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Amir Peretz und die Arbeitspartei:
Ein großes Wunder

Von Uri Avnery

Nordafrikanische Immigranten an der Peripherie französischer Städte setzen diese in Brand.
Nordafrikanische Immigranten an der Peripherie Israels führten in dieser Woche eine demokratische Revolution in unserm Land durch.

In den Vorwahlen der Laborpartei stimmten die Mitglieder „orientalischer“ Herkunft massiv für Amir Peretz und brachten Shimon Peres eine Niederlage bei, der sich der Unterstützung der meist aschkenasischen Oberschicht erfreute.

Vor einer Woche rief ich die Wähler der Laborpartei auf, Peretz zu wählen. „Haaretz“ veröffentlichte diesen Artikel am Wahltag. Falls ich auch nur eine Person davon überzeugt haben sollte, die Wahlstimme zu ändern, wäre ich froh. Weil die Wahl von Peretz – meiner Ansicht nach – ein Ereignis ist, das weit über Parteiangelegenheiten hinausgeht. Es könnte die Zukunft des Landes ändern.

(„Östlich“ (Misrachi) oder "orientalisch" ist jetzt die allgemein akzeptierte Bezeichnung von Juden und ihren Nachkommen, die aus arabischen oder anderen muslimischen Ländern einwanderten und die irrtümlicherweise, Sephardim (aus Spanien) genannt wurden. „Aschkenasim“ sind die Einwanderer und ihre Nachkommen aus europäischen Ländern – benannt nach der mittelalterlich jiddisch-hebräischen Bezeichnung für Deutschland Aschkenas.)


Ich erinnere mich an eine Debatte, die einige Zeit nach dem Libanonkrieg 1982 stattfand. Ein paar Dutzend Veteranen des radikalen israelischen Friedenslagers hatte sich auf dem Dach eines Tel Aviver Hauses versammelt und die Möglichkeit diskutiert, eine neue Friedenspartei zu gründen, nachdem sich die Scheli-Partei, die ich eine Zeitlang in der Knesset vertrat,) aufgelöst hatte.
Ich sagte, es werde uns nicht gelingen, einen wirklichen Wechsel zu bewirken, solange wir nicht die „orientalisch“ jüdische Öffentlichkeit erreichen würden. In dieser Gemeinschaft sieht das Friedenslager, das zur oberen sozio-ökonomischen Schicht gehört, wie eine aschkenasische Angelegenheit aus. In unseren Demonstrationen könne man kaum ein „orientalisches“ Gesicht sehen. Es werde uns nicht gelingen, die Hälfte der israelischen Bevölkerung zu erreichen. So lange diese Situation bestehe, kann es keinen Frieden geben.

Seitdem sind 23 Jahre vergangen, und die Situation hat sich nicht verändert. Die Massen des „orientalischen“ Volksteils haben die ganze israelische „Linke“ boykottiert. Sie können besonders die Laborpartei nicht ausstehen, die in ihren Augen all die schlimmen Dinge vertritt: die Diskriminierung der Städte und Stadtteile, in denen der „orientalische“ Volksteil besonders stark vertreten ist, die Geringschätzung der sozialen Werte, die Unterstützung einer Wirtschaftspolitik, die die Reichen immer reicher macht. Sie haben eine besondere Verachtung für „ethnische Politiker“, und sehen sie als Mietlinge der aschkenasischen Führung an.

