Palästinensisches Parlament:
Unvermeidlicher Konfrontationskurs
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Viele der 132 vorbereiteten Plätze in der
renovierten Mukata, dem ehemaligen Hauptquartier Arafats in
Ramallah, werden heute (Samstag) leer bleiben. Die feierliche erste
Sitzung des neugewählten Parlaments wurde in die Mukata verlegt,
weil da mehr Platz ist als im Parlamentsgebäude, das nach der Wahl
mehrfach gestürmt und verwüstet wurde.
Dreizehn Abgeordnete sitzen im Gefängnis, davon zwölf in Israel
und einer in Jericho. Zwei werden von Israel gesucht, darunter
Dschamal Muhammad Abu Rub mit dem Kämpfernamen "Hitler". Nach Gaza
und Nablus wurden Videoleitungen aufgebaut, da Israel nur an
Abgeordnete des alten Parlaments VIP-Passierscheine ausgeteilt hat.
Noch weiß niemand, wie die Vereidigung der 74 neuen Abgeordneten der
Hamas, 45 der abgeschlagenen Fatah und 13 Mitgliedern kleinerer
Parteien funktionieren soll bei so vielen Abwesenden.
Zehn Jahre sind vergangen, seitdem das Parlament neu gewählt wurde.
Deshalb gibt es fast nur neue Gesichter, zumal der Wahlsieger, die
Hamas, zum ersten Mal vertreten ist. Der 44 Jahre alte Ismail
Hanijeh aus Gaza, ehemaliger Bürochef des von Israel liquidierten
Scheich Ahmed Jassin, wird als möglicher neuer Premierminister
gehandelt. Fraktionschef wird der Chirurg Mahmoud Sahar, 55, bekannt
für seine extremistischen Aussagen zur beabsichtigten Zerstörung
Israels und Fortsetzung des Kampfes. Muhammad Abu Tir, 55, aus
Jerusalem ist Nummer zwei auf der Hamas-Liste und bekannt für seine
Kontakte mit der Hamasspitze im syrischen Exil. Er fällt mit seinem
knallrot gefärbten Bart auf. Umm Nidal Farhat, 63, aus Gaza ist die
stolze Mutter von vier toten Söhnen. Drei hat sie als
Selbstmordattentäter selber in den Tod geschickt. "Israelis sind
keine Zivilisten. Es gibt kein Verbot, sie zu töten. Allah sei
gelobt, ich bin bereit, alle meine Söhne zu opfern", sagte sie im
Dezember im ägyptischen Fernsehen.
Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas wird in seiner Eröffnungsrede
der Hamas jene Bedingungen stellen, die er von Bundeskanzlerin
Merkel gehört hat: Absage an Gewalt, Anerkennung Israels und
Akzeptanz der Verträge mit Israel. Auf dem Spiel steht die Existenz
der Autonomiebehörde und ihrer Institutionen. Sie erhielten durch
die Osloer Verträge mit Israel ihre Legitimation. Die Hoffnungen
Israels und des Quartetts, (USA, UN, EU und Russland), den Autoren
der "Roadmap", haben sich zerschlagen, dass Abbas mit seinen 70.000
Sicherheitskräften die "Infrastruktur des Terrors" der Hamas
zerschlagen würde. Jetzt ist es zu spät. "Die Polizeikräfte werden
der Hamas-Regierung unterstellt", sagte Dschibril Radschub, ehemals
"starker Mann" und Sicherheitschef. Sein Bruder Naif, Prediger der
Hamas in Hebron, hatte ihn bei den Wahlen geschlagen. Abbas wird
künftig nur noch über die Präsidentenwache, den "Forces 17", und dem
"militärischen Aufklärungsdienst" verfügen.
Für Israels Verteidigungsminister Schaul Mofaz hat schon mit der
Konstituierung des neuen palästinensischen Souveräns, der
Vereidigung des Parlaments, der "Gong geschlagen". Alle israelischen
Behörden mit Kontakten zu den Palästinensern, Militärs,
Geheimdienste aber auch Zoll und Innenministerium hatten auf
Anweisung der Regierung eine Liste aller Berührungspunkte
aufgestellt und Empfehlungen ausgearbeitet, was jetzt gekappt werden
könnte. Dahinter steckt die Philosophie, dass Israel nicht zur
Einhaltung der Verträge, darunter der Überweisung von
Zoll-Einkünften, gezwungen werden könne, wenn die Hamas alle
Absprachen und Kontakte mit Israel abbrechen und zerstören wolle. Am
Freitag berief der Interimspremier Ehud Olmert eine "strategische
Beratung" ein. Beschlossen wurde jedoch nichts. Offenbar ließ sich
Israel von EU-Außenminister Javier Solana überzeugen, dass nicht die
Vereidigung die "Stunde des Gongs" sei, sondern die Errichtung einer
Regierung und die Verkündung ihrer Politik. Dann freilich wollen
auch die Europäer ihre Position überdenken, während Israel wegen der
"unvermeidlichen Konfrontation" bemüht sei, "jetzt keine Fehler zu
machen", wie es der Verteidigungsminister sagte.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com |