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Haifas "Fest der Feste":
Wo Alle Weihnachten feiern

Von Ulrich W. Sahm, Haifa

"Weihnachten ist doch längst ein universales Fest für alle", sagt George, der christlich arabische Verkäufer von Weihnachtskitsch in Wadi Nisnas in Haifa. Für russische Juden hält er Plastik-Weihnachtsbäume für weniger als 2 Euro feil, mit Ständer als Tischdekoration. Die unterschiedlichen Blinklichtketten "Made in China" sind relativ preiswert. 33 Schekel, etwa 7 Euro, will er für die einfache Version. Etwas teurer sind Blinklichter mit Stern oder leuchtende Schläuche. "Ich habe jüdische, christliche und muslimische Kunden", sagt George. Er wundert sich über die Frage, ob denn nur Christen seine Weihnachtsmänner aus Schokolade oder die Kugeln für den Weihnachtsbaum kaufen. "Hier in Haifa feiern alle mit. Und wer nicht an Weihnachten teilnimmt, muss doch Geschenke für die Nachbarn kaufen."

Haifa ist die "langweiligste Stadt Israels", sagt selbst Bürgermeister Jona Jahav. "Wir leben in einer Stadt ohne Geschichte und deshalb funktioniert hier alles ganz normal", sagt Jahav in der Suite auf der 10. Etage des Dan Panorama Hotels, wohin nur "exquisite Gäste" eingeladen werden, um den Blick auf eine der schönsten und gleichwohl unbekanntesten Städte Israels zu werfen. Tourismusexperte Mosche Zur bringt die Qualität Haifas auf den Punkt: "Weder Moses, noch Jesus, noch Mohammad waren hier." Frei von heiligen Stätten fühlt sich Haifa frei, auf Völkerverständigung zu setzen. "Mein Stellvertreter ist ein Araber", sagt Jona Jahav, nachdem er Haifas ersten Bürgermeister dafür gelobt hat, schon in den zwanziger Jahren die damals noch winzige jüdische Gemeinschaft an der Stadtverwaltung beteiligt zu haben. Heute sind ein Zehntel der Einwohner der Hafenstadt Araber, halb christlich und halb muslimisch. Anders als in anderen gemischten Städten leben in Haifa Araber und Juden Tür an Tür im gleichen Haus. In Haifa endeten einst die Ölpipeline von Irak und die Hedschas-Eisenbahn. "Haifas Hauptstraße trägt den Namen des ersten arabischen Bürgermeisters und Haifas wichtigste Kirche steht ausgerechnet in der Zionismusstrasse", sagt Jahav.

Es sei kein Zufall, dass in Haifa am Kulturzentrum ein Kunstwerk mit Kreuz, Halbmond und Davidstern stehe. Und in Wadi Nisnas wird einen Monat lang bis Heilig Abend mit einem großen Basar jedes Fest gefeiert, das gerade in die Zeit fällt: der muslimische Ramadan, das jüdische Hannuka und das christliche Weihnachten. Vierzigtausend Menschen kamen zur Einweihungsfeier des "Fests der Feste". Die belgische Kulturministerin Fadila wurde nur mit ihrem marokkanischen Vornamen angesprochen. "Ich habe mich schnell in Ihre Stadt verliebt," sagte die junge Frau. "Haifa gibt mir die Hoffnung, dass ein Frieden unter den Menschen doch möglich ist." Vor dem Publikum, das ein Kauderwelsch von arabisch, hebräisch und anderen Sprachen sprach, sang erst der Sohn eines bekannten israelischen Sängers, gefolgt von einem arabischen Popstar nach der Einlage von Jazzmusikanten. Nichts klang hier fremd. Die Menschen applaudierten allen Halbtönen.

Bürgermeister Jahav ist zufrieden mit der Stimmung in seiner Stadt. Weil Araber in ihr leben, dürfen am Sabbat Busse fahren. Geladene Journalisten werden nicht in koschere Restaurants geführt. Vielmehr werden im Schatten eines überdimensionalen Weihnachtsmannes unkoschere Schrimps und Kalamari serviert, wo einst die deutschen Templer aus Würtemberg ihre "deutsche Kolonie" mit ziegelüberdachten Häusern errichtet hatten. Die Bundesrepublik finanzierte kürzlich eine Renovierung der Fassaden dieser "deutschen Kolonie" von 1868.

Zum Pflichtprogramm gehören die Bahai. Mit hängenden Gärten und einem goldenen Mausoleum für ihren Religionsgründer Baha Ula haben sie ein Denkmal gesetzt, das zu den "Weltwundern" der Neuzeit zählt. Über hundert Gärtner pflegen eine ästhetische Anlage, die weltweit ihresgleichen sucht. Wie die Bahai pflegen auch die Ahmedianer eine "Friedensreligion". Beide "Sekten" spalteten sich aus dem Islam ab, verkünden eine Botschaft der "Gleichheit der Menschen". In Haifa können sie sich entfalten. Im Iran und in arabischen Ländern werden diese Sekten verfolgt. "Haifa existiert im Untergrund, weil kein herrschendes Regime in Israel oder in der arabischen Welt dieses tolerante Nebeneinander wahrnehmen will", meint Sami Michael, führender Schriftsteller Israels, im Irak geboren, "zuerst Jude, dann israelischer Patriot und zuletzt in der arabisch-irakischen Kultur verwurzelt". Alle seine Bücher wurden ins Deutsche übersetzt.

In Wadi Nisnas herrscht Hochstimmung. Das "Fest der Feste" wird von allen mitgefeiert. Der Höhepunkt der Einweihungsfeier ist die Parade griechisch-orthodoxer Pfadfinder. Mit Trommeln, Dudelsäcken und Flaggen ziehen sie durch die Stadt. Niemand stört sich an dem Schlips mit dem Weihnachtsmann auf dem überdimensionalen Bauch des "Chefs" der Scouts, der die Parade anführt. Auf seinem Megafon steht "Santa Nicolaus". Anders als in Akko, nur 15 Autominuten von Haifa entfernt, Tel Aviv-Jaffo oder gar Jerusalem funktioniert in Haifa das friedliche Zusammenleben der drei zerstrittenen Religionen. "Wir sind eine Stadt ohne Geschichte. Vielleicht ist das das Geheimnis", spekuliert Bürgermeister Jahav und erzählt vom Mut seines Vorgängers Amram Mitzna, wie Jahav ebenfalls deutscher Abstammung. "Als die Intifada ausbrach, stellte sich Mitzna mitten in die arabischen Viertel, ohne Polizeischutz. Er sagte nichts, sondern stand nur da. Jene, die einen Aufstand veranstalten wollten, verschwanden stillschweigend." Und als es zu schweren Anschlägen auch in Haifa kam, gegen Busse und das jüdisch-arabische Restaurant Maxim, "versuchten die Terroristen, das arabisch-jüdische Geflecht zu entzweien". Jahav sagt: "Es gelang ihnen nicht. Unter den Opfern waren Juden wie Araber. Die Anschläge haben die Menschen in Haifa zusammenzementiert."

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
Fotos ©: haGalil.com

hagalil.com 09-12-2005

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