Roter Faden der Geschichte:
Vernichtungsdrohungen und Verteidigungswille
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Wie ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte der
Versuch, Israel zu zerstören. Seit dem 19. Jahrhundert versuchen europäische
Juden, sich vor Diskriminierung, Pogromen und "Endlösungen" zu schützen. Für
Juden ist es einerlei, ob Hitler ihre physische Vernichtung in Gaskammern
betreibt oder ob Iran 6 Millionen Israelis auslöschen will.
Die Argumente, wieso Juden oder der Staat Israel ausgelöscht werden sollten,
haben sich nur unwesentlich gewandelt. Ob sie als unwerte Rasse betrachtet
werden und Europa für Arier "judenfrei" gemacht werden sollte, oder ob der
jüdische Staat in der Welt des Islam als "Fremdkörper" gilt, macht unter dem
Strich keinen Unterschied. 1948, am Tag der Ausrufung Israels, starteten die
arabischen Staaten einen Krieg, um den von ihnen abgelehnten "Teilungsplan"
für Palästina rückgängig zu machen.
Jene, die sich heute Palästinenser nennen, gab es noch nicht mit dieser
Bezeichnung. Der palästinensische Nationalismus formulierte sich erst 1964.
Die Gründung eines palästinensischen Staates neben Israel wurde von
arabischen Staaten abgelehnt, weil es eine Anerkennung Israels implizierte.
Während die PLO sich mit den Osloer Verträgen verpflichtete, Aufrufe zur
Zerstörung Israels aus ihrem Programm zu streichen, befolgt die Hamas dieses
Ziel bis heute ganz offen. Bei den Wahlen am 25. Januar dürfte die Hamas
Prozent zur zweitstärksten Macht unter den Palästinensern werden.
Der iranische Präsident Ahmadi-Nidschad verfügt über ein recht primitives
Geschichtsbild, wenn er an einen Punkt Null glaubt, zu dem die Rädchen
zurückgedreht werden könnten oder dass die Menschheitsgeschichte aus dem
Prinzip Schuld und Sühne bestehe. Nicht der Holocaust ist "Schuld" an der
Entstehung Israels, sondern europäischer Nationalismus, Antisemitismus
während des Dreyfus-Prozesses und Pogrome in Osteuropa. Angesteckt von der
Idee eines Nationalstaates, betrieben Theodor Herzl, Autor des
"Judenstaates", und frühe Zionisten Lobbyarbeit bei Kaiser Wilhelm II, beim
türkischen Sultan und bei den Briten. 1917 entstand in London die
Balfour-Deklaration. Sie versprach den Juden eine "nationale Heimstätte in
Palästina". So ist Israel weniger "künstlicher Staat" als fast alle
arabischen Staaten von Marokko bis Irak. Allesamt sind willkürliche Produkte
europäischer Imperialmächte. Briten machten Stammesgebiete der Kurden,
Sunniten und Schiiten zum künstlichen Staat Irak. Franzosen schufen Syrien
und Libanon. Jordanien wurde von den Briten aus dem Mandatsgebiet
"Palästina" herausgeschnitten und als "Dankeschön" dem Emir Abdullah
übergeben.
Die Feindseligkeit gegen die "Jahud", wie Araber die Israelis nennen, hat
andere Ursprünge. Hitlers "Mein Kampf" ist Bestseller in vielen arabischen
Ländern. Die übelste Fälschung der Weltgeschichte, die vom zaristischen
Geheimdienst verfassten "Protokolle der Weisen von Zion", diente den Nazis
als "Bibel" für ihre mörderische Ideologie und wird heute von arabischen
Fernsehsendern verfilmt zum Ramadan propagiert.
Die Juden haben wegen des Holocaust ein Trauma erlitten. Ihr
Sicherheitsbedürfnis ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Israels
Reaktionen auf mörderische Rhetorik, auf Kriegsvorbereitungen oder auf eine
Bewaffnung mit Massenvernichtungswaffen wird oft als exzessiv und irrational
bezeichnet. Gleichwohl schüren die Feinde Israels bei jeder Gelegenheit
dieses Trauma. Der 6-Tage-Krieg 1967 brach aus, während Ägyptens Präsident
Gamal Abdul Nasser aufrief, die "Juden ins Meer" zu werfen. Iraks Saddam
Hussein wollte eine Atombombe produzieren, bis Menachem Begin den Befehl
gab, 1981 den Reaktor Osirak zu zerstören. 1990 drohte Saddam Hussein damit,
"halb Israel zu verbrennen". Er beschoss das am Irak-Krieg 1991 unbeteiligte
Israel mit Scudraketen. Aus Furcht vor biologischen oder chemischen Waffen,
die Irak in großen Mengen besaß, reagierte Israel passiv, indem es seiner
Bevölkerung fünf Millionen Gasmasken austeilte, ein weltweit einmaliger
Vorgang.
Während der Intifada, als palästinensische Extremisten willkürlich
israelische Zivilisten mit Selbstmordattentaten in Bussen und Restaurants
gezielt töteten, reagierte Israel mit "exzessiver Gewalt", gezielten
Tötungen der Drahtzieher, Absperrungen und einem Einmarsch in
palästinensische Städte. Doch das wichtigste Projekt zum Schutz der eigenen
Bevölkerung war die Errichtung des Sperrwalls, dem teuersten Bauprojekt der
Geschichte Israels. Auf Irans künftige Atombombe mitsamt Trägerraketen, die
bei Paraden in Teheran mit der Aufschrift "Tel Aviv" vorgeführt wurden,
reagiert Israel mit einem weiteren sündhaft teuren passiven Schutzmantel:
die Entwicklung der Arrow-Rakete zur Abwehr ballistischer Raketen mit oder
ohne Atomsprengkopf. Ein spekulierter "Präventivschlag" Israels gegen Iran,
trotz klarer Dementis breitgetreten, erweist sich nach Angaben befragter
Experten als wenig erfolgsversprechend, unwirksam und sogar gefährlich.
Israel besitzt zwar deutsche U-Boote, Marschflugkörper, bunkerbrechende
Bomben und Kampfflugzeuge.
Aber solange nicht alle geheimen Orte bekannt sind, wo Iran, tief in Berge
hinein vergraben, seine Plutonium-Fabriken versteckt hält, wäre der Schaden
größer als der Profit. Ministerpräsident Ariel Scharon erklärte, dass Israel
"nicht die Speerspitze" gegen Irans Atomgelüste bilde und Außenminister
Silvan Schalom erklärte, dass Israel auf die diplomatischen Bemühungen der
EU und der USA setze. © Ulrich W.
Sahm / haGalil.com
hagalil.com 16-12-2005 |