Weltweiter Dschihad:
Wer steckt hinter dem Anschlag in Dahab?
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 25. April 2006
"Die Handschrift von El Qaeda ist klar zu erkennen",
sagte Rolf Tophoven, Leiter des Essener Instituts für Terrorismusforschung
und Sicherheitspolitik, eine Stunde nach dem Anschlag im Taucherparadies
Dahab an der Rote-Meer-Küste der Sinaihalbinsel. Drei zeitgleiche Bomben an
belebten Touristenorten zeugen von einem "hohen Maß an Professionalität",
worüber erfahrungsgemäß Terroristen der El Qaeda verfügen. Osama bin Ladens
Aufruf nur einen Tag vor dem Anschlag im ägyptischen Badeort könnte ein
weiteres Indiz sein. Bekanntlich nutzen Mitglieder von El Kaeda
elektronische Medien, darunter auch Al Dschesira-TV, um ihren Kämpfern
geheime Befehle zu erteilen.
El Qaeda ist längst keine homogene Gruppe mehr mit Hauptquartier,
Telefonnummer und Sprecher. Israelische Experten schlagen vor, vom
"weltweiten Dschihad" (Heiliger Krieg) zu sprechen. Neben dem harten Kern
gehören ihm auch lokale Gruppen mit El Qaeda Ideologie aber ohne Verbindung
zu Osama bi Laden an. Vermutlich steckte dieser weltweite Dschihad/El Qaeda
hinter den schweren Anschlägen in Taba im Dezember 2005 und in
Scharm-A-Scheich im vergangenen Sommer. Israel behauptete, dass Kämpfer der
El Qaeda vor etwa einem Jahr vom Libanon aus Raketen auf Israel abgeschossen
hätten, während normalerweise die Hisbollah oder palästinensische
Organisationen das tun. In jüngster Zeit behauptet Israel auch, dass
El-Qaeda-Mitglieder im Gazastreifen aufgetaucht seien. Das dürfte keine
Propaganda sein, denn bei so vielen Brigaden, Märtyrern und sonstigen
Heiligen Kriegern macht es eigentlich keinen Unterschied, ob sich den
Freiheitskämpfern mit den malerischen Namen nun auch noch El Qaeda
dazugesellt. Es ist bekannt, dass die Waffen für den Gazastreifen
ausnahmslos durch die ägyptische Sinaihalbinsel geschmuggelt werden. Die
fruchtbare Zusammenarbeit der Internationale des Terrors, darunter der Hamas
und der Hisbollah, den Erfindern der nahöstlichen Selbstmordattentate, hat
schon furchtbare Ergebnisse erzeugt.
Nach den Anschlägen in Taba und Scharm A Scheich hieß es, dass da auch
Palästinenser beteiligt waren. Aber die Ägypter haben trotz
Massenverhaftungen unter den Beduinen und Befragungen, die eher Folter
waren, nie veröffentlicht, wer hinter jenen Attacken stand. Vielleicht haben
sie es auch nie herausgefunden. Selbst jetzt, fast einen Tag nach drei
Explosionen in Dahab, schwankt in den ägyptischen Medien die Zahl der Toten
immer noch zwischen 23 und 30. Ebenso ist weiterhin unklar, ob es sich um
"Bomben in Plastiktüten" handelte oder um Selbstmordattentäter. In Israel
hingegen weiß die Polizei nach wenigen Minuten, noch ehe die Toten gezählt
sind, dass es ein Selbstmordattentäter war. Es gibt dafür ein untrügliches
Zeichen, das auch den Ägyptern bekannt sein dürfte, aber aus ethischen
Gründen hier nicht veröffentlicht werden kann.
Wer immer hinter den Anschlägen in Dahab stand, muss sich ortskundiger
Beduinen bedient haben. Unter ihnen gibt es "extremistische" Gruppen, die
arbeitslos und frustriert sind über Vernachlässigung durch die Regierung in
Kairo. Die freien Söhne der Wüste kennen kaum politische Loyalität, wissen
aber um den Wert des Geldes. El Qaeda könnte sie leicht "gekauft" haben.
Der verwendete Sprengstoff dürfte kaum aus alten Minen stammen, den Beduinen
sammeln. Gemäß einer Theorie stammt er aus Beständen der ägyptischen Armee,
oder er wurde von Saudi Arabien nach Sinai geschmuggelt. Die Täter selber
könnten über Jordanien eingereist sein, wo vor einigen Monaten Terroristen
von El Qaeda oder des aus Jordanien stammenden Top-Terroristen Sarkawi in
drei Hotels ein Blutbad mit dutzenden Toten angerichtet haben. "Die haben
nicht einmal unsere Taschen durchsucht", kommentierte eine israelische
Touristin die Behauptung der Ägypter über "besonders scharfe Kontrollen" an
den Grenzen zum Sinai. Jordanien ist einerseits Opfer von Anschlägen und
andererseits auch eine Drehscheibe für Terroristen. In der vergangenen Woche
hat Jordanien den palästinensischen Außenminister Mahmoud A-Zahar in letzter
Minute ausgeladen, weil ein Versteck der Hamas mit Waffen und Sprengstoff
gefunden worden sei. Am Morgen nach dem Anschlag in Dahab gab Jordanien
zudem die Verhaftung von Hamas-Terroristen bekannt, die im Auftrag der
Hamas-Zentrale in Damaskus Attentate auf jordanische Persönlichkeiten oder
auf "strategische Orte" verüben sollten.
Ronen Bergmann hält in der israelischen Zeitung Jedijot Achronot die
"Libysche Bande" für die wahrscheinlichsten Täter. Die Libyer, ehemalige
Soldaten oder Kämpfer mit Ausbildung in Afghanistan, hätten in Zentralafrika
und Mauretanien ihr Unwesen getrieben, seien aber auch in die vorigen
Anschläge auf Sinai verwickelt gewesen. Der britische, französische und
israelische Geheimdienst sind angeblich dieser Bande auf den Fersen, weil
sie als "eine der gefährlichsten" gilt. Als weitere mögliche Täter gelten
die ägyptischen Moslembrüder, die vom Mubarak-Regime verfolgt werden, oder
ihre Gesinnungsgenossen im Gazastreifen, Kämpfer der Hamas. Dank der
relativen Beruhigung des Konflikts mit Israel seien sie in letzter Zeit
"arbeitslos" geworden. |