Dokumentation / Pressespiegel
FR, 22. Febr. 2005
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/medien/?cnt=635169
Das Onlinemagazin "Hagalil" ist in seiner Existenz bedroht:
Neuer Träger - Geld weg
VON PETER NOWAK
"Seit 1995 ist es Hagalil online gelungen, die Dominanz nazistischer
Propaganda im Internet im Bereich des Antisemitismus zurückzudrängen. Das
Projekt hat deshalb zum Ziel, die redaktionelle Arbeit von Hagalil online
weiter auszubauen und zu sichern". Diese lobenden Worte für Hagalil, die
Online-Zeitung für jüdisches Leben, stehen noch immer auf der Datenbank des
Projekts "Entimon - gemeinsam gegen Gewalt und Rechtsextremismus".
Doch der Hagalil-Verantwortliche David Gall kann darüber nur noch bitter
lachen. Denn Entimon hat Hagalil die weitere Förderung in der Größenordnung
von 100 000 Euro jährlich verweigert. Damit ist die Existenz des 1995
gegründeten europaweit einmaligen Internetdienstes gefährdet.
Dabei sind es ausnahmsweise mal nicht die leeren Kassen, die zur
Mittelkürzung führten. Grund ist vielmehr ein Trägerwechsel. Bisher hat der
in Berlin ansässige Verein "Tacheles reden" das Geld für Hagalil bei Entimon
beantragt. Nach Differenzen zwischen Hagalil und Tacheles einigten sich
beide Seiten sich auf einen neuen Träger. Vom zuständigen Ministerium
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sei anfangs
Zustimmung signalisiert worden, erklärte Gall.
Doch vor einigen Wochen lehnte der beim Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend für Entimon zuständige Referatsleiter Olaf Obst
einen Trägerwechsel plötzlich entschieden ab. Die Fronten sind verhärtet.
Obst antworte auf Mails nicht mehr und sei auch telefonisch für ihn nicht
erreichbar, sagt Gall.
Gegenüber der FR lehnte Obst eine Stellungsnahme ab und verwies auf die
Pressestelle. Christine Mühlbach, stellvertretende Pressesprecherin des
Ministeriums, bestätigte die Streichung des Geldes. Durch den Trägerwechsel
sei eine weitere Förderung nicht mehr möglich, erklärte Mühlbach.
Es ist schwer verständlich, dass Hagalils Existenz ausgerechnet in einer
Zeit gefährdet ist, in der so viel über den Kampf gegen rechtes Gedankengut
die Rede ist. Denn mit seinen Strategien zur Eindämmung von rechter
Propaganda im Internet hat sich Hagalil in den vergangenen Jahren einen
Namen gemacht. Nach dem Prinzip "100 Seiten Wahrheit für jede Seite Lüge und
Hass" wurden Webseiten mit antisemitischen oder geschichtsrevisionistischen
Inhalten von den höheren Suchmaschinenrängen verdrängt. In Chats und
Internetforen wird über jüdisches Leben informiert.
Schon 1997 hat Hagalil ein Formular ins Netz gestellt, mit dem man Anzeige
erstatten kann, wenn man auf nazistische Seiten im Internet stößt. Die
Antwort war eine Flut von rechten Hassmails.
Die kommen nicht nur von Rechtsextremisten. Auch Rechtskonservative würden
sich wohl über ein Ende des Internetdienstes freuen, der als erster die mit
antisemitischen Versatzstücken durchsetzte Rede des damaligen
CDU-Abgeordneten Martin Hohmann bekannt gemacht hat.
Mit einer Spendenkampagne ist Hagalil jetzt an die Öffentlichkeit gegangen.
Denn auf finanzielle Rücklagen kann das Onlinemagazin nicht zurückgreifen.
Auch nennenswerte Werbeeinnahmen zur Deckung der Kosten stehen nicht zur
Verfügung.
Mit der Begründung, dass man seine Produkte in "angenehmer Atmosphäre"
präsentieren möchte, hatte erst kürzlich eine Firma für Druckergeräte
abgelehnt, ein Werbebanner bei Hagalil zu schalten.
hagalil.com
28-02-2005 |