Hitlergruß unerwünscht:
Kroatischer Kriegsverbrecher verhaftet
Von Boris Kanzleiter
Jungle World 50, 14.12.2005
Der Präsident des Zagreber Kriegsveteranenverbandes, Ivan
Pandza, hatte am Donnerstag voriger Woche einige Mühe. Einerseits soll die
Welt sehen, dass Kroatien wie ein Mann hinter dem einen Tag zuvor in Spanien
verhafteten mutmaßlichen Kriegsverbrecher General Ante Gotovina steht. Die
Veteranenverbände mobilisieren im ganzen Land zu Protestkundgebungen.
Andererseits sollen keine negativen Bilder produziert werden. "Lasst doch
den Hitlergruß", ermahnte Pandza Schüler, die mit erhobener rechter Hand
Parolen skandierten.
Kroatien erlebt einen Aufruhr wie schon lange nicht mehr. Allein auf der
zentralen Kundgebung in Split demonstrierten am Sonntag 100 000 Menschen.
Vier Jahre lang währte das Versteckspiel Gotovinas. Im Jahr 2001 hatte das
Den Haager Jugoslawientribunal den Militär wegen Kriegsverbrechen an
serbischen Zivilisten angeklagt. Gotovina tauchte in den Untergrund ab, und
je nachdrücklicher die Den Haager Chefanklägerin Carla del Ponte die
kroatische Regierung aufforderte, den General zu verhaften und auszuliefern,
desto mehr wurde der Vertraute des verstorbenen Staatsgründers Franjo
Tudjman in der Öffentlichkeit zum Helden.
In den vergangenen Monaten eskalierte der Konflikt. Im Frühjahr scheiterte
die Eröffnung von EU-Beitrittsgesprächen mit Kroatien wegen dem
Gotovina-Problem am Veto Großbritanniens. Durch die Intervention der
österreichischen Regierung, die den geplanten Türkei-Beitritt blockierte,
bis auch Kroatien grünes Licht bekam, wurden die Gespräche mit Zagreb in der
Zwischenzeit zwar doch begonnen. Aber del Pontes Behauptung, die kroatischen
Behörden und die katholische Kirche schützten den flüchtigen General, wurde
in dem kleinen Land zwischen Adria und Donau weiterhin mit Empörung
aufgenommen.
Für eine gewisse Genugtuung sorgt in Kroatien bei allem Protest in diesen
Tagen daher, dass Gotovina nicht in einem kroatischen Franziskanerkloster
verhaftet wurde, wo ihn unter anderen del Ponte vermutete, sondern in einem
Luxushotel auf der kanarischen Insel Teneriffa. Bei der Verhaftung soll
sogar der kroatische Geheimdienst geholfen haben. Eine spannende Frage wird
nun sein, wie lange und wer innerhalb der kroatischen Behörden, Armee und
Politik den General schützte.
Die Regierung von Premierminister Ivo Sanader – er gehört der
rechtskonservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) an – wird
in jedem Fall in eine schwierige Situation geraten. Das Problem ist
schlicht. Der Prozess gegen Gotovina und zwei andere hochrangige Militärs,
Ivan Cermak und Mladen Markac, verspricht endlich Aufklärung über die
Planung der Militäroperation "Oluja" (Sturm). Im Sommer 1995 wurden in einer
der größten "ethnischen Säuberungen" während der Jugoslawien-Kriege etwa 200
000 kroatische Serben aus dem Land vertrieben und mehrere hundert Zivilisten
ermordet. Gotovina war der Befehlshaber der Operation. Während "Oluja" in
der kroatischen Öffentlichkeit unter weitgehendem Verzicht auf kritische
Stimmen als Heldentat gefeiert wird, mehren sich die Indizien, dass die
Staatsführung um Franjo Tudjman, den damaligen HDZ-Vorsitzenden, ganz
bewusst die Vertreibung von serbischen Zivilisten beabsichtigte. Könnte dies
im Prozess bewiesen werden, würde der Mythos vom "Verteidigungskrieg", den
das unabhängige Kroatien gegen eine "großserbische Aggression" führte,
erheblich angekratzt.
Der Gotovina-Kult wird so auch in Zukunft weitergeführt werden. Und zwar von
höchster Stelle. Premierminister Sanader kündigte bereits an, nun alles
daran zu setzen, in Den Haag zu beweisen, dass die Operation "Oluja" kein
Kriegsverbrechen gewesen sei.
hagalil.com
16-12-2005 |