Das Friedenslager wird mit der „Linken“ identifiziert. Wenn sich einmal im Jahr Hunderttausende auf Tel Avivs Rabin-Platz versammeln – wie heute Abend – um des ermordeten Yitzhak Rabin zu gedenken, glänzen die „Orientalen“ durch ihre Abwesenheit (abgesehen von Mitgliedern linker Jugendorganisationen). Oft gehörte Argumente sind: „Ihr kümmert euch mehr um die Araber als um uns“ oder „Ramallah ist für euch wichtiger als Ramleh“ ( Ramleh ist eine israelische Stadt, die vor allem von nordafrikanischen Einwanderern bevölkert ist.) Die ganze Idee des Friedens wird irgendwie als elitäre aschkenasische Sache betrachtet, die nicht die Bewohner der Ortschaften, in denen vor allem „Orientalische“ wohnen, betrifft.
Es gibt verschiedene Gründe für den tiefsitzenden Hass vieler „Misrachim“ sogar der zweiten und dritten Generation gegenüber der Laborpartei. Einer dieser Gründe ist das Gefühl, dass die nordafrikanischen Einwanderer in den Fünfzigerjahren in Israel vom Establishment, das damals ganz zur Laborpartei gehörte, mit Verachtung empfangen wurden. Von den Einwanderern wurde verlangt, dass sie im israelischen „Schmelztiegel“, der ein westlich säkulares Muster schuf, ihr kulturelles Erbe und ihre Traditionen aufgeben sollten.

Von Generation zu Generation wurde eine (wahre) Geschichte weitergegeben: marokkanische Immigranten wurden an einen Ort mitten in der Wüste gefahren und ihnen wurde gesagt, sie sollen hier nun selbst eine Stadt aufbauen. Als sie sich weigerten, den LKW zu verlassen, wurde die Hydraulik der Ladefläche in Gang gesetzt und sie wurden buchstäblich „ausgeschüttet“, als ob es sich um eine Ladung Sand handeln würde. Die Immigranten fühlten sich auch gedemütigt, als ihnen bei der Ankunft im Land die Haare mit DDT besprüht wurden. Natürlich geschah dies auch gegenüber den Einwanderern aus europäischen Flüchtlingslagern, aber im Gedächtnis der eingewanderten Orientalen hat diese Demütigung eine tiefe Narbe hinterlassen.

Die „Orientalischen“ der 2. und 3. Generation sind davon überzeugt, dass die „Linke“ eine für sich geschlossene Welt geschaffen hatte, deren Tore für sie geschlossen sind. Das Gefühl verschwand auch nicht, als einzelne hohe Positionen erreichten, ins Büro des Staatspräsidenten kamen, Kabinettminister, Professoren und erfolgreiche Unternehmer wurden. Statistiken zeigen, dass die meisten der orientalischen Juden in den unteren sozio-ökonomischen Schichten gefunden werden, dass viele von ihnen unter der Armutsgrenze leben und dass sie in den Gefängnissen übermäßig vertreten sind. Deshalb stimmten sie „en masse“ für den Likud, der auch lange Zeit außerhalb des Establishments war. Sogar heute noch wird der Likud als eine Oppositionspartei angesehen – trotz der Tatsache, dass er schon eine geraume Zeit an der Macht gewesen ist.


Da gibt es natürlich noch tiefere Gründe für die Spannung zwischen dem „orientalischen“ Volksteil und dem Friedenslager. Die meisten Immigranten aus den arabischen Ländern kamen nicht als Araberhasser hierher – dazu wurden sie erst hier.

Es ist in vielen Ländern ein wohlbekanntes Phänomen: aus der diskriminiertesten Klasse einer herrschenden Nation kommen im allgemeinen die radikalsten Feinde der nationalen Minderheiten und Ausländer. Die Getretenen treten auf die unter ihnen. Nachdem sie ihrer Selbstachtung beraubt wurden, können sie etwas Selbstachtung nur dadurch wieder gewinnen, dass sie sich einer „überlegenen Art“ zugehörig erachten. So wie die armen Weißen in den USA. Dasselbe geschieht in Frankreich.
Außerdem verachtet die aschkenasisch herrschende Klasse offen die arabischen Manieren, Sprache und Musik, die die „orientalischen“ Immigranten mit sich brachten. Die offen rassistische Haltung gegenüber den Arabern wurde zu einer verdeckten rassistischen Haltung gegenüber den aus arabischen Ländern immigrierten Juden. Diese reagieren ihrerseits defensiv, indem sie nun eine extrem anti-arabische Haltung einnehmen.


