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Middle East Roundtable /
Edition 13
Eine israelische Sicht:
Der grundlegende Auftrag ist die Islamisierung
Wir dürfen nicht vergessen, dass
letztendlich, egal wie lange es dauern wird, Hamas eine einzige, vorrangige
Mission hat. Von Yossi
Alpher
[ENGLISH]
Hamas arbeitet an der Bildung des Kabinetts, das
vollständig auf ihre Anhänger und ihre religiös-politische Philosophie
ausgerichtet ist. Innerhalb von wenigen Tagen kann das Kabinett stehen.
Gleichzeitig werden sich Beschaffenheit und Zusammensetzung der nächsten
israelischen Regierung im Anschluss an die Wahlen vom 28. März abzeichnen.
Somit werden dann einige der wichtigsten Folgen des Hamas-Sieges bei den
PA-Wahlen am 25. Januar allmählich in Erscheinung treten.
Zum einen scheint der palästinensische Präsident Mahmoud
Abbas (Abu Mazen) ständig vor der Hamas zurückzuweichen und ihr nachzugeben.
Zuerst legte er ihr eine Reihe von eindrucksvollen Bedingungen vor, damit
sie sich für die Bildung einer neuen Regierung qualifiziert, und er
arbeitete darauf hin, die Bildung dieser Regierung bis nach den israelischen
Wahlen zu verschieben. Die "Dinosaurier" der anachronistischen PLO-Führung
schaltete sich mit ihren eigenen Bedingungen ein. Hamas antwortete mit einem
Ignorieren all dieser Bedingungen und möchte eine sofortige Billigung ihres
Kabinetts durch das Parlament. Jetzt
verspricht (droht?) Abu Mazen, die Leistungsfähigkeit der neuen Regierung
genau zu überwachen und sich einzumischen (die Regierung aufzulösen? neue
Wahlen abhalten zu lassen?), sollte sie nicht seinen Standards in Bezug auf
Israel und den Friedensprozess entsprechen. Lassen wir uns davon nicht
imponieren. Abu Mazens Einsätze und Bedingungen sind beeindruckend, wenn sie
außerhalb des Kontextes betrachtet werden. Aber sie sind seit langem nicht
mehr glaubwürdig. Ebenso gibt es nur
eine geringe Chance für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses, die
Entwicklung der Roadmap oder zumindest für ernsthafte Verhandlungen in den
kommenden Monaten. Sollte die israelische Linke eine Koalition mit Kadima
eingehen, wird sie versuchen, dieser Partei dabei zu helfen, ihr Versprechen
einzuhalten, wenigstens die Verhandlungsmöglichkeiten auszuloten, bevor sie
sich einer Abkopplung hinwendet. Aber Abu Mazens Auftreten weckt wirklich
wenig Vertrauen, dass eine PLOFriedensfährte die Hamas und die PA irgendwie
umgehen könnte, so dass Israel von noch mehr Abkopplung absehen könnte.
Abu Mazen soll sich auch zum Ziel genommen haben, die
Arabische Liga, die sich in dieser Woche in Khartum treffen wird, auf seine
Seite zu bringen. Damit soll wahrscheinlich bezweckt werden, Hamas mit einer
Bestätigung des Saudi-Plans zu konfrontieren, der im März 2002 von der
Arabische Liga gebilligt worden ist. Damals hatte die Scharon-Regierung den
Plan abgewiesen, als sie ihn eigentlich hätte annehmen sollen – wie
problematisch auch immer vom israelischen Standpunkt aus gesehen. Aber er
war von der arabischen Gemeinschaft ein Schritt nach vorne in Richtung eines
umfassenden Friedens. Jetzt wird der Plan auch im günstigsten Fall die Hamas
nicht an den Verhandlungstisch bringen. Dennoch kann ein Druck von der
Arabischen Liga auf Hamas, ihre Politik nach dem Saudi-Plan auszurichten,
nicht schaden. In der Zwischenzeit
scheint der Waffenstillstand oder die Pause (tahdiya) für mindestens einige
Monate anzuhalten, während die Hamas darum bemüht ist, ihre Herrschaft zu
stabilisieren und Ehud Olmert eine Koalition organisiert. In dieser Hinsicht
lautet die unmittelbare Frage, wie wird Hamas sich jenen palästinensischen
Akteuren gegenüber verhalten, die den Waffenstillstand nicht anerkennen und
darauf aus sind, zuerst die israelischen Wahlen, dann den Waffenstillstand
an sich zu sabotieren – Islamischer Dschihad, Dissidenten der Fatah, PFLP.
