Wolfgang
Freisleben:
Schauermärchen aus einem "marxistischen" Israel
Rezension von Karl Pfeifer
Wolfgang Freisleben hat das Tor zur parteilichen
Einseitigkeit geöffnet. Wer sein Buch liest und schon immer gewusst
hat, dass Israel aus reiner Bosheit Gewalt gegen Palästinenser
anwendet, wird seine Meinung bestätigt finden und muss glauben, dass
die Nachbarn Israels mustergültig die Menschenrechte achten.
Hingegen gibt es kein Verbrechen, an dem sich –
laut diesem ehemaligen Mitarbeiter der Presse – Israel nicht
schuldig macht, es begehe rassistischen Völkermord und richte ein
Apartheidsystem ein. Doch damit nicht genug:
"Jack Bernstein, ein amerikanischer Jude, der 1967
nach Israel ging und eine sephardische Jüdin heiratete, berichtet in
seinem Buch ausführlich Details über diese jüdische
Zwei-Klassen-Gesellschaft mit scharfer Trennung, deretwegen er
wieder in die USA zurückkehrte. U.a. schilderte er, wie er in Tel
Aviv in ein voll besetztes Café ging und sich an einen Tisch mit
fünf sephardischen Juden aus Marokko setzte, um zu essen und sich zu
unterhalten. Ein blauäugiger israelischer Polizeioffizier befahl
ihm, von den "Kooshim" wegzugehen, was auf hebräisch soviel wie
"Neger" heißt. Als sich Bernstein weigerte, wurde er von den
Polizisten mit gezückter Waffe gezwungen, sein Essen auf den Boden
zu werfen und das Lokal zu verlassen.
Außerdem sei ihm eine bescheidene Wohnung und eine
anständige Beschäftigung in Israel verweigert worden, weil er eine
sephardische Jüdin geheiratet habe, klagte Bernstein." Freisleben
gibt auch seine Quelle an: "Das Leben eines amerikanischen Juden
im rassistischen, marxistischen Israel", Lühe Verlag 1985.
Immerhin hätte Freisleben noch andere Bücher dieses
Verlags zitieren können, z.B. "Adolf Hitler – Begründer Israels",
der Hitlers Hass gegen die Juden "durch den 4 Jahre währenden Umgang
des Jünglings mit entwurzelten Ostjuden in einem Wiener Männerheim"
erklärt.
Aber auch "Wer will den 3. Weltkrieg?" von
Harm
Menkens, ist nicht ohne "Dieses Buch enthält Wahrheitsbeweise über
im Hintergrund wirkende sogen. überstaatliche Mächte (Christentum,
Freimaurerei und einzelne eingeweihte Juden) und erläutert, durch
wen und wodurch der Erste und Zweite Weltkrieg verursacht wurden."
Noch aktueller: "Die kopernikanische Wende in der
Politik", "Diese Broschüre zeigt die Ursachen des Völkerhasses auf
und die Moral, die hinter der Führungsmacht der "Neuen Weltordnung"
steht. Das Heft zeigt, wie Kriegsverbrecher und Kriege – z.B.
Zweiter Weltkrieg und Golfkrieg – von "jenen" gemacht werden."
"Multikultur – Aufgang oder Untergang?", "Gibt es
einen geheimen Beschluß, die Identität des deutschen Volkes durch
Rassenmischung – "multikulturelle Gesellschaft genannt" – zu
vernichten? Wer könnte an solchem Völkermord ein Interesse haben?"
Oder:
"Paradoxie der Geschichte – Ursprung des Holocaust",
der behauptet "wie die hinter dem Sowjetkommunismus verborgenen
geheimen Machthaber mittels Partei und Geheimdienst ein
Herrschaftssystem restaurierten, dessen äußeres Aushängeschild
Stalin war, während tatsächlich im Hintergrund der Chasaren-Khan
Kaganowitsch herrschte."
Harm Menkens Chef des Lühe-Verlags "ist dem engsten
Kreis um den inzwischen verstorbenen Holocaust-Leugner Thies
Christophersen zuzurechnen. Der Altnazi Christophersen, ehemals
Mitglied der Waffen-SS, war im Rang eines SS-Sonderführers Aufseher
im Konzentrationslager Auschwitz-Raiska. Das Programm des
Lühe-Verlags ist schließlich auch auf das entsprechende Klientel
zugeschnitten." (Margret
Chatwin]
Eine Quelle aus diesem einschlägigen Verlag wirft ein
Licht auf die Lektüre von Wolfgang Freisleben, seines Zeichens
"freier Publizist und Industrie-Konsulent".
