
Im Club der Renegaten:
Wegschauen geht nicht
25 Prozent mehr Neonazis haben die
Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt
Andreas Speit beobachtet den rechten Rand.
Kontinuierlich.
Drei ältere engagierte Herren, eine neue
politische Orientierung. Von links nach rechts haben sich Bernd
Rabehl, Reinhold Oberlercher und Horst Mahler bewegt. Im Norden der
Republik treten die einstigen APO-Aktivisten als Referenten der
"nationalen Opposition" auf. Nachdem zuerst Oberlercher, dann Mahler
und später Rabehl in der Studentenbewegung "nationalrevolutionäre"
Ideen überinterpretierten, orientierten sie sich zu der extremen
Rechten.
Die NPD fantasiert sich Rabehl jetzt zur Nachfolgerin der APO. Der
frühere Freund Rudi Dutschkes meint dabei, seinem Denken treu
geblieben zu sein. "Was früher ,links' angesehen wurde, gilt heute
als ,rechts'": So einfach erklärt der frühere Theoretiker des SDS
sein Engagement bei rechtsextremen Burschenschaften oder
neonazistischen Parteien. Am Donnerstag sprach er bei der
"Burschenschaft Germania Hamburg" vor knapp 30 Besuchern über die
"Auswirkungen eines EU-Beitrittes der Türkei".
Seit Jahren ist die schlagende Verbindung mit der neonazistischen
Szene verwoben. Sie selbst erklären: "Bist Du hässlich oder fremd im
Lande, bist Du von linksliberaler Gesinnung gepeinigt () oder hast
eine Freundin die weder schön noch still ist (), dann bleib lieber
zu Hause." Am 10. November war auch die Presse unerwünscht. Über 70
Menschen protestierten nahe dem von der Polizei abgeschirmten
Gebäude. Einer der erwünschten Besucher meinte später, Rabehl habe
"keineswegs aggressiv gegen einen EU-Türkeibeitritt" gesprochen. Was
auch immer das in diesen Kreisen bedeuten mag.
Welche Gefahren Rabehl sieht, könnten seine Überlegungen von 1998
andeuten. Der "Zuzug" sowie "religiös oder fundamentalistisch
ausgerichtete Völkergruppen", erklärte er, würden die "nationale
Identität" zersetzen. Ein früherer Mitstreiter Rabehls im
Westberliner SDS erinnert sich an dessen frühere
"nationalrevolutionäre Überlegungen". Damals ließ Rabehl ein Papier
zum "Befreiungsnationalismus" zirkulieren. "Nationalrevolutionäre,
wie Ernst Niekisch interessierten ihn", erzählt der Ex-Mitstreiter,
"vor allem taktische Bündnisse von links und rechts um das System
zum tanzen zu bringen".
Rabehl habe daran gelitten, "nicht so berühmt wie Dutschke zu sein.
Wohl mit ein Motiv für seine jetzigen Aktivitäten. Schlagzeilen hat
er nun ja" - durch regelmäßige Publikationen in extrem rechten
Organen. Und Auftritte bei der NPD.
Bei der macht ebenso Oberlercher mit. In Buxtehude störte der
frühere Chef des Hamburger SDS mit NPDlern eine
Antifa-Veranstaltung. Gerne unterrichtet er die "nationale
Intelligenz" über das "judäa-amerikanische Imperium", das
zerschlagen werden müsse. Im "Deutschen Kolleg" arbeitet er mit
Mahler zusammen. Der frühere APO-Anwalt und RAF-Gründer ergänzt,
dass dieses "weltweite Geflecht" das "deutsche Volk" zerstören
wolle. "Die praktische Kritik des Judaismus", so Mahler, "ist die
nationale und soziale Revolution."
Bei der NPD-Bremen will er diesen Monat noch auftreten. Nur
angemeldete Gäste erfahren Ort und Zeit. Mahler soll schließlich
über den "Zündel-Prozess" sprechen. Als Assistenz der Verteidigung
Ernst Zündels, der wegen Holocaust-Leugnung angeklagt ist, wurde er
gerade abgelehnt, da er ein Berufsverbot hat.
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15-11-2005 |