Eine Ablehnung von einem Hamas-Minister für innere Sicherheit, gegen diese
Terroristen vorzugehen, würde die Spannweite israelischer Geduld gegenüber
einer Hamas-Regierung erheblich mindern. Trotzdem wird dies
höchstwahrscheinlich eintreten.
Schließlich wird die neue Regierung von dieser Woche an mit der internen
Herausforderung konfrontiert werden, die Regierungsmaßnahmen zu bewältigen
und Gelder dafür aufzubringen. Das wird vielleicht für die langfristige
Aussicht, Hamas entweder zu überwachen oder ihr wieder die Macht zu nehmen,
von größter Bedeutung sein. Vermutlich wird sie diese Angelegenheit mit der
Einführung lobenswerter Anti-Korruptions- und Selbstversorgungsprogramme
energievoll angehen. Dabei wird sie Tricks finden, um internationale
Spendengelder und durch Israel eingenommene Steuern indirekt über NGOs zu
erhalten. Ebenso wird sie an
verschiedene arabische und islamische Spender appellieren, ihre
Unterstützung zu erhöhen. Aber sie muss sich davor in Acht nehmen, die
Hunderttausenden von Fatah-Anhängern zu feuern, die inflationäre Gehälter
abgezogen hatten, ohne dafür gearbeitet zu haben, wenn sie nicht mit einer
Meuterei konfrontiert werden möchte. Im
Umgang mit der Leistungsfähigkeit der Hamas sollten Israel, die moderaten
arabischen Staaten und die internationale Gemeinschaft, geführt von denn USA
und der EU, drei Faktoren nicht vergessen: Ersten gibt es keinen einzigen
Fall, in dem die Muslimbrüder durch Wahlen in einem arabischen Land an die
Macht gekommen sind. Wir können einfach nicht mit Sicherheit voraussagen,
wie Hamas sich verhalten wird. Also ist
von Anfang an Vorsicht geboten: Beobachte und warte ab, benutze Zuckerbrot
und Peitsche. Zweitens wissen wir
aufgrund der israelisch-palästinensischen Wechselbeziehungen, dass
wirtschaftliche Sanktionen, die die Palästinenser noch mehr verarmen lassen,
nicht die erwünschte Mäßigung der Hamas bewirken würden. Im Gegenteil, sie
würden die palästinensische Gesellschaft noch mehr radikalisieren.
Damit ist nicht gemeint, dass wir einer Hamas-Regierung Geld
hinwerfen sollten, oder dass internationale Spendehilfen Hamas zur Mäßigung
bringen würden. Bestimmt gibt es keinen Grund, Hamas für ihre
extremistische, Anti-Frieden-Position zu belohnen. Aber es macht auch wenig
Sinn, Palästinenser für sie zu bestrafen.
Schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass letztendlich,
egal wie lange es dauern wird und wie vorsichtig sie damit umgehen wird,
Hamas nur eine einzige, vorrangige Mission hat: die palästinensische
Gesellschaft zu islamisieren. Diejenigen in Palästina, Israel und anderswo,
die diesen Faktor ignorieren, werden wahrscheinlich einen großen Preis für
ihre willentliche Ignoranz bezahlen.
Yossi Alpher ist Mitherausgeber von bitterlemons.org und
bitterlemons-international.org. Er ist ehemaliger
Direktor des Jaffa Center for Strategic Studies an der Universität von Tel
Aviv und war Berater des früheren
Ministerpräsidenten Ehud Barak.
Übersetzung K. Badr
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forum for an array of world perspectives on the Middle East and its
specific concerns. It aspires to engender greater understanding about
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hagalil.com 03-04-2006 |