
"Heimatliebe, Patriotismus und Brauchtum":
Frauen in der rechten Szene
Von Andreas Speit
Eine Frau an der Spitze einer Organisation - in
der neonazistischen Szene ist das besonders selten. Umso mehr
erstaunt der Aufstieg der 34-Jährigen Anja Zysk: Die
Handelsschullehrerin, die derzeit eine kaufmännische Ausbildung
absolviert, steht seit Ende 2005 der Hamburger NPD vor. Als Werte
nennt Zysk: "Heimatliebe, Patriotismus und Brauchtum". Und als Ziel:
Eine "Alternative zur Politik der kapitalhörigen Systemparteien".
Von ehemaligen Kommilitonen wurde sie eher für
"links" gehalten. Die nationalrevolutionäre Ausrichtung der
NPD-Chefin lässt nun die "Freien Kameradschaften" (FK) hoffen, dass
das Miteinander "entkrampfter" wird. Dass eine Frau vor den Herren
steht, verstimmt die Männerdominierte Szene nicht. Schwankt doch
seit einigen Jahren das tradierte Rollen- und
Geschlechterverständnis ein wenig.
In den letzten Jahren treten immer mehr junge Frauen
offen für die "nationale Sache" ein - auch im Norden. Vor 1990
blieben die rechtsextremen Frauen eher im Hintergrund: Sie führten
die Mitgliedslisten, verwalteten die Kassen oder regelten den
Propagandavertrieb. Seit gut 10 Jahren aber erklären Neonazistinnen
immer öfter: "Wir sind auch die kämpfende Front". Mittlerweile
schätzt das Bundesamt für Verfassungsschutz den Frauenanteil bei
"rechtsextremen Parteien" auf 13 Prozent und in den Kameradschaften
auf 10 Prozent. Tendenz steigend.
Die Sozialwissenschaftlerinnen Kerstin Döhring und
Renate Feldmann betonen, dass die "Errungenschaften der
Frauenbewegung auch Spuren" bei den Rechten hinterlassen haben. So
vermischten sich "traditionelle Lebensentwürfe mit fortschrittlichen
Kombinationen von Berufstätigkeit, Partnerschaft, politischer
Aktivität und Mutterschaft".
Offen erklärt der "Arbeitskreis Mädelschar", um Inge
Nottelman aus Norderstedt, "um das Frauenbild in der Bewegung ist es
nicht gerade gut bestellt". Sie wollen nicht mehr "'nur' die
Freundin eines Nazis" sein, sondern "Kämpferin für Deutschland".
Ganz so kämpferisch tritt die
"NPD-Frauengruppe Hannover" nicht auf. Die Gruppe um die 21-jährige
Jasmin Langer trifft sich zu Stammtischen, Schulungen und Ausflügen
und will durch "selbstbewusste und gebildete Frauen" die "nationale
Bewegung" stärken. Sie betonen jedoch, dass sie "die Letzten" seien,
"die ihre Pflicht als Mütter vergessen würden". Denn es sei im Sinne
"einer echten Volksgemeinschaft", dass "es auch den Müttern gut
geht.
Auch im Dritten Reich wurde in dieser Hinsicht viel
getan". Ähnlich erklärt die "Gemeinschaft Deutscher Frauen" (GDF):
"Unter Umständen ist mit der richtigen Erziehung von drei bis fünf
Kindern politisch mehr erreicht", als wenn man in einer Organisation
"tätig" wäre. Aus Mölln lenkt Tanja Steinhagen die GDF im Norden.
Einmal im Monat treffen sie sich in privaten Wohnungen, denn da sie
viele Kinder haben, wäre es mit den Räumen sonst schwieriger.
Auf Szene-Websites finden sich oft Kontaktanzeigen,
wie: "21-jähriges Mädel, Haare so flammend wie die Kraft meiner
Ahnen, Augen so grau wie das Nordmeer" sucht einen "starken aber
liebevollen Germanen". Beim Fraueninternetprojekt "Lucky18", das zu
den FK gehört, gibt es keine Kontaktgesuche. "Diese Seite ist mal
für Frauen", verkündet die Betreiberin Jennifer S. aus Bad Harzburg.
Das Projekt, das von mehreren Frauen getragen wird, stellt sich auf
ihren Websites mit Fotos mal kämpferisch, mal verträumt vor und
greift Szenethemen auf.
"Kameradschaft unter Frauen", versprechen alle
Gruppen. Die Aussteigerin Lisa W. hat das anders erlebt: "Eine
musste sich mal nackt bei einer Party hinstellen, sie hatte die
Chefin irgendwie verärgert", eine andere schlugen die Frauen
zusammen. Auch bei sexueller Gewalt erfuhren die jungen Frauen keine
Hilfe, weiß sie. Meist hieß es: "selber schuld".
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz - die tageszeitung
taz muss sein:
Was ist Ihnen die
Internetausgabe der taz wert?
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
haGalil onLine
11-01-2006 |