"Die Blumen aus Galiläa":
Reaktion auf ein antisemitisches Buch in Österreich und in
FrankreichVon Karl Pfeifer
Seit dem Frühjahr 2005 ist es in Wien bekannt, dass
Fritz Edlinger, ehemaliger Vertreter der SPÖ beim Nahostkomitee der
Sozialistischen Internationale, im von Hannes Hofbauer geleiteten linken
Wiener Promedia-Verlag Israel Shamirs Buch "Die Blumen aus Galiläa"
herausgegeben hat. Obwohl das Buch eindeutig antisemitisch ist, hat dies –
mit der rühmlichen Ausnahme von "News" – bei den österreichischen mainstream
Medien keinerlei Reaktion ausgelöst. Im September 2005 konnte Israel Shamir
sogar in "Kulturzeit" des Fernsehsenders 3sat auftreten.
Österreichische Politiker behaupten immer wieder, dass die
österreichischen Gesetze antisemitische Hetze unter strenger Strafe stellen,
doch bislang ist nicht bekannt, dass die österreichische Justiz dieses Buch
überprüft hätte.
Ganz anders reagierte die französische Justiz auf die
französische Ausgabe dieses Buches. Das "14e chambre du Tribunal de grande
instance" in Nanterre bei Paris hat am 2. November 2005 den Direktor des Al
Qalam Verlags zu einer dreimonatigen bedingten Haftstrafe und einer
Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt, weil er das antisemitische Buch "Das
andere Gesicht Israels" von Israel Shamir herausgegeben hat, dessen Verkauf
gleichfalls vom Gericht verboten wurde.
Das Gericht hat Abdelila Cherifi Alaoui, den Direktor des
Al Qalam Verlags "wegen Aufwiegelung zur Diskriminierung und Aufruf zum Hass
und zur Gewalt" wegen der Zugehörigkeit zu einer Religion verurteilt.
Außer der bedingten dreimonatigen Haftstrafe und einer
Geldstrafe von 10.000 Euro muss Al Qalam 12.000 Euro Entschädigung und 1.500
Euro Gerichtskosten an den Privatkläger, Internationale Liga gegen Rassismus
und Antisemitismus (LICRA) bezahlen.
Dem Verleger wurde auferlegt binnen 30 Tagen das Buch aus
dem Verkauf zu ziehen, mit der Drohung für jedes Exemplar, dass nach Ablauf
dieser Frist gefunden wird, 100 Euro zu bezahlen.
Das Gericht hat sein Urteil damit begründet, dass der
Ausdruck "Juden" im Buch immer im Plural konjugiert wird, und so "die Juden"
als "Beherrscher der Welt" gezeigt werden, all dies im Rahmen eines "Dritten
Weltkriegs", der laut dem Verfasser im Gang ist.
"Der Autor ist mit dem ältesten antisemitischen Werk"
verbunden, in dem er in seinem Buch aus den "Protokollen der Weisen Zions"
zitiert, meinte das Gericht.
Die Protokolle wurden am Beginn des 20. Jahrhunderts in
Russland in Millionen Exemplaren verbreitet, und zwar wurde im Dienste der
zaristischen Reaktion eine zionistische Verschwörung behauptet, dass Juden
um ihren Hass zu befriedigen, die christliche Zivilisation vernichten
wollen, um die Welt zu beherrschen.
Bereits 1921 wurden die Protokolle als Fälschung des
zaristischen Geheimdienstes entlarvt. Die Nazis haben dieses Buch ebenfalls
in Millionen Exemplaren verbreitet.
In seinem Buch "Das andere Gesicht Israels" schrieb Israel
Shamir auf Seite 282: "Man muss die Protokolle als ein politisches Pamphlet
beachten."