Bei der Diskussion vor 23 Jahren sagte ich, keiner von uns Aschkenasim könne die notwendige Änderung hervorrufen. Nur ein authentisch „orientalischer“ Führer kann im „orientalischen“ Volksteil mit einem neuen Geist durchdringen. Er kann sie daran erinnern, dass seit 1400 Jahren, während die europäischen Juden Pogrome, die Inquisition und den Holocaust erlebten, die Juden in muslimischen Ländern nicht verfolgt wurden, ja, für lange Perioden in Spanien und anderswo als Partner in einer wunderbaren muslimisch-jüdischen Symbiose lebten. Solch ein Führer kann seiner Gemeinde den Stolz ihrer Vergangenheit zurückgeben und den Ehrgeiz, ihre natürliche Mission als Brücke zwischen den beiden Völkern auszuüben. (wie z.B. Tali Fahima ER)

Das ist in den vergangenen Jahren nicht passiert. Es könnte jetzt geschehen.

Die Wahl von Amir Peretz verändert die politische Szene vollkommen. Das erste Mal steht der Laborpartei ein echter Vertreter der nordafrikanischen Gemeinde vor – kein „ethnischer“ Politiker, sondern ein nationaler Führer, der stolz auf seine Wurzeln ist. Und tatsächlich verkündete er vor der Wahl: „Das erste, was ich, wenn ich gewählt werde, tun will, ist, dem „ethnischen Dämon“ Sterbehilfe zukommen zu lassen.“

Es ist das erste Mal seit 1974, dass die Arbeitspartei von einer Person angeführt wird, die nicht in der Armee oder im Verteidigungsestablishment Karriere gemacht hat, sondern als Hauptagenda die Sozialökonomie angibt. Er wird der anormalen Situation ein Ende setzen, die in Israel eine lange Zeit bestanden hat, als die Führer der „Linken“ eine extrem rechte Wirtschaftspolitik unterstützten. Er kann die Situation beenden , dass zusammen mit massiven Investitionen in die Siedlungen, ein riesiges Verteidigungsbudget die notwendigen Ressourcen verschlingt, um die Kluft zwischen den Reichen und den Armen zu verringern – eine Kluft , die in Israel weiter ist als in jedem anderen entwickelten Land.


Seit Beginn seiner Karriere ist Peretz niemals von seiner konsequenten Unterstützung des israelisch-palästinensischen Friedens abgewichen. Seine soziale Botschaft ist mit der Friedensbotschaft verknüpft, so wie es sein sollte.


Doch gibt es noch keinen Grund, auf der Straße vor Freude zu tanzen. Wir können noch enttäuscht werden. Peretz sieht sich einer beängstigenden Reihe von Aufgaben gegenüber: die Partei zu einigen, das Pereserbe zu beseitigen, der Partei neues Blut zuzuführen, die nächsten allgemeinen Wahlen zu gewinnen, Ministerpräsident zu werden, eine soziale Änderung in Gang zu bringen, Frieden zu machen. Er muss sich nun selbst in all dem beweisen - in einer Phase nach der anderen.

Aber es gibt Raum für Optimismus. Die verfestigten Fronten zwischen den Parteien sind aufgebrochen. Es ist der Beginn einer „Peretz-troika“. Ganze Gemeinden können nun ihre Loyalität verändern. Eine neue politische Szene kann geschaffen werden – eine die viel mehr zum Frieden-machen geeignet ist.


In Frankreich gehen die nordafrikanischen Vorstädte in Flammen auf. In unserm Land ist ein Mitglied der diskriminierten nordafrikanischen Gemeinde ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten geworden. Sechs Wochen vor Chanukka, dem jüdischen Fest mit dem uralten Wort: „Ein großes Wunder ist hier geschehen“, haben wir einigen Grund, um froh zu sein.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)

hagalil.com 14-11-2005

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