[Die Wahlen
zur 17. Kneseth am 28. März 2006 - 28. Adar 5766]
Chaim Ramon und Kadimah:
Der Knall, den es nicht gab
Ein Leitartikel in Israels größter Tageszeitung, Jedioth achronoth
Der unstabile Charakter der Kadima, einer Partei voller Opportunisten,
wie auch das Rätsel, das die Haltung der Rentner umgibt und die
Launenhaftigkeit der Rabbiner, die die Angelegenheiten der Orthodoxen
bestimmen, geben entschlossenen und weitreichenden politischen Maßnahmen
keine großen Erfolgsaussichten.
Chaim Ramon, der gedankliche Vater des "Großen Knalls", hatte sich ein
Bündnis zwischen drei alten Männern vorgestellt: Ariel Sharon, Josef Lapid
und Shimon Peres. Der erste wurde krank, der zweite wurde aus der
politischen Arena geworfen und der dritte wurde aus seiner Parteiführung
geschmissen und brachte Kadima nur einen kleinen Teil der versprochenen
Mitgift mit.
Aber statt der der glorreichen Alten tauchten plötzlich sieben anonyme
auf, angeführt von einem Spion a.D., einem charmanten und schlauen Schelm,
von dem niemand genau weiß, welche politische Meinung er und seine
Fraktionskollegen eigentlich vertreten. Verantwortlich für diese politische
Überraschung sind junge Israelis, die die Nase von der Politik voll haben.
Verantwortlich ist auch Benjamin Netanjahu mit seiner Wirtschaftspolitik.
Die Grausamkeit des politischen Lebens hat nun die gesamte Verantwortung für
diese Politik auf ihn abgewälzt. Dabei hatte der Mann, der jetzt im
Hadassa-Krankenhaus im Sterben liegt, ihm freie Hand bei der Leitung der
israelischen Wirtschaft gegeben und seine Erfolge gelobt. Das Verlöschen des
Glanzes Netanjahus, der einmal der Liebling der Massen war, war ein
vernichtender Schlag für diese Partei, die schon immer charismatischen
Führern folgte und ihnen Huldigungen als "Könige" und "Zauberer" brachte.
Unter Netanyahus Obhut ist ein neuer "Zauberer" entstanden: Avigdor
Liebermann, ein "starker Mann", dem es gelungen ist, die rassistischen
Instinkte zu wecken, die in der breiten Öffentlichkeit schlummern. Seine
vereinfachte, plumpe Lehre, die Lehre der starken Hand, eroberte die Herzen
der Leute, die nach der in ihrem Herkunftsland üblichen Denkweise erzogen
wurden, in einer Großmacht, die nicht wusste, was Demokratie ist.
Der Glanz Sharons reichte gerade eben für seinen Erben aus, obwohl sein
Verhalten in den letzten drei Monaten tadellos war. Die Stärke seiner
Partei, deren Existenz sich auf den Konvergenzplan stützt, beträgt nicht
einmal ein Viertel der Wähler. Gemeinsam mit der Avoda und Meretz, die das
Programm fast vorbehaltlos unterstützten, hat sie nur 53 Mandate, und
deshalb war es übereilt, als die Medien von einem "Knall" berichteten. Man
kann annehmen, dass Olmert nach schweren Verhandlungen die Orthodoxen und
die Rentner für sich gewinnen kann, aber der unstabile Charakter seiner
Partei, eine Partei voller Opportunisten, zusammengesetzt aus vielen
verschiedenen Flicken, wie auch das Rätsel, das die Haltung der Rentner
umgibt und die Launenhaftigkeit der Rabbiner, die die Angelegenheiten der
Orthodoxen bestimmen, geben einer entschlossenen und weitreichenden
politischen Maßnahme keine großen Erfolgsaussichten.
Man darf nicht vergessen, dass die israelische Politik bisher in
Treibhauszuständen geführt wurde: Die Palästinenser mäßigten ihre Angriffe,
die Schussanschläge auf den Straßen der Westbank halten sich in Maßen und es
explodieren auch keine Busse auf unseren Straßen, aber wenn die
Verhandlungen mit ihnen noch weiter auf sich warten lassen und der interne
Druck bei ihnen zunimmt, wird diese zerbrechliche Ruhe zu Ende sein und die
israelische Öffentlichkeit wird ihre Meinung zur Konvergenz vielleicht
wieder ändern.
Olmert gab bekannt, seine erste Maßnahme werde es sein, den Etat zu
verabschieden, aber das kann er nicht tun, solange er keine Koalition hat.
Der Gründer der Koalition ist dazu verurteilt, zwischen Hammer und Amboss
gezwängt zu werden: Je stärker der Druck auf ihn wird, eine Regierung zu
gründen, desto höher werden die Forderungen der potenziellen Partner. Die
meisten von ihnen zählen zu den "sozialen Parteien", und deshalb könnte die
Regierung zu großen Ausgaben gezwungen werden. Im Eifer, das Unrecht wieder
gut zu machen, das durch die Politik Netanjahus entstanden ist, könnte dann
auch deren Erfolge zunichte machen.
Das
ist alles sehr kompliziert und schwierig und fordert Zeit, aber Zeit ist für
den designierten Premier eine absolute Mangelware. |