Vom Ausmaß überrascht:
Fritz Edlinger beschwert sich
Von Karl Pfeifer
Der deutsche Journalist Anis Hamadeh publiziert ein langes Interview
mit Fritz Edlinger (FE), Generalsekretär der Gesellschaft für
Österreichisch-Arabische Beziehungen und ehemaliger Vertreter der
SPÖ beim Nahostkomitee der Sozialistischen Internationale, aus dem
ich zitiere. [1]
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, werden
alle Zitate kursiv gesetzt.
Fritz Edlinger veröffentlichte Anfang 2005 im linken
Promedia-Verlag das antisemitische Buch "Blumen aus Galiläa".
FE: Zum anderen gefiel mir persönlich die religiöse
Schlagseite mancher seiner
[Shamir-Jermas-Ermash
SJE] Beiträge nicht, besondere Probleme
machten mir seine mitunter aggressiv anti-jüdischen Aussagen. Nach
längeren Überlegungen und Konsultationen mit dem Verleger
entschlossen wir uns trotz aller Für und Wider eine deutsche
Übersetzung herauszubringen, allerdings ohne einige der massiv
anti-jüdischen Passagen."
Immerhin konnten noch genug Zitate im von Edlinger
veröffentlichtem Buch gefunden werden, die explizit antisemitisch
sind.
FE: "Ich war also auf eine gewisse Aufregung
vorbereitet, dennoch hat mich dann das Ausmaß etwas überrascht. In
diesem Zusammenhang möchte ich aber doch erwähnen, dass es zunächst
monatelang überhaupt keine negativen Reaktionen gegeben hat."
Da muss ich FE Recht geben, zwar veröffentlichte ich
bereits im Mai 2005 eine kritische Rezension auf der Homepage der
Aktion gegen Antisemitismus, aber die mainstream Medien schwiegen
und veröffentlichten keine Rezension. Wären diese Medien so
Israelfreundlich, wie das immer wieder von Fritz Edlinger behauptet
wird, dann hätten sie doch das Buch kritisiert. SJE durfte im August
2005 sogar in 3sat Kulturzeit auftreten.
FE: "Es war für mich persönlich, der ich mich seit
mehr als 25 Jahren für die legitimen Rechte des palästinensischen
Volkes einsetze, auch nicht neu, als Antisemit diffamiert zu werden.
Ich hatte bereits vorher des Öfteren die Wucht der von "politische
korrekten" Lobbyisten geschwungenen Antisemitismuskeule verspürt.
Diesmal kam es aber besonders dicht und auch von Seiten, wo ich das
nicht erwartet hatte."
Es ist die charakteristische Pose, des unschuldigen
Verfolgers, der sich als Verfolgter gibt. Bereits 1982 schrieb
Edlinger einen Brief an die IKG Wien, der im offiziellen Organ der
IKG publiziert wurde. Die Wissenschaftlerin Margit Reiter
qualifizierte diesen Brief u.a. so: "Ihm [Fritz Edlinger] waren
nicht nur die ohnehin spärlich fließenden
"Wiedergutmachungs"-Zahlungen ein Dorn im Auge, sonder er verstand
es auch die österreichischen Juden und Jüdinnen in altbekannter
Manier vom österreichischen Wir-Kollektiv abzugrenzen und ihnen
subtil die Instrumentalisierung der Shoah für politische Zwecke zu
unterstellen. Diese Anspielungen sowie der anmaßende Ton des Briefes
und auch seine aggressive und uneinsichtige Reaktion auf die gegen
ihn vorgebrachte Kritik, verweisen – wenn nicht auf latent
antisemitische Ressentiments – so zumindest auf einen erheblichen
Mangel an historischer Sensibilität." [2]
Seither hat er anscheinend nichts gelernt und nichts
vergessen.
FE: Wie bereits zuvor erwähnt, habe ich mehrfach die
Erfahrung gemacht, dass sich Menschen gegen das Buch, dessen Autor,
gegen mich und den Verleger gewendet haben, ohne überhaupt das Buch
gelesen zu haben. Ja manche haben nicht einmal die selektive
Zitatensammlung gekannt sondern nur von parteiischen Journalisten
und oder Wissenschaftlern verfasste Pamphlete. Auch der Zusammenhang
zwischen der politischen Situation im Nahen Osten und dem (hier geht
es vor allem um den sogenannten neuen) Antisemitismus wurde von
manchen Debattenteilnehmern schlichtweg geleugnet. Jenes Komitee,
welches z.B. gegen meine Teilnahme an einer Veranstaltung an der
UNI-Graz mobilisiert hat, hat in einer persönlichen Aussprache mit
mir schlichtweg erklärt, dass sie vom israelisch-palästinensischen
Konflikt nichts wissen und dazu daher nichts sagen können, sie seien
einfach gegen jegliche Art des Antisemitismus, alles andere sei
ihnen egal. Auf meinen Hinweis, dass man sich das nicht ganz so
einfach machen können, und dass sie Gefahr laufen, eine bestimmte
Rolle in der Strategie der israelischen Regierung, welche alle
Angriffe gegen ihre völkerrechtswidrige Besatzungspolitik als
antisemitisch diffamiert, zu spielen, hat man gebetsmühlenartig
immer dieselben Parolen von sich gegeben. In diesem Zusammenhang ist
es auch nicht überraschend, dass die Etikettierung von der "übelsten
antisemitischen Hetzschrift seit 1945" aus der Schreibstube eines
absolut pro-israelischen Dokumentationszentrums in Wien stammt.
Fritz Edlinger, der ein antisemitisches Buch
veröffentlicht hat, bringt es fertig, sich als Unschuldslamm
darzustellen, seinen Kritikern, auch denen die sich in erster Linie
für die politische Hygiene in ihrem eigenen Land interessieren,
unterstellt er die Rechtfertigung der israelischen Politik.