Freisleben nimmt einen Vorfall, der sich angeblich
vor mehr als 20 Jahren abgespielt haben sollte, zum Anlass, um
Sepharden als die Nachkommen der Urbevölkerung und die Aschkenasim
als Nachkommen der Khasaren darzustellen und zu behaupten: "Dennoch
gebärden sich die Aschkenasim heute in Israel gegenüber den
Sepharden in durchaus überheblicher rassistischer Manier eher als
die wahren und vermeintlich "anspruchsberechtigten" Herren des
Landes."
Würde er ähnliche Pauschalbeschuldigungen gegen
Österreich ausstoßen, in dem rassistische Vorfälle an denen
Polizisten beteiligt sind, nicht selten vorkommen? Wohl kaum.
Freislebens Pamphlet enthält wenig eigenes und sehr
viel Zitate, so auch aus der Berliner Tageszeitung "Junge Welt", dem
Zentralorgan einäugiger Antiimperialisten, das sich zum Marxismus
bekennt. Wenn es gegen den Staat Israel geht, sind dem Autor
Marxisten und Antimarxisten jeder Schattierung recht. Er schreckt
nicht davor zurück, den bekannten schwedisch-russischen Antisemiten
Israel Shamir, der seinen Namen in Schweden bereits zum zweitenmal
geändert hat und jetzt Adam Ermash heißt, zu zitieren.
Freisleben nimmt auch den englischen Philosophen Ted
Honderich in Schutz, der in seinem Buch z.B. behauptete, dass
zwischen 1989 und 1991 (!) also in zwei Jahren, 250 000 bis 400 000
sowjetische Juden auf arabischem (!) Land angesiedelt wurden.
Honderich rechtfertigte den Terror gegen Zivilisten innerhalb der
Waffenstillstandslinien von 1949. Mit ein Grund für den Autor ihn
"zu den besudelten Opfern der Antisemitismus-Beschuldigung" zu
zählen. Honderich erklärte: "Ich für meinen Teil habe keinen
ernsthaften Zweifel, um den prominenten Fall zu nehmen, dass die
Palästinenser mit ihrem Terrorismus gegen die Israelis ein
moralisches Recht ausgeübt haben." Der Autor meint "mit
Judenhass, hat das nun wirklich nichts zu tun. Immerhin hat
auch der israelische Soziologie-Professor Baruch Kimmerlich,
öffentlich das Widerstandsrecht gegen die israelischen Besatzer in
den eigenen Gebieten als moralisch gerechtfertigt qualifiziert –
unter Anwendung jedweder Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen."
Wenn Baruch
Kimmerling tatsächlich den Terror gegen Zivilisten innerhalb der
Waffenstillstandslinien von 1949, also innerhalb des Staates Israel,
wie er vor dem Sechstage-Krieg bestand, rechtfertigt, dann kann das
nur als "moral insanity" gewertet werden. Anders als Freisleben
erklärt, ist der palästinensische Terror nicht lediglich eine
emotionale Reaktion auf Unterdrückung, sondern ein zweckrational
eingesetztes Mittel, das von den palästinensischen Politikern
benützt wird, um ihre Ziele zu erreichen. Mit sicherer Hand haben
sie immer vor Wahlen in Israel Terror eingesetzt, um die Wähler zu
motivieren, die Rechten zu wählen. Außerdem hofften sie natürlich,
die israelische Gesellschaft zu destabilisieren. Doch das ist ihnen
nicht gelungen.
Zu seinen Behauptungen zu den "Semiten" hat
der Autor eine für ihn noch heute zuverlässige Quelle gefunden,
nämlich den "Volks-Brockhaus, Leipzig 1943", den er nicht
hinterfragt.
Ein Beispiel für angeblichen Mangel an akademischer
Freiheit ist für Freisleben Theodor "Teddy" Katz. Dieser wurde laut
Autor "im Jahr 2000 wegen seiner Magisterarbeit, in der er ein
bislang unbekanntes Massaker eines zionistischen Militärverbandes
[sic!] im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 nachgewiesen
hat, bei dem 200 arabische Zivilisten in dem Dorf Tantura ermordet
wurden, zwangsweise exmatrikuliert. Die Universitätsstellen
bestritten zwar das Massaker nicht, nannten aber die Studie
gefährlich für den Staat."
