Insider-Tipps:
Tango Argentino im Gelobten Land
Von Debora Gutman / Fabian Pastorutti,
Jüdische Korrespondenz
12/2005
Leider ist das "Gelobte Land" nicht das Land der unlimited
possibilities – wäre Moses doch nach Amerika gewandert! 40 Jahre lief er mit
seinem Volk durch die Wüste und ich musste so alt werden, um zu entdecken,
dass man in Israel wunderbar Tango tanzen kann! Bereits in den 70iger Jahren
war der Tango in Israel sehr en vogue. Mit seinen
melancholisch-sehnsuchtsvollen Melodien ähnelt er der Klezmer-Musik und
passt sehr gut in das warme Mittelmeerland.
In
Tel-Aviv, Jerusalem und Haifa blühen passionierte kleine Tangogemeinden.
Etwa 300 Tänzer zählt das ganze Land. Jede Woche gibt es mindestens eine
große Milonga in Tel-Aviv und eine in Jerusalem. Tango-Performances erfreuen
sich großer Beliebtheit auf Hochzeiten und anderen Festlichkeiten.
Eine israelische Tangogruppe namens Pitango wirbt mit ihrem
Programm "Tango ohne Grenzen". Jeden ersten Freitag im Monat lädt die
Tanzschule Lidor in Ramat Hascharon zur "Bailonga" in die Kehilat Venezia
ein, der Eintritt kostet umgerechnet etwa 7 Euro. Von 22.30 Uhr bis ca. 3
Uhr wird hier auf Parkettfußboden nach klassischen und modernen Tangos
getanzt. Die Tanzschule befindet sich im Untergeschoss eines Gebäudes nahe
der Universität von Tel-Aviv. Durch einen Vorraum gelangt man in einen
geräumigen Tanzsaal mit einer großen Spiegelwand. Sitzgelegenheiten umrahmen
die Tanzfläche. Die Musik geht ohne Cortinas durch. Hier kennt jeder jeden.
Moshe z. B. betreibt zusammen mit seiner Frau eine Tanzschule
für Tango Argentino in Haifa und ist für die israelische Tango-Website
www.geocities.com/isratango
verantwortlich. Auch Chezi, der die Seite gebaut hat, ist mit seiner Frau
gekommen, Neta ist mit ihrem Mann aus Netania hergefahren. Neugierig und
freundlich werde ich gefragt, wo ich sonst tanzen würde und natürlich muss
ich das Ehepaar kennen lernen, das schon einmal in Berlin war und bei
Andreas von Zapatos de Baile Tanzschuhe gekauft hat. Eine andere Tänzerin,
die eine Tanzschule namens Querido in Tel-Aviv betreibt, berichtet mir mit
leuchtenden Augen von ihrer Berlin-Reise. Sie habe in 3 Tagen 27 Stunden
lang Tango getanzt und das Niveau der Tänzer sei so hoch.
Eine andere Milonga findet jeden dritten Freitag im Monat in
Lev Tel-Aviv statt, womit die Tel-Aviver Altstadt gemeint ist. Hier erwartet
mich ein ganz anderes Ambiente. Oberhalb eines eleganten Restaurants namens
Artischok befindet sich ein kleiner Saal mit dunklem Eichenparkett,
Lederbänken und elegantem schwarzen Tresen. Da in diesem Raum regelmäßig
Kunstausstellungen stattfinden, sind schöne Bilder an den Wänden. Der
Eintritt kostet ca. 8 Euro und die Milonga beginnt schon um 22 Uhr und geht
bis 4 Uhr früh. Der junge Fabian aus Bahia Bianca ist der Hausherr. Zusammen
mit seiner wesentlich älteren Partnerin Alicia betreibt er eine Tanzschule
in Rischon Lezion, wobei Alicia regelmäßig in Israel ist, während Fabian
zwischen Tel-Aviv und Buenos Aires pendelt. Fabian legt auf, nach strenger
argentinischer Manier, ausschließlich klassische Tangos, die jeweiligen
Tandas durch eine Cortina getrennt. Als willkommener Gast komme ich gleich
zu Beginn des Abends in den Genuss, mit Fabian zu tanzen. Manche der Tänzer
stellen mich anderen Tänzern vor, die mich dann wieder zum Tanzen einladen.
In Israel ist es absolut unüblich, dass auch die Frauen
auffordern. Die Tatsache, dass Frauen ihren Militärdienst absolvieren wie
die Männer, ändert nichts an der relativ konservativen Einstellung zu den
Geschlechterrollen. Da sind die Israelis möglicherweise nicht so sehr von
den Argentiniern verschieden.
Eine dritte Milonga wird von einer jungen Argentinierin
namens Silvia ausgerichtet, einmal im Monat in Tel-Aviv und jeden Donnerstag
in Jerusalem. Auch sie hat eine Tanzschule Lo de Silvia und wird vor allem
von ihren männlichen Schülern sehr bewundert. Ihre Tel-Aviver Milonga findet
im Bikurei Haitim statt, einem Veranstaltungsort, der den Charme unserer
Berliner Volks- und Musikschulen ausstrahlt. Am Eingang sitzt ein
gemütlicher Herr, der die Szene freundlich distanziert zu belächeln scheint
und nimmt gerne 5 Euro Eintritt entgegen. Hier befindet sich die bisher
größte Tanzfläche. Der Raum, in dem getanzt wird, ist so etwas wie eine
Schulaula ohne feste Bestuhlung und mit einer kleinen Bühne. Der Fußboden
ist mit Linoleum ausgelegt, geraucht wird nur im Vorraum, wo man an einem
Tresen auch verschiedenes Naschwerk und Getränke erstehen kann. Es gibt ein
paar Plastikstühle, eine mobile Anlage, die Silvia mitgebracht hat und ganz
wenig schummriges Licht. Silvia legt alles mögliche in loser Reihenfolge
auf, meistens aber klassischen Tango. Gleich drei Männer haben heute
Geburtstag und sie bekommen natürlich ihren Geburtstags-Vals, die große
Chance für die Frauen hier, einmal einen Mann aufzufordern.
Zwar sprechen die Menschen eine andere Sprache als wir
Europäer und die israelischen Schriftzeichen können so manchen zur
Verzweiflung treiben, draußen ist es brüllend heiß, drinnen bitterkalt
(wegen der allerorten installierten Klimaanlagen), getanzt aber wird nach
den uns Tangueros und Tangueras bestvertrauten Klängen und Mustern. Die
Kommunikation der Tanzenden funktioniert über alle Sprachgrenzen hinaus. |