
polnischen Wikipedia mit dem Ausspruch zitiert: "Ich nenne das aj waj
Schalom. Es zeigt sich, dass dies eine Religion des Handels ist. Das ist
Handel und keine Religion Gottes." Überfliegt man die auf der Internetseite
zusammengetragenen Zitate von Mitarbeitern und Zuhörern Radio Maryjas, so
erhält man einen guten Überblick über die gesamte Bandbreite gängiger
antisemitischer Stereotype.
Unter anderem wegen solcher Aussagen steht der Radiosender bei verschiedenen
polnischen Organisationen und Presseorganen seit längerem in der Kritik. Die
liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza etwa, hat in Pater Rydzyk ihren
Intimfeind gefunden, über dessen Medienunternehmen
sie regelmäßig
berichtet
(neben Radio Maryja zählen dazu noch die Tageszeitung Nasz Dziennik, der
Fernsehsender Trwam sowie eine Journalistenschule in Torun).
Auch die 1999 gegründete Gesellschaft gegen Antisemitismus und Fremdenhass,
Otwarta Rzeczpospolita (Offene Republik), machte in ihren Analysen
polnischer Medienberichterstattung bereits mehrmals auf die diskriminierende
Sprache des Senders aufmerksam. Otwarta Rzeczpospolita begrüßte dann auch
die Verlautbarung des Ethikrats und forderte diesen auf, weitere Schritte
gegen Radio Maryja einzuleiten.
Ob der Rat solche Maßnahmen allerdings ergreift, scheint zweifelhaft. Die
Gazeta Wyborcza erhielt auf eine entsprechende Anfrage die Auskunft, man
könne aus formalen Gründen zurzeit nicht gegen den Sender vorgehen. In der
Zeitung vermutet man dahinter politische Erwägungen. Die rechtskonservative
Regierungspartei Prawa i Sprawiedliwosc (Recht und Gerechtigkeit) wolle den
Sender nicht verärgern, so ein Kommentar in der Gazeta Wyborcza. Ganz von
der Hand zu weisen sind solche Vorwürfe nicht. Immerhin unterhält die Partei
beste Beziehungen zu Radio Maryja. Politiker der PiS sind hier gern gesehene
Gäste. Die Regierung nutzt den Sender ihrerseits, um eigene Ansichten zu
verbreiten – ohne kritische Nachfragen und kontroverse Diskussionen. Der
PiS-Abgeordnete Tadeusz Cymanski befand in einem Interview mit der Gazeta
Wyborcza die antisemitischen Ausfälle von Michalkiewicz zwar für tadelswert,
sah darin jedoch eine bedauernswerte Ausnahme. Auf die Nachfrage der
Journalisten lehnte er eine Verurteilung des Senders ab: "Antisemitische
Aussagen gibt es überall. Eine besondere Konzentration solcher Aussagen sehe
ich bei Radio Maryja nicht."
Radio Maryja:
Der Herr im Äther
Der Primas der katholischen Kirche Polens, Kardinal Josef Glemp, versucht
den nationalkatholischen Radiosender Radio Maryja zu bändigen, bestimmt
nicht wegen des Antisemitismus und Rassismus des Senders...
Hintergrund:
Radio Maryja
Einer der Protagonisten der 'Kreuz-Kampagne' ist Tadeusz Rydzyk, Priester
und Chefredakteur von Radio Maryja...
hagalil.com 09-04-2006 |