In der Pariser Zeitschrift L’Arche (10/05) beschreibt
Michel Derczansky den Verlauf der Gerichtssitzung am 6. September. LICRA
wurde von Marc Lévy vertreten und Al Qalam, der Verlag, der Israels Shamirs
Buch herausgab, von Éric Delcroix, ehemaliger Abgeordneter der
rechtsextremistischen Front national und Verteidiger von Holocaustleugnern,
deren Ansichten er teilt. Im Gerichtssaal sitzen militante Rechtsextremisten
neben militanten Linksradikalen. Dort werden einige arge Zitate vorgelesen,
die auch im deutschsprachigen Buch "Blumen aus Galiläa" enthalten sind. So
schreibt Schamir [1]:
"Scheinbar sind "die Juden" (im Gegensatz zu "Juden") in
einem gemeinsamen Willen, einem einzigen Zweck und einem Machtgefühl
vereint. Der Rausch von Macht und Einigkeit hat diese vorsichtigen Menschen
dazu verleitet, ihre Masken fallen zu lassen und aufzuhören, anderen etwas
vorzumachen. Diese neue Offenheit gewährt uns eine nie da gewesene Einsicht
in die Seele der Juden und die ihrer mammonitischen Unterstützer." (Blumen
aus Galiläa, Seite 151)
Der Senatspräsident fragt Abdelila Cherifi Alaoui, ob denn
das von ihm publizierte Buch nicht Leser zu Aktionen führen könnte, um diese
angebliche jüdische Herrschaft abzuschütteln. Seine Antwort ist kurz und
eindeutig: "Wenn ich auch nicht alles teile, was der Autor denkt, glaube
ich, befinden wir uns in einem freien Land in dem alle Ideen ausgedrückt
werden dürfen. Die Behauptungen im Buch greifen nicht die Juden an, nur
diejenigen welche die Welt beherrschen wollen."
Eric Delcroix nimmt Zuflucht zu einer Strategie, die
üblich ist bei Verleumdungsverfahren, er behauptet, dass die Behauptungen
Shamirs wahr seien, d.h. im Fall einer Beschuldigung Aufruf zum Rassenhass,
dass Rassismus gerechtfertigt sei. Doch Delcroix begnügt sich nicht damit,
er ruft sozusagen Karl Marx und den jüdischen Schriftsteller Éduard Valdman
in den Zeugenstand, um zu beweisen, dass "die Jagd nach Geld" ein vom
Judentum eingeführtes "Paradigma" sei. Die Zitate von Éduard Valdman sind
von Anwalt Delcroix aus dem Kontext gehoben und sinnwidrig.
Doch sein Zitat von Karl Marx ist echt: "Welches war an
und sich die Grundlage der jüdischen Religion? Das praktische Bedürfnis, der
Egoismus... Das Geld ist der eifrige Gott Israels, vor welchem kein anderer
Gott bestehen darf." (MEGA, Dietz Verlag, Berlin 1978, Zur Judenfrage, Seite
374)
Der Antisemitismus von Marx wird also von einem notorisch
rechtsextremistischen Rechtsanwalt benützt, um einen antisemitischen Diskurs
im 21. Jahrhundert zu rechtfertigen. Delcroix unterstreicht, dass "Israel
Shamir den Sinn, den Wert und die Wirkung der berühmten Protokolle der
Weisen Zions untersucht, in denen er wie Solschenizyn einen prophetischen
Roman sieht, der schildert was aus dem Westen in einem späteren Jahrzehnt
wird, in der Manier des berühmten 1984 von George Orwell."
Und Delcroix setzt fort: "Die Behauptungen des Herrn
Shamir beschuldigen die Juden nicht wegen ihrer Religion, sondern wegen dem
Fakt, dass sie sehr oft, unter ihrer individuellen Verantwortung an
abscheulichen "Ideen" festhalten und diese verbreiten.
Erstaunlich war es, im Internet zu lesen, wie der
"Antizionismus" der Rechtsextremisten und der Linksradikalen übereinstimmen,
man konnte gleichzeitig die selben Unterstützungserklärungen auf den
Homepage der "altermondialisten" (Bellaciao, Altermonde, Oulala...), der
islamistischen oder arabisch nationalistischen (Arabesques, Nawaat,
Quibla...) und auf den rechtsextremistischen Homepages (Géostrategie, Voxnr.
Altermedia...) sowie auf der Homepage von Dieudonné (LesOgres) lesen. Einer
der eifrigsten Anhänger von Israel Shamir ist Christian Bouchet, Betreiber
der "nationalistisch-revolutionären" Homepage Voxnr. Am 3. September 2005
hat er in einem Leitartikel ein begeistertes Lob dem Buch von Israel Shamir
gespendet: "Ich schlage meinen Pariser Lesern vor, ihre Sympathie und ihre
Unterstützung für den Verlag Al Qalam (la Librarie du Monde Arabe, 220 rue
Saint Jacques, Paris) durch einen Besuch und einen kleinen Einkauf zu
demonstrieren."
