[haGalil Notausgabe]
Cartoon Bruhaha:
Der Karikaturenstreit im Irak
Von Thomas v. d. Osten-Sacken
Jungle World v.
15.02.2006
Auch der Irak blieb vom "Cartoon
Bruhaha", wie der Islamwissenschaftler Oliver Roy es im Magazin Newsweek
nannte, nicht verschont. Während der schiitische Ayatollah Ali
al-Sistani sich merklich bei seinen Verurteilungen zurückhielt, nutzen
andere die Gunst der Stunde. In zwölf Stücke würden sie jeden Dänen
zerschneiden, der ihnen in die Finger komme, kündigte die Islamische
Armee an, ein Stück für jede erschienene Karikatur des Propheten. Auf
seine Art ganz staatstragend reagierte dagegen Transportminister Salim
al-Maliki. Sein Ministerium habe alle Verträge mit Dänemark und Norwegen
storniert, sagte der Anhänger des extremistischen schiitischen Predigers
Muqtada al-Sadr. Außerdem werde er künftig keine Spenden aus diesen
Ländern mehr akzeptieren. Ein Boykott von Hilfsgeldern, kommentiert
lakonisch der Blogger Iraq the Model, sei äußerst intelligent, außer den
Irakern nämlich schade er niemandem.
Selbst im sich säkular gebenden Suleymaniah gelang es der Islamischen Liga
Kurdistans, ein paar Hundert Anhänger zu einer Demonstration gegen
Dänemark zu bewegen. Auch das kurdische Regionalparlament in Arbil
verurteilte die Karikaturen. Gerade bei vielen Intellektuellen und
Journalisten allerdings herrschte nur blankes Entsetzen angesichts der
Bilder des demonstrierenden Mobs in Syrien, dem Libanon und dem Iran.
Seit längerem erscheinen in Suleymaniah verschiedene unabhängige
Zeitungen, die mit Kritik an der Regierung und der Verfasstheit der
Gesellschaft nicht sparen. Viele Redakteure würden sich auch gerne von
den Reaktionen des islamischen Mobs und der arabischen Regierungen
deutlich und öffentlich distanzieren. Nur wagt das auch hier noch
niemand. So versucht die Wochenzeitung Bayani, durch nüchterne und
distanzierte Berichterstattung die Ereignisse indirekt zu kommentieren.
"Mehr können wir uns nicht erlauben", sagt eine Redakteurin,
"schließlich haben wir keinen Wächter vor unserer Redaktion."
Die Angst vor der Gewalt islamischer Fanatiker ist leider noch immer zu
groß. Selbst wer im Geheimen über die Karikaturen schmunzelt, muss sich
öffentlich zurückhalten. Denn erst vor kurzem hat der Rat der
Religionsgelehrten in Suleymaniah eine Fatwa gegen den Schriftsteller
Meriwan Halabjaye verhängt, der es gewagt hatte, verschiedene
islamkritische Schriften zu veröffentlichen. Zur offenen Solidarität mit
Dänemark rufen bislang nur einige wenige Internetseiten auf. "Kurdistan
muss Dänemark zur Seite stehen, denn zu lange schon ist es das Opfer von
Zensur", steht im Weblog Mizgin geschrieben.
Andere Formen des Widerstands existieren kaum. Wer im herrschenden Klima
der Angst und Hysterie offen für Presse- und Meinungsfreiheit und gegen
die Bigotterie der Regimes eintritt, muss überall im Nahen Osten noch
immer um sein Leben bangen. Dabei haben die Bilder von Demonstranten aus
Gaza, Damaskus und London, die etwa die Enthauptung dänischer
Journalisten fordern, noch eine zusätzliche Wirkung. Auf keinen Fall
nämlich möchte man im kurdischen Nordirak, wo die Menschen gerade
versuchen, sich gemäßigt und prowestlich zu geben, mit diesen
fanatischen Muslimen identifiziert werden.
Das Verrückteste an der Sache sei allerdings, meint der Journalist Awat
Rizgar, dass es in der Region viel bessere und deftigere Witze über
Mohammed und den Islam gäbe. Warum so viele Europäer sich für ein paar
vor Monaten veröffentlichte Karikaturen entschuldigen, statt vehement
die Pressefreiheit gegen Islamisten und andere Feinde der Freiheit zu
verteidigen, kann er jedenfalls nicht verstehen.
Wegen Mohammed-Karikaturen:
Internet-Portale gehackt
Das größte deutsche Internetportal zu jüdischen Themen,
Nahostpolitik, Bekämpfung von Antisemitismus und rechtem Extremismus ist gehackt
und völlig gelöscht worden.
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