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Herumgealber mit dem Holocaust:
Im Haus Schwarzenberg schweigt man zur Kunst

Von Andreas Schug, Berlin

Es ist ja leider nichts Neues, dass Leute versuchen, mit einer provokativen Thematisierung der Schoah Aufmerksamkeit zu erregen. Nur diesmal ist es an einem historischen Ort geschehen: Am Hackeschen Markt mitten in Berlin, im Haus Schwarzenberg, das die Blindenwerkstatt Otto Weidt und das Anne Frank Zentrum beherbergt. Otto Weidt versteckte in seiner Werkstatt bis 1943 unter Gefährdung seines eigenen Lebens Juden und konnte einigen von ihnen das Leben retten.

Die ebenfalls im Haus ansässige Galerie Neurotitan zeigte bis Anfang Januar eine Ausstellung polnischer Künstler, für die sie mit einem geschmacklosen KZ-Foto von Zbigniew Liberia warb. Es zeigt albern lachende Menschen unterschiedlichen Alters in längs gestreiften Pyjamas, eingehüllt in Decken hinter quer gespannten Drähten, die an einen Elektrozaun erinnern. Die gesamte Komposition gleicht einem Foto, das Gefangene des Konzentrationslagers Auschwitz kurz nach der Befreiung durch die Rote Armee zeigt. Die Reihenfolge der Personen, die Haltung und die Kleidung sind nahezu identisch mit dem Original.

Flyer zur Ausstellung mit KZ-Bild...

... und Original, von der Roten Armee im Januar 1945 befreite Häftlinge in Auschwitz, siehe www.auschwitz.org.pl

 

Inge Deutschkrohn, Vorsitzende des Fördervereins Haus Schwarzenberg und Autorin des Buches "Ich trug den gelben Stern", lehnt diese Art der Eigenwerbung ab: "Das ist unglaublich, dass so etwas überhaupt gezeigt wird!"Die NS-Überlebende, die unter anderem in der Blindenwerkstatt Unterschlupf gefunden hatte, will das Thema mit dem Vorstand des Trägervereins besprechen. Sie empfindet es als unerhörte Missachtung, die KZ-Geschichte "so für sich zu benutzen".


Geübte Provokation, Liberia im Neurotitan

Das Motiv ist nicht zufällig ausgewählt, sondern man wirbt mit dem zynischen Ausstellungstitel "Die Verdammten im Haus Schwarzenberg. Schönheit siegt auf allen Fronten." Der Untertitel spielt auf den nazi-deutschen Propagandaslogan "Deutschland siegt an allen Fronten" an, und mit den Verdammten meinen die Künstler tatsächlich sich selbst. In der Erläuterung zur Ausstellung verweisen die Ausstellungsmacher auf die "andauernde Marginalisierung unbequemer Künstler in Polen". Diese Geknechteten, ja sie sind so marginalisiert, dass das polnische Kulturministerium die Ausstellung sogar mitfinanziert hat.

Jene Ausstellung zeigt wieder einmal, wie geschwiegen wird, nur um keinem auf die Füße zu treten. Denn Inge Deutschkrohn ist die einzige im Haus Schwarzenberg, die Liberias Bild offen kritisiert.

Die Mitarbeiter der Gedenkstätte "Blindenwerkstatt Otto Weidt", Teil der Gedenkstätte deutscher Widerstand, waren noch "erschrocken", als sie die Karten mit dem Foto sahen. "Wir haben die hier nicht ausgelegt", berichtet Anke Schnabel, die ankündigt, das Thema "intern" im Haus zu diskutieren.
Das Anne Frank Zentrum will jedoch laut Sprecherin Milena Feingold das "gute Verhältnis zu den Nachbarn" im Neurotitan nicht beschädigen: "Wir äußern uns nicht dazu". Gut, vereinzelte Besucher hätten sich im Hof über die Ausstellung beschwert, doch man solle die Ausstellungsmacher selbst fragen.


Auf gute Nachbarschaft!

An den Vorbereitungen beteiligt war Meike Danz, eine der Pressekoordinatorinnen des Hauses, die betont, dass "einstimmig entschieden wurde, die Ausstellung zu zeigen". In dieser haben die Bilder von Liberia einen zentralen Platz eingenommen. Ja, "provokant und schockierend" war das schon mit dem KZ-Motiv, gesteht Meike Danz ein, doch die Flyer seien genehmigt worden - "wenn wir etwas anstößig gefunden hätten, hätten wir das gesagt". Und bezüglich des Anne Frank Zentrums: "Wir sind uns unserer Nachbarschaft bewusst und schätzen das gute Verhältnis."