Auf der Homepage von Israel Shamir berichtet Maria
Poumier, Aktivistin einer "rot-braunen" Gruppe, und Weggenossin von
Holocaustleugnern über den Prozess. Und man kann auch seine
Unterstützungserklärung beim tunesischen Oppositionellen Mondher Sfar,
Veteran des Antisemitismus, der bereits während der 90er Jahre Artikel gegen
"den Zionismus" in holocaustleugnenden Medien publizierte, deponieren.
Es lohnt sich auch mit Israel Shamir, dem angeblichen
"Freund der Palästinenser" und echten Antisemiten auseinander zusetzen, der
anlässlich der Teilnahme von Le Pen beim zweiten Wahlgang zum Präsidenten
der Französischen Republik jubelte, dies "bedeutet, das Anfang vom Ende des
jüdischen Aufstiegs nach dem Krieg".
Dieser Mensch existiert tatsächlich, er behauptet ein
israelischer Journalist russischer Abstammung zu sein und nennt sich Israel
Adam Shamir. Er hat am 29. Oktober, ein paar Tage bevor sein Herausgeber
wegen Aufruf zum Rassenhass verurteilt wurde, in Paris einen Vortrag
gehalten. Veranstalter war der holocaustleugnende Mondher Sfar und die
islamistische www.quibla.net, die eine Rubrik unter dem Titel "Die
Protokolle der Verrückten Zions" führt.
In Frankreich, aber auch in Österreich haben sich
Antizionisten kritisch mit den antisemitischen Umtrieben von Israel Shamir
auseinandergesetzt. Tatsächlich muss man fragen, wieso die palästinensische
Politikerin Hanan Ashrawi mit dem "Juden" Israel Shamir im Vorstand von Deir
Yassin remembered sitzt, der sein Buch in einem Verlag drucken lässt, dessen
Anwalt Eric Delcroix ehemaliger Abgeordneter der Front National ist, der
wegen Holocaustleugnung verurteilt wurde.
Als Shamir in Frankreich 2003 sein "L’autre visage
d’Israel" publizierte, brach – im Gegenteil zu Österreich wo Antisemitismus
und sei es in krudester Form toleriert wird – sofort ein Sturm der
Entrüstung aus, der niemand überraschte, denn das Buch ist derartig voll von
antisemitischen Ausdrücken, die von einem Propagandisten der jüdischen
Weltverschwörung kommen und auch alte christliche Stereotypen wie Gottesmord
und Ritualmord beinhalten. Das Buch wurde von édition Balland zurückgezogen.
Doch der Autor verteidigt sich mit einem Lebenslauf, der
unangreifbar scheint: geboren 1950 erklärt Shamir 1969 in Israel angekommen
zu sein, dass er während des Jom Kippur Krieges Fallschirmjäger war, dann
Journalist bei den bedeutenden linken israelischen Tageszeitungen, dass er
in Jaffa lebt.
Doch 2004 entlarven die antifaschistischen Zeitschriften
Searchlight in London, Expo in Schweden und Monitor in Norwegen, dass es
sich um einen Russen handelt, der in Novosibirsk geboren wurde und dessen
jüdische Abstammung nicht sicher sei und dass er selbst erklärt zur
russisch-orthodoxen Religion konvertiert zu sein. Er ist ein Mann, der sich
hinter mehreren Identitäten und mehreren Wohnorten versteckt.
Shamir hat tatsächlich Russland 1969 in Richtung Israel
verlassen. Einiges spricht dafür, dass er ein sowjetischer Agent war, dessen
Aufgabe es war die russisch-jüdischen Kreise im jüdischen Staat zu
infiltrieren. Diejenigen, die ihn damals kannten bestätigen, dass er bereits
bei seiner Ankunft Hebräisch, wie jemand sprach, der dies an einer
Universität erlernt hat. Etwas was kein Refusnik (Juden, denen die Ausreise
zeitweilig aus der UdSSR nicht gestattet wurde K.P.) von denen keiner sich
an ihn erinnert, die Möglichkeit hatte zu tun.
