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Interview zum gehackten jüdischen Internetportal
haGalil:
Wer steckt hinter dem Angriff?
Ein Interview mit David Gall von Lorenz Matzat
ND: Ihre Webseite ist vorgestern von Hackern
angegriffen und komplett gelöscht worden. Der Zeitpunkt weist auf einen
Zusammenhang mit den umstrittenen Mohammed-Karikaturen hin. Warum haben Sie die
auf Ihrer Webseite gezeigt?
Gall: Ganz bestimmt nicht, weil uns die Karikaturen
gefallen haben. Ich persönlich fand die Zeichnungen plump und dumm. Aber wenn
die Reaktionen darauf bis zu Morddrohungen wie »Tötet die Dänen!« reichen, dann
geht das über jedes Maß hinaus. Unsere Leser sollten wissen, worum es geht und
deshalb haben wir diese Karikaturen gezeigt. Gleichzeitig veröffentlichten wir
auch Zeichnungen, wie sie häufig in arabischen Tageszeitungen erscheinen. Hier
werden Juden im Vergleich zu den umstrittenen Mohammed-Karrikaturen viel
diskriminierender dargestellt: mit spitzen Zähnen, dem obligatorischen Hut,
gierigen langen Fingern usw. –
da kann ich mich auch pikiert fühlen. Aber ich komme nicht auf die Idee, etwa
Ägypter zu jagen oder auf Flaggen rumzutrampeln. Eine gewisse Form der
Streitkultur muss man auch von der islamischen Welt verlangen.
Wer steckt Ihrer Meinung nach konkret hinter dem
Angriff?
Die Internetadresse, von der der Angriff ausging, stammt
aus Qatar. Aber ich frage mich, wer dort unser deutschsprachiges Angebot liest?
Man könnte vermuten, dass die Täter u.U. Verbindungen zur rechten Szene in
Deutschland haben.
Welche Reaktion hat es in den letzten beiden Tagen
gegeben?
Die Kommentare, die sich in Internetforen ergießen, sind
zu 99 Prozent Häme und blanker Hass. Es ist immer das gleiche antisemitische
Schema, wie im Großen, so im Kleinen: Das Warschauer Ghetto und Dschenin im
Westjordanland werden nebeneinander gestellt und zusammengemixt, was unter
eingeschränktem Blickwinkel eine Ähnlichkeit ergibt. Tatsächlich aber hat beides
gar nichts miteinander zu tun. Wir wären als »Gutmenschen« getarnt, selbst
»Oberfundamentalisten«, »die widerlichste Hetzpostille überhaupt, ein
fanatisches Propagandainstrument«, »das raffinierteste Organ des Zionismus« hieß
es auch. Solche Positionen kommen seltener von Muslimen, das dürften eher rechte
Trittbrettfahrer sein. Außerdem haben wir zahlreiche E-Mails erhalten, die den
uns entstandenen Schaden bejubeln. Wir sind eines der größten Internetangebote
in Deutschland und haben sehr viele Feinde.
In vielen Ländern nimmt die Kritik an den Karikaturen
gewalttätige Formen an. Überrascht?
Wir sind an einem Punkt angelangt, wo religiöse
Auslegungen über den Wert von Menschenleben gesetzt werden. Da muss man
gegenhalten –
auch wenn es weh tut. Insofern fand ich es enttäuschend, wie schnell europäische
Politiker einknickten und sagten, man müsse die Gefühle der Muslime
respektieren. haGalil hat immer mit Muslimen das Gespräch gesucht. Denn gerade
mit seinen »Gegnern« muss man sich unterhalten und gegen jede Polarisierung
arbeiten.
haGalil hat nach der Streichung aller Mittel durch den
Bund große Finanzprobleme. Hoffen Sie jetzt auf eine Solidaritätswelle?
Ich bin wenig
optimistisch. Es wird bei jeder Gelegenheit betont, dass es sich bei der
Bekämpfung von Antisemitismus und Extremismus um eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe handelt. Wenn es dann aber um konkrete Hilfe geht, versagt man gerade
den effektivsten und erfolgreichsten Initiativen die Förderung und bleibt lieber
beim Symbolischen.
Nach zehn Jahren dieser Arbeit gegen Antisemitismus und Nazismus wissen wir,
dass wir sie sehr gut machen, und über 350.000 Besucher auf unserer Website
bestätigen dies jeden Monat. Der ständige Kampf um die Absicherung, um
Unterstützung und Solidarität führt jedoch zur Verbitterung.
So denke ich manchmal, es wäre gesünder nach Tel-Aviv zu gehen und zu sagen, was
geht es mich an, was in Deutschland gesagt und getan wird. Dann denke ich aber
daran, dass ohne haGalil in Deutschland keiner bemerkt hätte, dass Hohmann eine
antisemitische Rede hielt, oder dass mitten in Berlin ein jüdischer
Lebensmittelhändler, wegen antisemitischer Schikanen, aufgeben muss. Den
offiziellen Stellen kann man die Arbeit also nicht überlassen. Und deshalb
müssen wir weiter machen, und weiterhin Unterstützung fordern.
Fragen: Lorenz Matzat
leicht gekürzt in ND, 4. Feb 2006,
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=85232&IDC=2
Auf der Eingangsseite zu haGalil
http://www.hagalil.com finden Sie Hinweise auf einige Artikel zum Thema,
u.a. aus dem Standard, der Presse, von n-tv, telepolis, honestly-concerned, der
Frankfurter Rundschau, der Tageszeitung, dem Neuen Deutschland, der Tagesschau,
Aviva, JTA und vielen anderen.
haGalil e.V., Postfach 900504, 81505 München
Redaktionen in München eva@hagalil.com
und Tel Aviv andrea@hagalil.com.
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