
HIAG:
Kein Platz für alte Kameraden
Handwerkskammer lädt
SS-Veteranenorganisation HIAG kurzfristig wieder aus. Früher hatte
man am Holstenwall nichts gegen die braunen Mieter
Von Andreas Speit
Eine fristgerechte Einladung hatte der Vorstand
nicht verschickt. Diesen formalen Akt zur gestrigen
Jahreshauptversammlung hielten die rüstigen Herren der
"Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen
Waffen-SS" (HIAG) nicht für nötig. Hatte diese doch vor kurzem auch
die Rechtsform als eingetragener Verein abgelegt. Der Grund: Die
Proteste gegen ihr 55-jähriges Jubiläum im vergangenen Jahr führten
zu einer Finanzüberprüfung.
Trotz der Niederlage in Sachen Vereinsstatus zieht sich die HIAG
nicht in ein abgelegenes Hinterzimmer zurück: Im "Remter", der
Gaststätte der Hamburger Handwerkskammer am Holstenwall, wollte die
kämpferische Truppe sich gestern treffen - und das nicht zum ersten
Mal. Als aber gegen 14.15 Uhr die ersten Gäste ankamen, mussten sie
gleich wieder
kehrtmachen: Gut 70 Gegendemonstranten versperrten ihnen den Weg.
"Bei den Nürnberger Prozessen 1946 wurde die Waffen-SS zur
verbrecherischen Organisation erklärt", sagte Felix Krebs vom
beteiligten Aktionsbündnis. Trotzdem könnten sich "diese
unverbesserlichen Nazis" treffen.
Einige der rund 70 erwarteten HIAG-Damen und -Herren hatten bereits
im "Zunftsaal" Bier und Kaffee geordert, auch Käse- und Butterkuchen
waren schon bereitgestellt. Zum Austrinken und Aufessen kamen sie
nicht: "Bitte verlassen Sie sofort unsere Räumlichkeiten", forderte
der Pressesprecher der Hausherren, Peter Haas - nachdem taz und NDR
bei den Kammer-Verantwortlichen nachgefragt hatten. "Dass die HIAG
sich in unserem Haus trifft, wussten wir nicht", räumte Rainer Gliem
ein, mitverantwortlich für die Raumvermietung. Eine Privatperson, so
Haas, habe den Raum angemietet. Nach Rücksprache mit dem
Kammerpräsidenten erging Hausverbot für die alten Kameraden. "Solche
Veranstaltungen dulden wir hier nicht", erklärte Haas den
Demonstranten - und äußerte seine Verwunderung, nicht frühzeitig von
den Behörden informiert wurden zu sein.
Verwunderlich ist aber auch, dass der Kammer die rechten Stammgäste
bisher nicht aufgefallen sein sollen. Kamen sie doch bis gestern
regelmäßig im "Remter" zusammen. Dem Vereinsregister zufolge kehrte
die HIAG erstmals am 4. Februar 1975 in dem gutbürgerlichen
Restaurant ein. Seit längerem fanden ihre Monatstreffen unter dem
Dach der Handwerkskammer statt, trafen sich hier bis zu 80
SS-Freunde.
Im "Remter" tauschten sich Anfang dieses Jahres auch rund 50
HIAG-Mitglieder darüber aus, dass die CDU-Bundeskanzlerin Angela
Merkel vor ihrer Nominierung einer exklusiven Versammlung von
hochkarätigen Vertretern aus Hochfinanz, Industrie und Medien ihre
Aufwartung habe machen müssen. Alles unter "absoluter
Geheimhaltung". "Wir wissen, von wem wir regiert werden", sagte ein
Kamerad - "nicht von Frau Merkel." Ein zweiter: "Rothschild und wie
die alle heißen." Ein dritter ergänzte, auch Helmut Kohl trage "den
Blutorden der Juden".
Ins Lamentieren gerieten die Kameraden über die Meldung, dass
britische Behörden jetzt verstärkt nach früheren Waffen-SSlern
suchen. "Nach 60 Jahren fangen die wieder an", schimpfte einer.
Eines allerdings, so war zu vernehmen, gefiel den Anwesenden am
"Ausland": Dort könnten sie immerhin in schwarzer SS-Uniform mit
weißem Koppel und weißen Handschuhen unter der Hakenkreuzfahne
zusammenkommen.
Gestern wollten die Kämpfer - den erweiterten SS-Treuschwur "Ehre,
Treue, Kameradschaft ist weiter unser Ziel" auf den Lippen - den
Rauswurf zunächst nicht wahrhaben. "Unglaublich", klagte ein Herr im
Saal. Seine Begleiterin schimpfte: "Soweit ist es mit dem Vaterland
gekommen." Und vor der Tür wollte somanch rüstiger Herr mit seinem
Gehstock auf die Demonstranten losgehen. Die eilig herbeigerufene
Polizei musste aber nicht einschreiten.
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17-03-2006 |