Hohmann und Koscheres
Dem Online-Dienst Hagalil droht das finanzielle Ende
Von Matthias Drobinski
Der Protest ist heftig. Der "Aufstand der Anständigen"
finanziere lieber "Buntstifte für Davidsternchen und Filmabende für
Eingeweihte" - und nicht konkrete Aufklärungsarbeit gegen Antisemiten und
Neonazis, für mehr Wissen über das Judentum.
So sehen es die Macher von "Hagalil", was auf deutsch "Galiläa" heißt und
einen Online-Dienst bezeichnet, den von München aus drei angestellte und
zwei Dutzend freiberufliche Journalisten betreiben. Bis Ende 2004 bekam
Hagalil etwa 75 000 Euro im Jahr aus dem Aufstands-Topf. Seit fast drei
Monaten aber bleibt das Geld aus, was den Internet-Auftritt zu beenden
droht.
Es geht dabei gar nicht um die unbestreitbare Qualität von Hagalil. 15.000
Web-Seiten bieten seriöse Informationen über Judentum und Israel, über
Politik und Antisemitismus. Hier wurde die seltsame Rede des
CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann publik gemacht - hier gibt es auch
Rezepte für koscheren Käsekuchen. 320.000 Surfer klicken Hagalil im Monat
an: Lehrer, Schüler, Journalisten - und Rechtsextremisten, die nach Passagen
suchen, gegen die sie klagen können. Die Redaktion bekam die Zuschüsse aus
dem Toleranz-Programm des Familienministeriums nicht direkt, sondern über
den Trägerverein "Tacheles reden", und nach vier Jahren hatten sich Träger
und Redaktion verkracht: Der Verein wollte verstärkt Fortbildungen und
Seminare anbieten, die Redakteure sich aufs Internet konzentrieren.
Einen neuen Trägerverein aber akzeptiert das Familienministerium nicht:
Hagalil solle sich wieder mit "Tacheles reden" vertragen, sonst sei, bei
allem Bedauern, keine Förderung möglich.
So stehen sich beide Seiten starr gegenüber: Das Ministerium hält die
Hagalil-Strukturen für intransparent, Hagalil empfindet das Ministerium als
engstirnig und schikanös. Eine
Unterschriften-Sammlung, so hofft Hagalil-Herausgeber David Gall,
könnte einen der wenigen Schutzwälle gegen Antisemitismus im Netz noch
retten. Zu den 70 Erstunterzeichnern gehören die Professoren Julius Schoeps,
Michael Brenner, Natan Sznaider oder Micha Brumlik; mehrere hundert Nutzer
haben schon unterschrieben. Ihr Kronzeuge: Bundespräsident Horst Köhler. Der
hatte bei seinem Israel-Besuch gesagt: Der Antisemitismus müsse "mit allen
Mitteln" bekämpft werden.
hagalil.com
15-03-2005 |