Differenzierung ist nicht seine Sache. Tatsache ist doch, dass
bereits 2001 des Zionismus und der Rechtfertigung der israelischer
Politik sicher nicht zu beschuldigende arabische Aktivisten SJE des
Antisemitismus bezichtigten.
Es gehört schon eine Portion Unverfrorenheit, von der
"Schreibstube eines absolut pro-israelischen
Dokumentationszentrums" (DÖW) zu schreiben, wie es sonst
in der Regel Neonazi und Rechtsextremisten tun, die das
Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes beschuldigen
"jüdisch" zu sein. FE freilich bringt keinen Beweis für seine
Behauptung. Das sagt mehr über ihn als über das überparteiische DÖW
aus.
FE: Gerade die jüngsten Ereignisse (Prozess
Melzer-Broder, Kampagnen gegen Rupert Neudeck und Ludwig Watzal
etc.) zeigen doch deutlich auf, wie höchst notwendig es ist, diesem
Gesinnungsterror der "Politisch Korrekten" entschieden entgegen zu
treten..
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch über eine
Erfahrung berichten, die ich im Laufe der Jahre mehrfach machen
musste: Wenn es um Israelkritik geht, habe ich wiederholt
festgestellt, dass jüdische Freunde, deren Judentum für sie selbst,
aber auch für unsere persönliche Beziehung absolut kein Thema war,
sich plötzlich merkwürdig reserviert verhalten. Ich habe dafür
einige Erklärungen, die durchaus auch auf nicht-zionistische Juden
anwendbar sind. Diese reichen von einem mitunter extrem starken
Milieudruck (es ist sicherlich auch für säkulare nicht-zionistische
Juden keine Freude, von Zionisten und/oder gläubigen Juden ständig
als Verräter oder dergleichen diffamiert zu werden) bis hin zu einer
vorauseilenden Selbstzensur. Ich habe auch bei sehr israelkritischen
Juden selbst schon die Erfahrung machen müssen, dass sie sehr wohl
differenzieren, wer da Kritik an Israel übt. Offensichtlich wird
Nicht-Juden (noch dazu wenn diese aus Österreich oder Deutschland
kommen) ein niedrigeres Maß an Israelkritik zugestanden als man für
sich selbst in Anspruch nimmt. Ich war bereits des Öfteren mit der
überraschenden Situation konfrontiert, dass sehr israelkritische
Juden meine Kritik zurückgewiesen oder zumindest relativiert haben.
Es ist nicht auszuschließen, dass auch diese Zurückhaltung etwas mit
einem mehr oder minder bewusst ausgesprochenen Antisemitismusvorwurf
bzw. -vorbehalt zu tun hat. Offensichtlich gilt hier das Prinzip
"Quod licet Iovi not licet bovi".
Warum auch "israelkritische Juden" ihm derartig
gegenübertreten, fragt FE sich nicht. Hingegen kommt hier implizit
der Gedanke zum Vorschein, als ob die jüdische Gemeinde in
Österreich irgendwelchen Druck auf ihre Mitglieder ausüben würde.
Tatsache jedoch ist, dass auch prononcierte Israelkritiker im
jüdischen Gemeindezentrum am Podium zu Wort kommen.
FE: Ich muss aber einschränkend hinzufügen, dass ich
doch ziemliche Probleme mit der von den einschlägigen
"Fachautoritäten" in den letzten Jahren entwickelten Theorie des
sogenannten neuen Antisemitismus habe. Die einschlägigen
Definitionen sind derart vieldeutig und unklar, dass man mehr oder
minder je nach Gutdünken den Kreis der neuen Antisemiten sehr weit
ausdehnen kann. Man hat das ja vor nicht allzu langer Zeit mit dem
vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung vorgelegten
Definitionsversuch für Antisemitismus gesehen. Ich plädiere also in
diesem Zusammenhang dafür, dass man sich auf die harten Fakten des
alten Antisemitismus (also Verherrlichung des Nationalsozialismus,
Holocaustleugnung, verschiedene Aspekte des alten christlichen
Antisemitismus etc.) beschränkt, und alle anderen neuartigen
Definitionen dem Reich der unwissenschaftlichen Spekulation
überlässt.
Es ist falsch, den Antisemitismus fast ausschließlich
mit den Kategorien des Verbotsgesetzes in Verbindung zu bringen.
Denn das würde ja bedeuten, dass Antisemitismus in Österreich
strafbar wäre, hingegen ist es zur Genüge bewiesen, dass dieser auch
nach 1945 nicht aus Medien und Politik verschwunden ist. Und dieser
Antisemitismus kam nicht nur in verschiedenen Aspekten des alten
christlichen Antisemitismus zu Tage. Immerhin hat die katholische
Kirche Österreichs sich selbstkritisch mit diesem Teil ihrer
Geschichte auseinandergesetzt.
Die Verherrlichung des Nationalsozialismus muss nicht
unbedingt antisemitisch sein und es besteht überhaupt kein Grund
nicht auch vom Antisemitismus zu schreiben der von links oder von
der Mitte der Gesellschaft kommt.
Es könnte Fritz Edlinger passen, wenn man die harten
Fakten eines bei manchen linken und linksradikalen Zeitgenossen
bemerkbaren Antisemitismus ignorieren würde. Seine Wut auf das DÖW
ist deswegen so groß, weil man dort nicht seinen
Definitionskriterien folgt.
Anmerkungen:
[1]
http://www.anis-online.de/2/artclub/blumen/1.htm#2
[2] Margit Reiter "Unter Antisemitismus-Verdacht / Die
österreichische Linke und Israel nach der Shoah" Studienverlag,
Innsbruck, 2001, Seite 302. |