Ethnische Aspekte:
Ende einer Wahl-ÄraEin großer
Teil der Elite in Israel tut sich schwer, sich mit den Änderungen
abzufinden, die sich auf der parteilichen Landkarte Israels vollzogen haben.
Seit Jahren wurde in unserem Lande die Illusion gepflegt, es sei eine
gelungene, politische Kombination zwischen rechten wirtschaftlichen
Anschauungen und linken politischen Anschauungen möglich.
Die Vermischung aus kapitalistischem Fanatismus und
politischen Verzichten wurde zum Ideal erhoben, während "israelischer
Sozialismus" und die "israelische Besatzung" mit großem Zorn angegriffen
wurden. Was den israelischen Wähler anbelangt, so wurde der
"Oriental-Falke-Soziale" dem "Aschkenasen-Taube-Wirtschaftlichen"
gegenübergestellt, und die Wahlergebnisse wurden stets mit ethnischen
Gründen erklärt.
Jetzt kamen die Ereignisse der letzten Zeit und mischten die
Karten neu durch. Es stellte sich heraus, dass die israelische Linke in
allem links ist, während die Rechte in allem rechts ist und die Mitte bei
allem in der Mitte steht. MdK Peretz repräsentiert
die politische und wirtschaftliche Linke, MdK Netanjahu die wirtschaftliche
und politische Rechte und MP Sharon die wirtschaftliche und politische
Mitte. Die Vertreter der Vermischungstheorie stellte dies vor ein großes
Problem, aber dennoch gaben sie nicht auf. Wer noch gestern Netanjahu als
Finanzminister bewunderte und jetzt seine politischen Haltungen beklagt (aus
welchen er niemals einen Hehl gemacht hat), wie auch die, die den
politischen Haltungen Peretz' applaudierten, seine sozialen Parolen jedoch
verabscheuten, bemühen sich dieser Tage darum, Ausreden für die neue
Realität zu finden, die sich ihnen stellt. Welche?
Natürlich ethnische. Netanjahu, so erklären sie z.B., verliert in den
Meinungsumfragen und im Likud weil er ein "Aschkenase" ist, und Peretz (und
Mofas) gewinnen, weil sie "Orientalen" sind. Das ist
völliger Unsinn. Sollte Netanjahu die Primaries gewinnen, dann deshalb, weil
die Likud-Mitglieder seine Haltung bezüglich der Palästinenser und seine
Wirtschaftspolitik unterstützen. Sollte er verlieren, dann wegen dieser
Haltungen, nicht wegen seiner Herkunft. Hat der
"orientalische" Netanjahu 1996 gegen den "aschkenasischen" Peres gewonnen?
Und war drei Jahre später Barak dann der "Orientale" der Netanjahu besiegte,
der plötzlich ein "Aschkenase" geworden war? Die
Parteien, die sich auf ein Programm ethnischer Demagogie stützen, brechen
allmählich zusammen. Den Wählern von Avoda, Likud und Kadima sind ethnische
Aspekte völlig egal. Ihnen geht es um ihr Leben und das Leben ihres Landes.
Der ethnische Aspekt ist aus dem öffentlichen Disput in
Israel verschwunden, aber seine Geister suchen hin und wieder die Medien
heim und auch diejenigen, die auf seinem Rucken Karriere gemacht haben.
Quelle: Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv |