Ein kleiner Kreis von
Gleichgesinnten, die sich über Hagalil online, Europas größtem Portal zum
Judentum, kennen gelernt hatten, schloss sich vor Jahren in einer
mailinglist zum gelegentlichen Gedanken- und Informationsaustausch zusammen.
Klaus Parker und ich zählten dazu.
Am 19. Oktober 2003 schrieb Klaus eine kurze, unscheinbare Nachricht, die
folgendermaßen begann: "Besagter MdB soll am 3. Okt. 03 nachfolgende Rede
gehalten haben:". Es folgte ein link zu einem braun-esoterischen
Internet-Forum ("Jo Conrad"), in dem der Text dieser damals noch angeblichen
Politikerrede veröffentlicht war. Der Name des Abgeordneten: Martin Hohmann.
Am nächsten Tag antwortete ich in die Liste: "danke für den Tipp. Der
gesamte Text ist ein widerliches antisemitisches Pamphlet. Der Name Hohmann
sagte mir bisher nichts, aber - wie ich sehe - er kommt aus Fulda...".
Es folgten ein paar Tage intensiver Nachforschungen und überraschender
Entdeckungen. Die - bis dahin unbekannte - Rede stammte tatsächlich von
einem - bis dahin fast unbekannten - MdB namens Martin Hohmann. Seitenweise
zitierte er aus einem in haGalil kurz zuvor rezensierten Machwerk über
"Juden und Bolschewismus".
Wir beschlossen auf diese Rede aufmerksam zu machen und am 27.10.2003
erschien in hagalil.com Andrea Livnats erster Artikel zur Rede. Gleichzeitig
informierten wir den Fraktionsvorstand der CDU, den Bundestagspräsidenten
und eine Journalistin des Hessischen Rundfunks, für die der Vertreter des
Wahlkreises Fulda alles andere als ein Unbekannter war. Es kam ein
politischer Skandal ins Rollen, der im Spätherbst 2003 die Republik in Atem
hielt, der einem Bundeswehrgeneral seinen Posten und Hohmann CDU-Fraktions-
und Parteizugehörigkeit und schließlich auch das Mandat kostete, und dessen
Aufdeckung vor allem einem Mann zu danken ist: Klaus Parker.
Als in einigen Medien über die Urheberschaft der Aufdeckungen falsch
berichtet wurde, die ganze Sache z.B. lieber anonymen jüdischen Kreisen in
den Vereinigten Staaten zugeschrieben wurde, und ich Klaus vorschlug, bei
ARD, ZDF und einigen überregionalen Zeitungen auf eine wahrheitsgemäße
Darstellung des Hergangs zu dringen, lehnte er ab. Auch Bescheidenheit
zählte zu seinen vielen Tugenden.
Der spektakuläre Fall Hohmann steht hier nur als leuchtendes Beispiel für
Klaus Parkers ständige, unermüdliche Kärrnerarbeit im Kampf gegen
Rechtsextremismus und Antisemitismus inner- und außerhalb des Internets,
deren Erfolge meistens nicht an die breite Öffentlichkeit gelangten. In den
einschlägigen Kreisen war sein Name allerdings durchaus ein Begriff, was
Klaus zum Angriffsziel von Drohbriefen und –anrufen aus den rechten Kreisen
machte.
In der Liste erwähnte Klaus einmal seinen 1909 geborenen jüdischen Vater,
einem leidenschaftlichen Sozialdemokraten und Reichsbannermann, der 1936
nach Palästina geflohen war, um 1946 zurückzukehren*.
Ich denke, von ihm muss Klaus seinen messerscharfen politischen Verstand
und auch sein politisches Herz, seine Leidenschaft für die "res publica",
für die relevanten öffentlichen Dinge und das Wohl des demokratischen
Rechtsstaats geerbt haben. Die Katastrophe des Holocausts und besonders die
Verfolgungserfahrung des Vaters sehe ich als die wesentlichen Triebfedern in
Klaus Parkers unermüdlichem Kampf gegen die Feinde der Demokratie, den er
vor allem mit juristischen Waffen führte.
Von den Schattenseiten dieser dauernden Auseinandersetzung mit dem
Widerwärtigen und Bösartigen sprach er selten. Selbstmitleid war nicht seine
Sache. Nur einmal öffnete er sich und ließ einen kurzen Blick auf seine
seelischen Verletzungen zu, die wahrscheinlich viel tiefer gingen, als er es
uns gegenüber (den Gesprächspartnern in der Liste) in einem Moment der
Erschöpfung und vielleicht auch Verzweiflung andeutete. Immer wieder
fürchtete ich, Klaus könnte sich zuviel zumuten, physisch und psychisch.
Jetzt ist Klaus Parker tot und ich kann es immer noch nicht fassen. Bei
ihm ist es keine Floskel zu sagen: plötzlich, unerwartet und viel, viel zu
früh. Sein Tod ist ein bitterer Verlust, ich trauere um ihn. Wie oft hat er
mir nicht mit Geduld und umfassender Sachkenntnis Auskunft gegeben über
komplizierte juristische Sachverhalte, hat mir erklärt, was ich gegen den
geplanten Aufmarsch der NPD in meiner Heimatstadt unternehmen, wie gegen den
öffentlichen Auftritt eines ins rechtsextreme Milieu abgeglittenen
ehemaligen Offiziers vorgegangen werden sollte und – auch das ist wichtig –
was *nicht* ratsam oder *nicht* zulässig ist zu tun, und, und, und...
In besonders dankbarer Erinnerung werde ich vor allem Klaus’ große,
uneigennützige und stets freundliche Hilfsbereitschaft behalten. Er gehörte
zu den ganz wenigen Experten, deren menschliche Größe sie befähigt, kein
„Herrschaftswissen" anzusammeln, sondern es großzügig zu teilen. An seiner
Kompetenz und fachlichen Erfahrung ließ er alle partizipieren, die bei ihm
Rat suchten. Ein Entgelt hat er dafür nie verlangt.
Ich werde Klaus vermissen. Wer sollte ihn je ersetzen können?
Monika Muggli