Diese Unwahrheiten gründen auf einen Artikel der
Berliner "Jungen Welt". Katz wurde nicht exmatrikuliert, die
Universität hat zu keiner Zeit die Studie als "gefährlich für den
Staat" qualifiziert. Katz wurde von Veteranen, der von ihm
beschuldigten Brigade Alexandroni geklagt und gab im Gericht eine
Ehrenerklärung für diese ab. Seine Magisterarbeit wurde durch eine
Kommission an der auch ein arabischer Professor der Universität
Haifa teilnahm, geprüft und wegen schwerwiegender Mängel
disqualifiziert. Katz erhielt jedoch die Möglichkeit eine neue
Magisterarbeit zu schreiben, die wieder wegen schwerer Mängel
abgelehnt wurde. Wer sich über diese Angelegenheit wirklich
informieren will, kann das ganze Material im Internet finden:
http://www.ee.bgu.ac.il/~censor/katz-directory/
Freisleben, der Sachverhalte vortäuscht, die es gar
nicht gibt, preist auch den Rabbinerdarsteller Moishe Arye Friedman
an. Denn dieser "schüttelte bei dem vor dem Haupteingang des
Percy-Militärhospitals [wo Yasser Arafat bis zu seinem Tod
behandelt wurde K.P.] provisorisch
aufgebauten Altar die Hand eines Anführers moslemischer Andächtiger.
"Wir sind hier, um unsere Solidarität mit unseren moslemischen
Brüdern und Schwestern zum Ausdruck zu bringen", verkündete er, der
zu einem breitkrempigen, schwarzen Hut ein schwarz-weißes
Palästinensertuch ("Keffiyah") trug. Und: "Wir fühlen uns sehr
beschämt über die Barbarei, welche gegen das palästinensische Volk
begangen wird."
Moishe Arye Friedman erhält in Andreas Mölzers "Zur
Zeit" eine Bühne. Kein Zufall, dass Freisleben auch diesen
Sektenangehörigen preist, der mit folgenden Auswurf eine illustre
Runde von "Judenfreunden", wie den wegen Antisemitismus aus der CDU
ausgeschlossenen Martin Hohmann, den ex FPÖ Bundesrat John Gudenus,
der an den Gaskammern zweifelt und den sattsam bekannten Volksanwalt
Ewald Stadler beglückte: "Ebenso haben die Zionisten Hitler und
das deutsche Volk durch Boykottaufrufe und andere politische
Aktionen zu provozieren versucht, sie haben die Nürnberger Gesetze
begrüßt und alles getan, den Antisemitismus weiter anzuheizen. Die
Zionisten tragen daher eine wesentliche Schuld am Holocaust."
Freisleben berichtet über die Aktivitäten von Machsom
Watch, einer Gruppe von 400 israelischen Damen, in der Regel
Akademikerinnen, die zur israelischen Elite gehören und die sich zum
Ziel gesetzt haben, dafür zu sorgen, dass israelische Soldaten an
den Straßenabsperrungen Palästinenser nicht erniedrigen und nicht
schikanieren. Immerhin interessant, dass der Staat, dem der Autor
nicht müde wird allerlei Verbrechen zu unterstellen diese Aktivität
duldet. Worauf der Autor natürlich nicht eingeht, sind die Befehle,
der jungen Soldaten, die angewiesen sind, ihre Arbeit mit
Entschiedenheit und korrekt durchzuführen. Die Verantwortung dieser
Soldaten ist sehr groß. Sie müssen dafür sorgen, dass Terroristen
rechtzeitig entdeckt werden, was mit Lebensgefahr verbunden ist.
Tatsächlich neigt der Autor, wie auch andere dazu,
nur von Israel die Einhaltung einer universalen Moral einzufordern.
Der Autor zählt dazu auch die in Wien tätigen "Frauen in Schwarz",
die seiner Meinung nach unzweideutig Flagge zeigen, "wenn sie
Mahnwachen oder Diskussionen abhalten, bei denen schonungslos die
Sharon-Politik attackiert und sogar ein Boykott Israels gefordert
wird."
In einer Aussendung schreiben die "Frauen in
Schwarz": "Es ist nicht unsere Aufgabe - und kann es nicht sein -
die Probleme der palästinensischen und der moslemischen
Gesellschaft schlechthin zu kritisieren, wie z.B. die Stellung
der Frau oder die Frage von "Mischehen" mit Juden [...]
Gesellschaftliche Analysen überlassen wir daher anderen, vor allem
den Palästinensern selbst."
Womit diese
Organisation beweist, dass sie lediglich Menschenrechtsverletzungen
der Israelis verurteilt und diejenigen der Palästinenser ignoriert.
Das hat nichts mit der von Freisleben gepriesenen universalen Moral,
viel aber mit einer einseitigen politischen Agenda zu tun.
Die komplexe Realität des
israelisch-palästinensischen Konflikts zeigt Freisleben nicht im
historischen Kontext, Nuancen kennt er nicht, sein Pamphlet ist ein
Beitrag zur Dämonisierung des jüdischen Staates. Kein Zufall, dass
Fritz Edlinger – nachdem er sich von Israel Shamirs antisemitischen
Machwerk, das er selbst herausgab, distanziert hat – diese
antiisraelische Schmähschrift propagiert.
Wolfgang Freisleben
Das Tor zur Hölle
Israels Gewaltpolitik im Kolonialkrieg um Palästina
Ibera Verlag Wien 2005 |