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Zu Pessach:
Dialektik der Freiheit

Yves Kugelmann

Pessach. Die Zeit der Befreiung – einst von der Knechtschaft, und heute? Freiheit ist nicht die Konsequenz von Befreiung. Frei sein ist nicht Freiheit. In Freiheit leben kann, wer unfrei ist, ebenso, wie frei sein, wer in Unfreiheit lebt. Und so stellt sich an Pessach die Frage, ob der Prozess der Befreiung wesentlicher war als die Freiheit selbst.

Wenn im doppelten Sinne der Weg, die Wüstenwanderung und der Prozess das Ziel waren, wenn Gefangenschaft der Ausgangspunkt zur Freiheit war, wie sollen Individuum und Kollektiv dann mit der Freiheit umgehen, wenn sie sie erlangt haben? Erstmals seit vielen Jahrhunderten leben Jüdinnen und Juden befreit von äußeren Fesseln, zumeist in freiheitlichen Gesellschaften, in Freiheit, befreit, aber längst nicht frei. Nicht frei von inneren Fesseln.

Gemeinschaft. Es gibt keine Freiheit, wenn durch die eigene Freiheit andere – Juden und Nichtjuden – unfrei werden. Die jüdische Tradition hat eine wichtige Dialektik zwischen individueller Eigen- und gemeinschaftlicher Gesamtverantwortung etabliert. Individuum und Kollektiv sind keine Gegensätze, sie ergänzen sich. Die individuelle Entwicklung hin zur Freiheit in einer Gemeinschaft ist wesentlich. Die Gleichschaltung der Mitglieder einer Gemeinschaft, denen etwa das freie Denken verboten ist und ein Kollektiv etabliert, das in Abhängigkeit einer Machtstruktur lebt, ist dem Judentum fremd. Ohne innere Freiheit wäre etwa der Talmud nicht möglich geworden. Doch diese innere Freiheit zerbröckelt. Je größer die äußere Freiheit wird, desto mehr wird das jüdische Kollektiv einseitig beschwört, anstatt dass Jüdinnen und Juden freier werden. Gemeinden sind nicht mehr jener Raum, der die innere, freie Entwicklung des Individuums im Kollektiv bedingungslos ermöglicht. Zusehends begrenzen und sanktionieren Funktionäre und Rabbiner – oft im Namen der Bürokratie und im vermeintlichen Namen Gottes – Prozesse, die es immer gab und immer geben wird: ein Paradox in demokratischen Bürgergemeinschaften. Denn wenn die kollektive Befreiung die Freiheit des Individuums kostet, dann war der Auszug aus Ägypten der Marsch ins innere Exil.

Pessach. Die Gegenwart markiert jene Schwelle, wo Juden sich aus der selbst auferlegten Knechtschaft befreien müssen. Die Verfolgungsgeschichte der Juden muss von Generation zu Generation gelehrt werden – so lautet das Gebot in der Haggada. Und zugleich darf die Beschwörung der Vergangenheit nicht Befreiungsprozesse der Zukunft verhindern. Wer befreit ist, ist längst nicht frei. Und wenn jüdische Gemeinden an der urjüdischen Suche nach individueller und kollektiver Freiheit nicht zerbrechen wollen, dann müssen sie die individuelle Freiheit, den jüdischen Pluralismus, im Interesse des Kollektivs zulassen. Denn die jüdische Gemeinde war nie nur ein Schutz gegen außen, sondern ein Verpflichtung für die innere Freiheit des Individuums. Von der Vergangenheit reden, heißt für die Zukunft denken.

http://www.tachles.ch
Editorial von Yves Kugelmann

hagalil.com 16-04-2006

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