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Erinnerungen
an Selma:
BlütenleseEin in der DDR
erschienenes Buch sorgte für die Entdeckung von Selmas Meerbaum-Eisingers
Gedichten. Der Herausgeber hatte durch Zufall zwei ihrer Gedichte in
Bukarest gefunden. Eines druckte er ab, ohne zu ahnen, was er damit in
Bewegung brachte...
Das 1968 in Ost-Berlin erschienene Buch mit dem Titel
"Welch Wort in die Kälte gerufen" und dem Untertitel "Die Judenverfolgung
des Dritten Reichs im deutschen Gedicht", enthielt das Gedicht "Ich möchte
leben".
Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein.
Nein...
Der Schriftsteller Heinz Seydel hatte in Bukarest
zufällig zwei von Selmas Gedichten gefunden. Eines druckte er ab.
In Israel gelangte dieses Buch in die Hände von Hersch
Segal, der 1940 Selmas Klassenlehrer war. Er erinnerte sich an Selmas
Freundin, Renée Abramovici-Michaeli, die ebenfalls eine Schülerin war und
ihm von Selmas Gedichtband erzählte, den Selma damals dem ein Jahr älteren
Lejser Fichman gewidmet hatte.

Renée hatte den Gedichtband von Cernowitz bis nach Israel gerettet: ""Mit
Selmas Gedichten habe ich die Heimat herumgetragen und hierher gebracht",
erzählte sie ihrem Lehrer.
Segal hat danach alle erhalten gebliebenen Gedichte Selmas unter dem Namen
"Blütenlese" herausgebracht. Da er keinen Verlag für eine
Buchveröffentlichung fand, ließ er 400 Büchlein auf eigene Kosten drucken.
Schließlich entdeckte der Journalist, Autor und Exilforscher Jürgen Serke
die Gedichte und veröffentlichte sie unter dem Titel "Ich bin in Sehnsucht
eingehüllt".
 Abb.:
Beim
XII. Else-Lasker-Schüler-Forum
in Prag: Heide und Jürgen Serke, im Gespräch mit
Staatssekretärin Monika Beck (r.), Leiterin der saarländischen Vertretung in
Berlin.
Im Vorwort der Erstausgabe des Gedichtbands "Ich bin
in Sehnsucht eingehüllt" eingeleitet von Jürgen Serke im Oktober 1980
berichtete Serke von der Spurensicherung, weit entfernt von Deutschland, in
Czernowitz, einer Stadt im Osten - in der ein Mädchen lebte, das Gedichte
über eine Liebe schrieb, die mehr ein Traum denn Wirklichkeit war:
"Es war die erste Liebe, zu einem jungen Mann und zu einer Sprache, die
nicht die Landessprache Rumänisch war. Deutsch nannte das Mädchen sein
eigen.
Selma Meerbaum-Eisinger war eine Jüdin. Deutsche nahmen ihr die
Freiheit, Deutsche nahmen ihr das Leben. Sie starb am 16. Dezember 1942 im
deutschen Arbeitslager Michailowka jenseits des Bug. Sie war 18 Jahre alt,
wurde irgendwo verscharrt."
"Wer
in Zukunft von Anne Frank spricht, wird auch von Selma Meerbaum-Eisinger
sprechen müssen", meint Jürgen Serke. "Wie von zwei Schwestern, von denen
die eine dokumentierte, was die andere dichtete. Das Tagebuch der Anne
Frank, im holländischen Versteck verfasst, und die Gedichte der Selma
Meerbaum-Eisinger gehören zusammen. Anne Frank, die 15 Jahre alt wurde, kam
im März 1945 im KZ Bergen-Belsen um. Sie starb an Typhus, wie Selma zwei
Jahre zuvor, 2000 Kilometer weiter östlich"...
Anlässlich einer Vertonung der Gedichte
durch David Klein und das "World
Quintet" veröffentlicht der Hoffmann&Campe Verlag nun auch eine
gebundene Jubiläumsausgabe des Gedichtbandes. Hinzu kam ein Hörbuch,
gesprochen von Iris Berben.
Lesen
Sie die weitere Geschichte einer Entdeckung von Jürgen Serke...
Deutsch war die Sprache, die sie
liebte:
Selma
Meerbaum-Eisinger
Spurensicherung, weit entfernt von Deutschland, in Czernowitz, einer Stadt
im Osten. Darin lebte ein jüdisches Mädchen, das Gedichte über eine Liebe
schrieb, die mehr Traum als Wirklichkeit war...
Ein Buch kommt in Deutschland an:
"So hör, ich hab’
für dich gelacht."
Heute gehört sie zum literarischen Dreigestirn der
Stadt Czernowitz, das die Namen Paul Celan, Rose Ausländer und Selma
Meerbaum-Eisinger trägt. Czernowitz war jene deutschsprachige Insel aus
Zeiten der Habsburgermonarchie, die durch den Vernichtungsfuror
Hitler-Deutschlands unterging... |
dg /
hagalil.com 09-03-2006 |
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