Iran:
Der Präsident als Hassprediger
Mit Drohungen gegen Israel versucht sich
der iranische Präsident im In- und Ausland Respekt zu verschaffen. Der
UN-Sicherheitsrat verurteilte die Hetze halbherzig.
Von Wahied Wahdathagh
Jungle World 44 v.
02.11.2005
Am 26. Oktober sprengte sich in der israelischen Stadt
Hadera ein islamistischer Mörder in die Luft. In seiner Phantasie ging er
ins Paradies ein. Tatsächlich riss er fünf Menschen mit in den Tod und
verletzte 21 Personen. Zu dem Anschlag bekannte sich der Islamische Jihad,
eine vom Iran, dem Mutterland des islamistischen Terrorismus, beeinflusste
Organisation.
Am selben Tag sprach der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad auf einer
Konferenz unter dem Titel "Eine Welt ohne Zionismus", die in den Räumen des
iranischen Staatsministeriums in Teheran stattfand, und an der unter anderen
Vertreter der Hamas und des Islamischem Jihad teilnahmen. Israel, so
erklärte er, "müsse von der Landkarte getilgt werden". Die "neue Welle, die
in Palästina im Gange ist", werde "diesen Schandfleck im Herzen der
islamischen Welt" bereinigen. Die Gründung des Staates Israel sei ein
Produkt der "arroganten Politik des Westens, die sich gegen die islamische
Welt" richte. "Der Westen" führe bereits seit Jahrhunderten einen Krieg
gegen die islamische Welt. Im Übrigen sei Israel eine "Bastion", die zur
"Expansion der westlichen Welt in der gesamten islamischen Welt" diene.
Daher sei es das "palästinensische Volk, das als Repräsentant der
islamischen Nation gegen das hegemoniale System des Westens" kämpfe.
Andererseits werde "jeder, der aus Naivität, Egoismus oder Hedonismus"
Israel anerkenne, "im Feuer der islamischen Nation verbrennen". Am
iranischen Präsident ist ein wahrer Hassprediger verloren gegangen, wenn er
von "unserem heiligen Hass" spricht, der nötig sei, um den "Feind zu
besiegen". Für die Palästinenser aber interessiert er sich nur insoweit, als
dass diese den Krieg der Zivilisationen an vorderster Front führen sollen.
Ahmadinejad ist ein religiöser Soldat des Klerus. Als Khomeinist, der die
Ziele der so genannten islamischen Revolution hochhalten will, hat er bei
den letzten Wahlen innenpolitisch Punkte gemacht.
Mit seiner Rede, die für den Iran nichts Neues ist und zur Staatsdoktrin
gehört, wollte er auch außenpolitisch punkten. Seine PR-Berater haben ihm
wohl versichert, dass er außenpolitisch ernst genommen wird, wenn er
vermittelt, seine revolutionäre Bereitschaft zur Islamisierung der Welt und
zur Gründung eines palästinensischen Gottesstaates sei ernst gemeint.
Ahmadinejad hat seine außenpolitischen Ziele mehrfach deutlich geäußert:
Islamisierung durch Revolutionsexport. Suchte sein Vorgänger im
Präsidentenamt, Khatami, die Akzeptanz der Diktatur, indem er vom Dialog der
Zivilisationen sprach, versucht der neue Präsident, Respekt durch aggressive
Drohungen zu erlangen.
Innenpolitisch verfügt Ahmadinejad keineswegs über stabile Machtstrukturen.
Er hat noch nicht einmal alle seine Minister ins Amt berufen können. Die
Funktion des Präsidenten bleibt im Iran noch immer schwach, gegenüber dem
Wächterrat und dem neu organisierten Schlichtungsrat. Nach Angaben der
Zeitung Sharq hat der "religiöse Führer" Khamenei einen acht Jahre alten
Plan abgesegnet, nach dem der Schlichtungsrat neue Machtbefugnisse bekommt.
Er soll nicht mehr allein Khamenei beraten und zwischen dem Wächterrat und
dem islamistischen Parlament, der Majless, vermitteln; darüber hinaus ist er
nunmehr für die allgemeine politische Ausrichtung des Systems, die
politische Umsetzung des vierten Entwicklungsplans und die Entwicklung von
Strategien für die Zukunft zuständig. Zudem sollen zukünftig alle drei
Gewalten direkt vom Schlichtungsrat kontrolliert werden.
