
NPD-Austritte:
Verräter belasten "Volksfront"-Pläne
Von Andreas Speit
Die Parteiaustritte der drei sächsischen
NPD-Landtagsabgeordneten Mirko Schmidt, Klaus Baier und Jürgen Schön
kurz vor Weihnachten haben auch die norddeutsche Szene von NPD und
"Freien Kameradschaften" verstimmt. Dabei richtete sich der Unmut
nicht allein gegen die sächsischen "Verräter", die mit einem
"Judaslohn" abgeworben worden seien.
Die Parteiführung um Udo Voigt und Holger Apfel
geriet ebenfalls in die Schusslinie, hatte Voigt doch einen Tag vor
Heiligabend schon vorauseilend von einer "operativen Maßnahme der
Geheimdienste" gesprochen, die dazu führen solle, "dass wir alle mit
gegenseitigen Anschuldigungen über uns herfallen". Am selben Tag
hatten die Freien Kameradschaften prompt erklärt, dass "nicht
wenige" für einen Teil der Motive der Aussteiger Verständnis hätten.
Die Ausstiege befeuern die schwelende Debatte um die
"Volksfront" aus NPD, Freien Kameradschaften und DVU. Die Chancen
des "nationalen Parlamentarismus" werden dabei mal wieder
unterschiedlich bewertet. So verkündete das "Aktionsbüro
Norddeutschland" um Tobias Thiessen, dass "rechte
Oppositionsparteien" sich zwangsläufig von ihren Grundsätzen trennen
müssten, um nicht als "grundgesetzwidrig" zu erscheinen. Die
Folgerung: Allein eine außerparlamentarische Organisation wie die
Freien Kameradschaften könne "szenische Strukturen dauerhaft
etablieren". Dennoch könnten "nationale Parteien" unterstützt
werden, solange "lästige Vereinnahmungsversuche" unterblieben.
Genau dies ist der Fall in Niedersachsen, wo die
Dominanzbestrebungen des NPD-Landeschefs Ulrich Eigenfeld derzeit
die Szene spalten. Mit einem Redeverbot auf NPD-Veranstaltungen hat
die Partei Dieter Riefling belegt. Als zu "radikal" dürfte der
Aktivist der Freien Kameradschaften der Führung aufstoßen, die sich
gerne moderat gibt. Prompt folgte ein Solidaritätsaufruf. "Die NPD
Niedersachsen braucht uns - aber wir nicht die NPD Niedersachsen",
erklärten nicht nur die Freien Kameradschaften, sondern auch die
"Jungen Nationaldemokraten" und fordern die Aufhebung des
Redeverbots für Dieter Riefling. Sonst, so die Drohung, würde
jegliche Unterstützung eingestellt.
In Bremen versuchen NPD-Mitglieder derweil, sich der
Linie der autoritären Bundesführung zu entziehen. In dem
Landesverband, dem Horst Görmann vorsteht, betreiben Voigt-Kritiker
das Internetprojekt "bremerforum". Bei den Wahlkampfüberlegungen
dort wird die "Deutsche Volksunion" (DVU) nicht erwähnt, dabei
sollte die nach den "Volksfront"-Absprachen der Parteiführung
kandidieren.
Auf Kuschelkurs mit der Bundeslinie sind dagegen NPD
und Freie Kameradschaften in Schleswig-Holstein. Die Landespartei,
angeführt von Uwe Schäfer, stellte den Tagesbefehl ihres
Bundesvorsitzenden ins Internet, trotz der Ausstiege "geschlossener
zusammenzustehen als je zuvor". Auch in Hamburg ist die NPD nach der
Wahl von Anja Zysk zur Landeschefin voll auf Volksfront-Linie und
will noch enger mit den Freien Kameradschaften zusammengehen. Mit
regelmäßigen Aktionen in den Hamburger Stadtteilen soll das Konzept
des "bürgernahen Nationalismus zum Anfassen" weiter ausgebaut
werden.
Ein "gutbürgerliches Image" streben NPD und Freie
Kameradschaften auch in Mecklenburg-Vorpommern an, wo NPD-Landeschef
Stefan Köster und Kameradschaftsführer Thomas Wulff, der zugleich
NPD-Bundessekretär ist, für die Basisarbeit in den Städten und
Gemeinden werben. Nach eigenen Angaben traten vor Weihnachten über
20 Kameradschaftler der Partei bei. Nahe Ludwigslust und Rostock
feierten sie gemeinsam die
Wintersonnenwende. Offen loben die militanten Neonazis der Freien
Kameradschaften die Eintritte. Erwarten sie doch, dass ihre
Kameraden im kommenden Jahr mit der NPD in den Schweriner Landtag
ziehen. Abdruck mit
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03-01-2006 |