An vorderster Front:
Europas beharrliche Unterstützung der Palästinenser
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
"Europa stand immer an der vordersten Front, die
palästinensischen nationalen Bestrebungen zu verteidigen." Das schrieb der
Hohe Kommissar der EU, Javier Solana, in einem ideologischen, 692 Wörter
langen Grundsatzartikel für die arabische Zeitung Al Hayat. Seine
Dienststelle in Brüssel verteilte weltweit eine englische Übersetzung. Schon
lange vor der Road Map (Wegekarte zur Erneuerung des Friedensprozesses)
hätte Europa in Venedig 1980 eine Zwei-Staaten-Lösung angestrebt, um die
israelische Besatzung seit 1967 zu beenden. Die Europäer sahen das als
"faire Lösung, entsprechend der europäischen Interessen".
In Venedig hatten freilich hatten die Europäer auch die PLO anerkannt,
obgleich sie, wie heute die Hamas, damals noch Terror und die Zerstörung
Israels betrieb. Erst 1988 bahnte sich bei der PLO ein Wandel an, der mit
der gegenseitigen Anerkennung im Rahmen der Osloer Verträge 1993 einen
Höhepunkt erreichte.
Solana schreibt weiter, dass die EU am Aufbau der Institutionen für den
künftigen Staat mitgewirkt habe. Die Partnerschaft mit den Palästinenser sei
"eine Beziehung von Gleichberechtigten, entsprechend gemeinsamer Werte." Er
fuhr fort: "Unsere Solidarität mit dem palästinensischen Volk hat nie
gewankt. In den finsteren Momenten des Konflikts der letzten Jahre war
Europa die treibende Kraft, das Funktionieren der palästinensischen
Wirtschaft zu verbessern und die verschlechterte humanitäre Lage der
Bevölkerung zu lockern." Auch künftig werde die EU der palästinensischen
Gesellschaft mit einem "Geist der Freundschaft und einer offenen Hand"
begegnen.
Auch in der neuen Situation nach den palästinensischen Wahlen bleibe die EU
ihren Prinzipien treu. "Wir respektieren die Wahl der Palästinenser und
beabsichtigen nicht, sie zu bestrafen und ihre gewählte Regierung zu
erpressen", schreibt Solana und fügt diplomatisch hinzu: "Aber wenn die
machthabende Partei nicht mehr die Tagesordnung des Friedens als Grundlage
unserer Partnerschaft teilt oder die Vision einer pluralistischen
palästinensischen Gesellschaft mit Gesetzesordnung und Respekt für die
Menschenrechte, sind wir verpflichtet, die Bedingungen zu reflektieren,
unter denen die EU und die Regierungen europäische Steuergelder als Hilfe
für die Palästinenser und ihre Institutionen ausgibt." Solana erinnert
daran, dass die demokratischen Wahlen dank der Osloer Verträge zustande
gekommen seien. Er kritisiert so indirekt die Hamas, die sich an diese
Verträge nicht mehr gebunden fühlt.
"Unsere Gesetze fordern, dass wir um jeden Preis eine Finanzierung von
Terror-Aktivitäten vermeiden." Solana kann sich nicht vorstellen, dass eine
stabile Gesellschaft auf "einer Gewaltkultur" aufgebaut werden könnte.
"Terror kann niemals gerechtfertigt werden." Solana erwähnt ein Recht auf
Widerstand gegen Besatzung, das anerkannte Recht aller okkupierten Völker".
Doch das rechtfertige keine "Gräueltaten", "gleichgültig welche Aktionen
oder Maßnahmen die Besatzungsmacht anwendet". Solana schreibt nicht, gemäß
welcher Konvention dieses "Recht auf Widerstand" verankert sei, und welche
Formen des Widerstandes legitim seien, zumal Israel und die PLO im Rahmen
der Osloer Verträge einen Gewaltverzicht und ein Ende des Widerstandes
unterzeichnet haben.
Solana fordert von "beiden Konfliktparteien" einen Abbruch des "Zyklus von
Strafe und Rache". Damit wendet er sich auch an Israels neue Regierung, die
es noch gar nicht gibt. "Das Null-Summen-Spiel bedeutet nur noch mehr
Blutvergießen, mehr Leid und Unsicherheit für beide Seiten." Europa stehe
für die Erneuerung eines Verhandlungsprozesses. "Europa wird keinen
unilateralen Beschluss jeglicher Seite legitimieren, der das Endziel (zwei
Staaten, die in Frieden und Sicherheit nebeneinander bestehen) außerhalb der
Reichweite versetzt."
Solana schließt mit dem Spruch: "Und natürlich werden wir niemals das
palästinensische Volk fallen lassen." |