1988 fuhr Shamir aus Israel nach Russland zurück. Nach
seiner Version um besser über den Verlauf der ersten Intifada zu berichten,
aber vielleicht auch weil die Perestroika seine Mission überflüssig machte
und er bevorzugte "in die Heimat zurückzukehren". Diese Annahme wird dadurch
gestützt, dass er in der Prawda und vor allem in der Wochenzeitung Zavtra
publiziert, dem rot-braunen Organ, dass auch die Werbung des neonazistischen
Holocaustleugners Ernst Zündel bringt. 1993 behauptet Shamir Russland wieder
in Richtung Israel verlassen zu haben. Dieses Datum ist gleich mit dem
verhinderten Putsch gegen Boris Jeltsin, der ein neues Fiasko seiner
ideologischen Freunde markiert. Doch und das ist das unglaubliche hatte
Shamir bereits vorher eine andere Adresse: in Schweden. Denn wie Expo und
Monitor gezeigt haben, scheint Shamir bereits seit 1984 in den schwedischen
Meldedateien mit einer Adresse in Stockholm auf, wo seine erste Frau und
seine Kinder bis heute leben. 2001 änderte er seinen Namen in Jöran Jermas
und erwarb die schwedische Staatsbürgerschaft. Übrigens hat im April 2005
der propalästinensische britische Aktivist Manfred Ropschitz auf
indymedia.uk die Kopie des schwedischen Passports von Jermas-Shamir
veröffentlicht.
Jermas-Shamir besuchte im Juni 2005 in Kiew eine Konferenz
von "L’Académie interrégionale de management du personel (MAUP), einer
Privatuniversität, die ein Zentrum der antisemitischen Agitation in der
Ukraine ist. Thema der Konferenz war "Der Zionismus, die wichtigste
Bedrohung der modernen Zivilisation". Shamir sprach dort neben Serge Thion,
der wegen Holocaustleugnung aus dem CNRS, der französischen Akademie der
Wissenschaften ausgeschlossen wurde, und neben David Duke, weißer Rassist
aus den USA, ehemaliger Ku Klux Klan Leiter.
Jermas-Shamir bezieht sich mehrmals auf seiner Homepage
positiv auf den verstorbenen Anführer der "National Alliance", William
Pierce. Dessen Kameraden würden in ihrem gewalttätigen Rassismus zwar offen
übers Ziel schießen, aber sie seien "zur richtigen Schlussfolgerung
gekommen: Amerika sollte nicht den Willen der Zionisten erfüllen und für sie
im Dritten Weltkrieg kämpfen."
Die Frage ob Verleger und Herausgeber in Österreich
wussten, was sie taten, beantwortete letzterer im Interview mit dem
deutschen Internetportal Muslim-Markt: Fritz Edlinger bestätigte dort Mitte
September, dass er Jermas "seit langem aus seinen Schriften und
Veröffentlichungen" kenne. Vorn daher kann ihm auch Jermas’ programmatischer
Text "Pardes. Eine Studie der Kabbala" wohl nicht entgangen sein. Dort nennt
der von Edlinger so geschätzte Hetzer Jermas-Shamir Otto Weininger und den
NS-Vordenker Dietrich Eckart als Vorbilder. Kritisch äußert sich Jermas über
Hitler, weil es dieser trotz "seiner Bewunderung für Weininger und seiner
Liebe zu Eckart" vorgezogen habe, "anstatt gegen die jüdische Haltung zu
kämpfen, dieselbe zu imitieren und 'sein eigenes Volk', die 'Deutschen' zum
auserwählten Volk zu erklären." Und derjenige, der solches von sich gibt,
wird von Edlinger als "Linke[r] und radikale[r] Demokrat hofiert und als
Opfer einer "hysterische(n) Kampagne" in Schutz genommen.
Zu Israel Shamirs "Blumen aus Galiläa":
Linke Antisemiten gibt es nicht?
Hier Zitate mit
Seitenangabe aus dem von Fritz Edlinger herausgegebenen und von Hannes
Hofbauer verlegten Buches "Blumen aus Galilä", dessen Autor der schwedische
antisemitische Jöran Jermas ist, der sich hinter dem Namen Israel Shamir
versteckt...
[1] «Maintenant il semble que les Juifs (en tant que
groupe distinct des non-Juifs) soient unis par une volonté commune, un
objectif unique et un sentiment de puissance. L’intoxication par le pouvoir
et l’unité a amené ces gens cauteleux à laisser tomber le masque, à renoncer
aux faux-semblants. La nouvelle ouverture nous fournit un aperçu sans
précédent de l’âme des Juifs et de leurs supporters mammonites.» |