Landtagswahl in
Sachsen-Anhalt:
Wie wird's am
Sonntag?
Von Ulrike Letzien
Am
Sonntag den 26. März sind in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen. Dabei wird auch
die rechtsextreme DVU auf der Liste stehen. Sie war 1998 überraschend mit
12,9 Prozent der Stimmen in den Landtag eingezogen. Die Strukturschwäche und
die hohe Arbeitslosenquote in Sachsen-Anhalt wurden damals dafür
verantwortlich gemacht. Während der Legislaturperiode zerbrach die Fraktion
an ihren chaotischen Zuständen. Zur Landtagswahl 2002 trat sie nicht an.
Aber
an diesem Sonntag kann der sachsen-anhaltinische Wähler wieder bei der DVU
sein Kreuzchen machen, wenn er glaubt, damit die weiterhin nicht gerade
rosige Situation in seinem Land verändern zu können. Wird er es tun? Ein
Gespräch mit Bernd Lüdkemeier, dem Leiter der
Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen-Anhalt.
Frage:
Herr Lüdkemeier, wird
die DVU am Sonntag wieder in den Landtag von Sachsen-Anhalt einziehen?
Lüdkemeier:
Das ist eine schwierige Frage und wirklich voraussagen kann das niemand. Ich
hoffe, wie viele andere hier im Land, dass die DVU nicht einziehen wird. Ich
hoffe, dass das Kurzzeitgedächtnis der Wähler bis 1998 zurückreicht und dass
sie sich daran erinnern, was die DVU damals für einen Schaden angerichtet
hat. Schon allein für das Image unseres Landes. Allerdings hat die DVU auch
250.000 Jung- und Erstwähler angeschrieben, die sich vielleicht nicht mehr
an die Wahl 1998 erinnern. Hier, denke ich, werden aber Familie und Schule
einen guten Einfluss ausüben.
In
den Umfragen zeigt sich jedenfalls, dass die DVU wahrscheinlich nicht einmal
die 5%-Hürde überspringen wird. Und dabei ist schon berücksichtigt, dass
rechtsextreme Wähler in solchen Umfragen meistens keine Angaben machen.
Frage:
Wie groß ist denn das Potenzial für rechtsextreme Parteien in
Sachsen-Anhalt? Wie weit ist deren Denken in der Bevölkerung verbreitet?
Lüdkemeier:
Rechtsextremes Gedankengut gibt es natürlich in allen Bundesländern. Vor
allem unter jungen Menschen, die keine Perspektive für ihr Leben sehen. Die
NPD hat zum Beispiel mehr als 10 "Kameradschaften" in Sachsen-Anhalt. Aber
in den meisten Gegenden ist es nur ein harter Kern von 10 bis 20 Leuten, der
zu so einer Partei gehört.
Allerdings gibt es ein Potenzial von etwa 10% der Wähler, das rechtsextreme
Gedanken mittragen würde. Die Frage ist, ob es den Parteien gelingt, dieses
Potenzial auszuschöpfen. Ich glaube das nicht. Diese Leute sind meistens
unpolitisch und gehen gar nicht wählen.
Frage:
Ist die DVU, die 2006 zur Landtagswahl antritt,
eine andere als die von 1998?
Lüdkemeier:
Auf jeden Fall. Zunächst einmal gibt es ja die Listenverbindung mit der NPD.
Und die NPD-Kandidaten, die da auf den DVU-Listen stehen, sind alle
ideologisch geschult von ihren „Kameraden“ in Sachsen und in anderen
Bundesländern. Aber auch die DVU ist nicht mehr so eine Chaotentruppe wie
1998. Das sind jetzt hauptsächlich Intellektuelle. Sie treten zwar kaum in
der Öffentlichkeit auf, aber man sieht das an den Pressemitteilungen. Es ist
keine gesellschaftliche Elite, aber das intellektuelle Niveau ist doch sehr
viel höher.
Frage:
Auf den Wahlplakaten hat sich aber nichts
verändert. Da steht immer noch "Schauze voll?!",
"Deutsches Geld für deutsche Arbeit".
Lüdkemeier:
Diese Parolen werden in der Parteizentrale in München gemacht und nicht vom
Landesverband hier in Sachsen-Anhalt.
Ich
bezweifle, dass diese einfachen Sprüche die Leute noch ansprechen. Aus
Gesprächen weiß ich: Die Leute haben das über. Sie sehen, dass sich mit
Parolen keine Probleme lösen lassen. Und sie denken auch: Ausländer raus?
Was soll das? Wir haben hier doch gar nicht so viele, 1%, 2% vielleicht.
Auch Hartz IV ist kein so großes Problem mehr.
Dagegen hat die Linkspartei bei der Bundestagswahl Wahlkampf gemacht und
dann hat man gesehen, dass sich nichts verändert hat.
Frage:
Nach der Bundestagswahl wurde in den Medien oft gesagt, es hätte sich in
Deutschland eine optimistischere Stimmung ausgebreitet. Hat diese Stimmung
vielleicht auch Sachsen-Anhalt erfasst?
Lüdkemeier:
Die Wähler in Sachsen-Anhalt wollen einfach keine großen Veränderungen. Und
sie haben auch wieder mehr Vertrauen in die Politik. Sie sehen, es bewegt
sich ein bisschen was, es wird ein bisschen besser. Und sie wissen, dass es
für solche Prozesse Kontinuität braucht. Außerdem ist den Menschen, denke
ich, klar, wie schlecht es für das Ansehen und damit für die Entwicklung
unseres Landes wäre, wenn die DVU wieder in den Landtag kommt.
Herr Lüdkemeier, vielen Dank für das Interview!
hagalil.com 24-03-2006 |