
Zündel-Prozess:
Teheran, bitte kommen!
Der Prozess gegen den
Holocaustleugner Ernst Zündel ist zum zweiten Mal unterbrochen. Die
Verteidigung hofft auf die Unterstützung des Iran.
Von Rolf Thiele
Jungle World 11 v.
15.03.2006
Das Deutsche Reich besteht weiter, die BRD ist lediglich
die "Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft". Das jedenfalls
meinen Verteidiger des Holocaustleugners und Hitler-Verehrers Ernst Zündel,
der sich wegen Volksverhetzung, Verleumdung und Verunglimpfung des Andenkens
Verstorbener vor dem Landgericht Mannheim verantworten muss. Ihm drohen fünf
Jahre Haft.
Auch die zweite Runde des Prozesses am Donnerstag voriger Woche endete mit
einem Eklat. Nachdem das Gericht der Pflichtverteidigerin Sylvia Stolz im
November ihr Mandat entzogen hatte, unterbrach es die Verhandlung am
Donnerstag voriger Woche erneut, um nunmehr ihren Ausschluss als
Wahlverteidigerin Zündels zu beantragen. Die Argumente, die der Vorsitzende
Richter Ulrich Meinerzhagen für den Ausschluss vortrug, waren zahlreich. Sie
reichten vom Vorwurf volksverhetzender Äußerungen bis zum dringenden
Tatverdacht der versuchten Strafvereitelung. "Rechtsanwältin Stolz droht,
das Verfahren zu einer Farce zu machen", hieß es in der Begründung.
Der selbst ernannte "Revisionist" Zündel, der vor gut einem Jahr von Kanada
an Deutschland ausgeliefert wurde, pflegt seit den siebziger Jahren engen
Kontakt zu Alt- und Neonazis und hat sich zu einem der aktivsten und
aggressivsten Holocaustleugner gemausert. Auf seiner Internetseite
"Zundelsite", in seinen "Germania-Rundbriefen" und in Büchern wie "Sein
Kampf für Deutschland" bestreitet er die Existenz von Vernichtungsanlagen in
Auschwitz und behauptet, dass die Juden in den Konzentrationslagern
mehrheitlich an Krankheiten gestorben seien. Hitler habe "niemals befohlen
oder geduldet, dass jemand aufgrund seiner Rasse oder Religion getötet"
werde. Der Holocaust sei "förmlich aus dem Nichts durch teuflisch
raffinierte Propaganda geschaffen worden". Zu wessen Nutzen dies alles
geschehen sei, ist für ihn klar: zum Nutzen des "teuflischen
Weltgangstertums", das im "Wahngebilde" Israel seinen Zufluchtsort gefunden
habe.
Argumentationen solcher Art klingen vertraut, spätestens seit der iranische
Präsident Mahmoud Ahmadinejad sich regelmäßig als "Revisionist" versucht und
seinen Staat als internationales Zentrum der Holocaustleugnung etablieren zu
wollen scheint. Für dieses Frühjahr ist in Teheran eine internationale
Konferenz anberaumt mit dem Titel: "Der
Holocaust: Mythos oder Realität?" Kürzlich erst kritisierte der iranische
Außenminister Manouchehr Mottaki die in Wien verhängte Haftstrafe für den
britischen Holocaustleugner David Irving.
So verwundert es nicht, dass Zündel bereits Interviewpartner von Radio
Teheran war, das in einer Beitragsreihe nahezu das gesamte Who-Is-Who der
westlichen "Revisionisten" zu Wort kommen ließ und beharrlich die von
Deutschland aus betriebene Vernichtung der europäischen Juden als Ganzes
oder zumindest in ihrem Ausmaß in Zweifel zog.
Und so kam es auch nicht überraschend, dass Zündels Wahlverteidiger Jürgen
Rieger, der selbst unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestraft ist, die
Mitwirkung der iranischen Botschaft forderte. Sie solle als internationale
Beobachterin den Prozess überwachen, da die deutsche
"Holocaust-Gesetzgebung" den Menschenrechten widerspreche. Ohnehin seien die
Gesetze, die in einigen westlichen Staaten das Leugnen des Holocaust unter
Strafe stellen, nach dem Zweiten Weltkrieg "auf Druck des World Jewish
Congress" entstanden.
Die Hauptakteurin unter den insgesamt sechs Verteidigern ist jedoch Sylvia
Stolz. Sie monierte an vorangegangenen Verhandlungstagen, dass das Gericht
ein "Organ der Fremdherrschaft" sei, das "gegen das Recht des deutschen
Reiches" verstoße. Mehrfach verglich sie die Verhandlung mit den Nürnberger
Prozessen. In ihrer Verteidigungsschrift, die, nach Inhalt und Stil zu
urteilen, von Horst Mahler als Ghostwriter verfasst sein könnte, behauptet
Stolz, dass "die maßgeblichen Kreise der US-Ostküste zum Völkermord am
deutschen Volk entschlossen sind". Sie erklärt "die Judenheit" zum
"feindlichen Staat im Staate", dessen Ziel es sei, "die nicht-jüdischen
Völker zu versklaven und widerspenstige Völker zu töten", und leugnet selbst
den Holocaust.
Die Art und Weise, in welcher sie im Gerichtssaal ihre politische Propaganda
betreibt, hat den Vorsitzenden Richter wiederholt zur Weißglut getrieben.
Sie fällt ihm ins Wort, redet unbeeindruckt weiter, wenn er ihr das
Rederecht entzieht oder gar das Mikrofon abschaltet, und gebärdet sich, als
sei sie selbst die Leiterin der Verhandlung. Der Grund für den Entzug ihres
Mandats als Pflichtverteidigerin im November war neben anderen der Verdacht
der Volksverhetzung, der sich auf Passagen in ihrer Verteidigungsschrift
stützt. Zündel ernannte sie daraufhin zu seiner Wahlverteidigerin. Die
Verhandlung musste dennoch vertagt werden, bis ein neuer Pflichtverteidiger
gefunden war und sich in den Fall eingearbeitet hatte.
In rechtsextremen Kreisen gilt das Verfahren bereits jetzt als Erfolg.
Ahmadinejads Äußerungen und der Prozess gegen David Irving brachten der
Verhandlung ein zusätzliches öffentliches Interesse ein. Das dünne
Nervenkostüm des Richters wird als Beweis für die Stärke der Verteidigung
gewertet. Das Publikum im Gerichtssaal, das nahezu ausschließlich aus
Unterstützern des Angeklagten und bekannten Neonazis wie Horst Mahler,
Thomas Wulff und Günter Deckert besteht, begrüßt Zündel regelmäßig mit
minutenlangem Applaus.
Ein Ende der Hauptverhandlung ist bis dato nicht abzusehen. Selbst wenn das
Oberlandesgericht entscheidet, dass Sylvia Stolz vom Verfahren
auszuschließen sei, wird der Prozess sicherlich nicht störungsfrei
fortgeführt werden können. Dafür dürften die anderen Wahlverteidiger sorgen,
die das Gericht schon an früheren Verhandlungstagen mit
Befangenheitsanträgen gegen den Richter bombardierten.
hagalil.com 17-03-2006 |