Willkommene politische Nüchternheit:
Jerusalem wird geteilt werden
Haaretz, Dezember 2005
[ARABISCH]
[ENGLISH]
[HEBREW]
Tel Aviv – Ariel Sharons Berater für Wahlangelegenheiten,
Kaiman Gayer, erklärte (oder auch nicht) der Newsweek, Sharon sei zu einem
Kompromiss bereit, sogar in Bezug auf Jerusalem, und dass "theoretisch"
Sharon der Errichtung eines palästinensischen Staates auf 90% des
Westjordanlandes zustimmen würde.
Durch diesen Kommentar wurde sowohl der Likud aus seinem
existenziellen Durcheinander gerettet als auch jener alte Wahlslogan der
Partei wieder aufgefrischt: "Peres wird Jerusalem teilen!" Der einzige Grund
für die Gründung der neuen Kadima-Partei war der Versuch, der Demagogie des
rechten Spektrums auszuweichen und den Weg einer willkommenen politischen
Nüchternheit einzuschlagen. Diejenigen, die die Spaltung des Likud als ein
wichtiges Ereignis betrachten, hoffen, dass es Sharon möglich sein wird auch
mit Kompromissen zu Jerusalem zu kandidieren, und dass der unilaterale
Rückzug aus dem Gazasteifen ein Zeichen für weitere zukünftige Rückzüge und
nicht das letzte Wort gewesen ist.
Die Annahme, Sharon plane nicht die schwierigen Beschlüsse
bis auf weiteres zu verschieben, ist weit verbreitet, so auch die Annahme,
dass die Tatsache, dass er an das Ende seiner politischen Karriere angelangt
ist, ausreiche, um ihn zu der schmerzvollen Beendigung der Besatzung während
seiner nächsten Amtsperiode anzuspornen.
Jedoch lässt seine übereilte Reaktion auf das Interview mit
Gayer Zweifel aufkommen. Vielleicht haben doch diejenigen Recht, die meinen,
die Gründung der Kadima-Partei sei nichts als ein Racheakt gegen das
Zentralkomitee des Likud. Somit hätte Sharon keine Pläne irgendwelche
weiteren politischen Schritte zu unternehmen.
Jeder bisherige politische Plan für die Lösung des Konflikts
mit den Palästinensern hat auch eine Änderung der Grenzen Jerusalems
beinhaltet. Die Stadt mit ihren großen annektierten Gebieten ist zu einem
demographischen Problem geworden und zu einem Stolperstein auf dem Weg zur
Errichtung eines palästinensischen Staates mit einem angemessenen
zusammenhängenden Territorium. Wer auch immer die palästinensische
Peripherie annektiert und Jerusalem angegliedert hat, hat nicht geglaubt,
dass eines dieser Tage ein palästinensischer Staat gegründet würde. Es
wurden haltlose Beschlüsse gefasst, die nicht mehr rückgängig gemacht werden
können, wie zum Beispiel im Zusammenhang mit der Gründung von Ma'aleh Adumim
und Givat Ze'ev. Zwar liegen diese Siedlungen auch im Rahmen der Genfer
Initiative auf israelischem Territorium, aber sicher ist, dass jedes
politische Abkommen – egal von welchem Premierminister es unterschrieben
wird – eine Teilung Jerusalems beinhalten wird.
Jerusalem ist nie geeint gewesen. Der fundamentale Schlüssel
für die Teilung ist von Bill Clinton festgelegt worden: Was jüdisch ist,
geht an die Juden, was arabisch ist, geht an die Araber. Niemand stellt sich
vor, dass die 220.000 Araber Ost-Jerusalems nach einer Einigung über die
Teilung beider Länder an den Staat Israel gehen werden. Sharon, derjenige,
der die Lösung des demographischen Problems groß auf seine Fahne geschrieben
hatte, wird das wissen.
Wahlkämpfe tendieren dahin, widersprüchliche Botschaften mit
der Absicht zu verbergen, so viele Stimmen wie möglich zu gewinnen. Aus
diesem Grund ist ersichtlich, warum Gayers Kommentar zu Jerusalem bei Kadima
Sorge ausgelöst hat. Doch sollten eben diese "schmerzvollen Zugeständnisse",
die Sharon mit Likud nicht in die Tat umsetzen konnte, die einzige
Rechtfertigung für die Existenz von Kadima, dann wäre diese verrückte Tat
ein beunruhigendes Zeichen dafür, dass Sharon selbst nicht weiß, was seine
politischen Ziele sind. Vielleicht plant er, seine ganze kommende Amtszeit
lang auf den durch den Rückzug aus Gaza erworbenen Lorbeeren auszuruhen. Man
hätte erwarten können, dass solch ein mutiger Chef auf den neuen-alten
Likud-Slogan mit den Worten reagieren würde: "Jerusalem wird geteilt werden"
– weil das im Interesse Israels ist.
Quelle: Haaretz, 15. Dezember 2005
Übersetzung: K. Badr
Trügerische Eindrücke:
Eine neue Rolle für
die Religion im Nahen Osten
Organisierte Religion ist in den letzten Jahren zu einem
Ausgangspunkt für die radikalsten politischen Ideologien der heutigen Zeit
geworden. Der Zusammenfluss von religiösem Extremismus, rassistischen
Ideologien und einem richtigen Blutdurst lassen einen erschauern...
Peretz, Jerusalem und die Wahlkampfstrategen:
Wer
braucht ein Kamel?
Ein Säufer verliert das Bewusstsein. Seine Freunde
gießen kaltes Wasser über ihn. Der Betrunkene öffnet ein Auge, schleckt das
Wasser und sagt: „Ich weiß nicht, was es ist, aber so etwas wird keiner
kaufen!“...
Rettender Strohhalm:
Jerusalem und die
palästinensischen Wahlen
"Wenn in Jerusalem nicht gewählt werden darf, dann
werden die Wahlen zum palästinensischen Parlament verschoben." Das "droht"
Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, nicht etwa in Ramallah, wo vor einigen
Tagen "Bewaffnete" sein Haus beschossen haben, sondern im fernen Saudi
Arabien... |