Amtliche Endergebnisse liegen vor:
Anschlag nach den Wahlen
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
"Ich dachte schon, die Tankstelle sei in die Luft
geflogen", sagte Esti, als sie nach einer markerschütternden Explosion aus
dem Fenster ihrer Wohnung in der Siedlung Kedumim schaute. Dann sah sie, wie
ein "kleines Auto" nahe der Tankstelle "furchtbar lange" ausbrannte.
Aus Angst, dass in der "Autobombe" weiterer Sprengstoff explodieren könnte,
wagten sich weder Feuerwehr noch Sicherheitskräfte in seine Nähe. Die
El-Aksa-Märtyrer-Brigaden verkündeten über Al Manar TV der Hisbollah im
Libanon, dass ein 24 Jahre alter Palästinenser aus Hebron die Tat begangen
habe. Er hatte sich als ultraorthodoxer Jude verkleidet und wartete auf eine
willkürliche Mitfahrgelegenheit. Ein sechzig Jahre altes Ehepaar nahm ihn
mit. Zwei weitere junge Israelis starben in dem explodierenden Auto und
verbrannten bis zur Unkenntlichkeit.
"Das war eine natürliche Antwort auf die israelischen Verbrechen, auf das
fortgesetzte Töten der Israelis, ihren feindlichen Einfall und ihre
Verhaftungen", sagte Mushir al Masri von der regierenden Hamas. "Das
palästinensische Volk hat das Recht auf Selbstverteidigung." Und Hamas-Chef
Haled Maschal erklärte in Beirut: "Bewaffneter Widerstand ist legitim und
wird weitergehen, auch nachdem die Hamas an die Macht gekommen ist."
Israels Regierungschef Ehud Olmert nutzte diese amtlichen Kriegserklärungen
der Hamas für neue Anweisungen zur "Abtrennung" von der Autonomiebehörde.
Verbindungsoffiziere sollten Treffen mit palästinensischen Offizieren
einzustellen, da diese jetzt unter dem Befehl des Hamas-Innenministers
stünden. Rund um Nablus wurden die Kontrollen an Straßensperren verschärft.
Jeder Palästinenser müsse sich einer Ganzkörperdurchsuchung unterziehen,
zumal aufmerksame Soldaten erst vor zwei Tagen einen verdächtigen Mann mit
zehn Kilo Sprengstoff unter seinem Mantel stoppten.
Fast zeitgleich griffen israelische F-16 Bomber Ziele im Gazastreifen, weil
erneut Kasamraketen auf israelisches Gebiet abgeschossen worden waren.
Erstmals wurde eine Grad-Rakete aus sowjetischer Produktion in Richtung
Aschkelon abgeschossen. Das sind verbesserte Katjuscha-Raketen mit einer
Reichweite von 20 Kilometern. Mindesten 30 solcher Raketen wurden in letzter
Zeit von Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt. "Diese Waffen verletzen
das militärische Gleichgewicht", sagte Verteidigungsminister Schaul Mofaz.
Künftig dürfen Stellungen der palästinensischen Polizei angegriffen werden,
wenn aus ihrer Nähe Raketen auf Israel abgeschossen würden. Mit der
Machtübernahme der Hamas gebe es keinen Grund mehr für Zurückhaltung.
Für die Hamas folgten weitere Schläge. Kanada fror im Gefolge von Israel und
den USA die Finanzierung der Autonomiebehörde ein. Das Quartett (USA, EU,
UNO und Russland) veröffentlichte eine ungewöhnlich scharf und klar
formulierte Erklärung. "Mit ernster Sorge" stellten die Autoren der Roadmap
(Straßenkarte zum Frieden) fest, dass sich die Hamas-Regierung nicht den
Prinzipien von Präsident Mahmoud Abbas und der internationalen Gemeinschaft
beuge: Gewaltlosigkeit, Anerkennung Israels und Akzeptanz der bestehenden
Abkommen. "Das Quartett stimmt überein, dass das unausweichlich Auswirkungen
auf die Hilfe für jene Regierung und seine Ministerien haben wird."
Inzwischen ergab die vollständige Auszählung der Stimmen von Soldaten,
Diplomaten und Gefangenen eine bedeutsame Verschiebung des Wahlergebnisses
in Israel. Olmerts Kadima (29), Likud (12) und die linksgerichtete Meretz
(5) gewannen jeweils ein Mandat dazu. Die fromme Schass (12), die
rechtsgerichtete Partei von Avigdor Libermann (11) und eine der drei
arabischen Parteien (9) verloren jeweils einen Sitz. Die Arbeitspartei (20),
die Nationalreligiösen (9), die Greisen-Partei (7) und die Ultraorthodoxe
Partei (6) blieben unverändert. Diese neue Zusammensetzung der Knesset
erleichtere es Ehud Olmert, umgehend eine Koalition zu errichten. Die
Zeitung Haaretz stellte fest, dass es in der neuen Knesset mehr Fromme (32)
und Frauen (16) gebe. 11 Araber, 34 orientalische Juden, 14 Neueinwanderer,
18 Akademiker mit Titel, 14 Generale und nur noch 7 Siedler sitzen im
israelischen Parlament. |