Wie schön, wenn sich alle lieb haben! Ach, und wenn jemand behaupten wolle, das Foto "banalisiert" den Holocaust, "dann möchten wir uns von dieser Deutung distanzieren". Summa Summarum sieht sich Danz in einer "Vermittlungsposition", und richtig Bescheid wissen soll Henning Küpper, einer der beiden Kuratoren. Jener hat sich "keine konkreten Opfer vorgestellt, die das als Verletzung empfinden könnten." Überhaupt sei das eine "sehr spontane Angelegenheit" gewesen: Küpper habe dringend Exponate gesucht, als ihm als Erstes die Bilderserie Liberias eingefallen sei. Zu der Serie gehört auch eine Veralberung des Fotos von dem nackten Mädchen, das im vietnamesischen My Lai vor den Napalmbomben flieht - der Künstler hat das Mädchen mitten in eine Touristengruppe montiert. Das Bild wurde ebenfalls im Neurotitan präsentiert. Geübt in der Provokation, baute Liberia darüber hinaus Konzentrationslager als Lego-Baukastenserie - deren Präsentation im Jewish Museum 2002 war höchst umstritten.

Offenbar waren es weniger die inhaltlichen oder ästhetischen Fragen, die zu der Auswahl des Motivs geführt haben. Als Liberia in den 80er Jahren Statisten aus seinem Club in Warschau für das Foto rekrutierte, hielt sich Küpper gerade länger in der polnischen Hauptstadt auf. "Das war ganz lustig", sagt er heute so nebenbei. Ernster meint er, es "wäre ein relativ makabrer Scherz", eine Analogie zwischen Lagerinsassen und Künstlern herzustellen, "so ganz als Klamauk will ich's nicht verstanden haben". Die Originalfotos von der Befreiung des KZ Auschwitz wurden bewusst nachgestellt. Mit den lachenden Gesichtern in dem bekannten Motiv solle die "Herrschaft der Bilder unterlaufen" werden, doziert Küpper. Die "Maschinerie des Gedenkens" werde so aufgebrochen, um einen neuen Zugang zur Geschichte zu schaffen, der "offen zu interpretieren" sei.

Gut, Henning Küpper hat sich doch mehr Gedanken gemacht, oder verpackt er die Improvisation gut? Bloß, was kann "offen interpretieren" im Zusammenhang mit der Schoah bedeuten? Küpper sagt, es solle "mit Gewohnheiten der Wahrnehmung" gebrochen werden. Doch in den Begleittexten zur Ausstellungseröffnung ist im Internet Deutlicheres zu lesen. In den 80er Jahren hätte sich die "kritische Kunst" gegen die "Mythisierung der jüngeren polnischen Geschichte, von Okkupation und Weltkrieg" gewandt. Über vier Millionen polnische Kriegstote, ein Mythos? Weiter ist zu lesen, die Werke der Künstler betrieben eine "Entzauberung dieser Mythen und die Befreiung von diesen".

Die Kuratoren bezogen keine eigene Position zu diesen reaktionären Ansätzen der Künstler, sondern sie präsentierten die Werke ohne jeden Kommentar. Eine inhaltliche Debatte zum Selbstverständnis der polnischen "kritischen" Kunst haben sie nicht initiiert. Somit hat Küpper ein Forum für die Banalisierung der Leiden in Auschwitz und in den anderen Konzentrationslagern geboten. Das Kalkül: Die Ausstellungsmacher wählten das Motiv Liberias und "hatten die Debatte so ein bisschen erhofft" - ihr Ausbleiben bedauert Küppers.

Warum zieht die Galerie im Haus Schwarzenberg - dem vielleicht letzten Refugium subversiver Kunst und Kultur im glattrasierten Bezirk Mitte - ausgerechnet diese Register, um aufzufallen?

Dass eine solche Werbung einen Monat lang verbreitet werden konnte, ohne dass sich nennenswerter Widerstand regte, wirkt wie eine Provinzposse, über die man milde lächeln könnte. Nur passierte es mitten in Berlin, in einem Zentrum des touristischen Interesses und mitten in der sogenannten alternativen Szene.

hagalil.com 15-01-2006

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