Rafsandjani als Vorsitzendem des Schlichtungsrats steht der ehemalige Pasdar
(Revolutionswächter) Mohssen Resai als Stellvertreter zur Seite. Beide
gewinnen dadurch an Einfluss, insbesondere Rafsandjani rückt näher an den
"religiösen Führer" Khamenei heran. Auf institutioneller Ebene ist Khamenei
weiterhin der mächtigste Mann der Diktatur, Rafsandjani ist durch die
Stärkung des Schlichtungsrats mit mehr Befugnissen als der Präsident
Ahmadinejad ausgestattet.
Der Präsident ist also im Zugzwang. Er muss beweisen, dass er bereit und in
der Lage ist, das iranische Atomprogramm entschieden durchzusetzen. Es
könnte ihm auch innenpolitisch nützen, wenn er außenpolitisch den starken
Pasdar spielt.
Zudem ist in den vergangenen Tagen eine Verhärtung des Regimes auch auf
kulturellem Gebiet zu beobachten. Nach Angaben der Politologin und
Iran-Expertin Azadeh Kian Thiébaut ist eine Entscheidung zu erwarten, alle
als "liberal", "feministisch" oder "laizistisch" beurteilten Filme, die "die
Propaganda des Weltunterdrückers" – das heißt der USA – verbreiteten oder
Drogenkonsum begünstigten, zu verbieten, um das Ziel "der idealen, auf dem
Koran gegründeten Gesellschaft" zu erreichen. Das berichtete die
französische Tageszeitung Le Monde. Parallel dazu habe sich der Druck auf
die Frauen im Hinblick auf das Tragen "islamischer" Kleidung, insbesondere
des Schleiers, verstärkt, Mitglieder der Sittenpolizei würden in den Straßen
patrouillieren, um Frauen, die sie als schlecht bedeckt beurteilen, zur
Ordnung zu rufen. Thiébaut zufolge zielen die Verschärfungen auf innen- wie
auf außenpolitischer Ebene darauf, Ahmadinejads Versagen im Hinblick auf
seine Wahlversprechen – den Kampf gegen die Korruption, die Reduzierung der
sozialen Ungleichheiten, die Verminderung der Arbeitslosenrate – zu
verdecken.
Nach vehementer Kritik aus dem Ausland an den Äußerungen Ahmadinejads fühlte
sich das iranische Außenministerium bemüßigt zurückzurudern. "Der Iran fühlt
sich der UN-Charta verpflichtet. Er hat niemals Gewalt gegen ein anderes
Land angewandt oder gedroht, Gewalt anzuwenden", hieß es am Samstag in einer
Erklärung. Das Land habe auch nicht die Absicht, Israel anzugreifen. Die
Erklärung beinhaltete allerdings gleichzeitig einen Blankoscheck für
palästinensische Terroranschläge. Das Ministerium betonte nach Informationen
der Nachrichtenagentur Reuters, man werde die Palästinenser unterstützen,
egal welchen Weg sie zur Lösung des Nahost-Konflikts einschlügen.
Auch der UN-Sicherheitsrat hat den Aufruf zur Vernichtung Israels
"verurteilt", das Wort "scharf" wusste unter anderen Algerien, das derzeit
den Vorsitz der Rates innehat, zu verhindern. Die UN-Erklärung wurde nur in
einer Pressemitteilung veröffentlicht und nicht als Stellungnahme auf einem
formellen Ratstreffen. Die britische Regierung war mit der halbherzigen
Reaktion des UN-Sicherheitsrats nicht einverstanden und forderte am Sonntag
erneut eine schärfere Reaktion. Das wäre jedoch keinesfalls im Interesse
deutscher Unternehmen. "Bei einem Wirtschaftsembargo würde für deutsche
Unternehmen der wichtigste Markt im Mittleren und Nahen Osten wegbrechen",
sagte Jochen Clausnitzer von der Deutschen Industrie- und Handelskammer kurz
nach den Äußerungen Ahmadinejads.
hagalil.com 04-11-2005 |