Politischer Winter:
Ein Sturm braut sich zusammen
Von Nadav Eyal, Maariv, 28.10.2005
Die angenehmen Sommerferien von Ariel Sharon und seinen
Leuten sind vorüber. Der Winter steht vor der Türe, auch die
Wintersitzungsperiode der Knesset, und mit ihr die kleinen Streitigkeiten,
die unendlichen Kämpfe, die parlamentarischen Racheakte, die der
Ministerpräsident so verabscheut. Sharon weiß, dass die Temperaturen nun
sinken, und mit ihnen auch die politische Stabilität, welcher er sich in den
letzten Monaten erfreuen konnte.
Die gestrige Erklärung Netanjahus, er werde an dem Treffen, das
Ministerpräsident Sharon für die Fraktionsmitglieder des Likud in seiner
Residenz in Jerusalem organisiert, nicht teilnehmen, zeigt, dass sich ein
Sturm zusammenbraut. Wenn Netanjahu nur seine Unzufriedenheit signalisieren
wollte, hätte er einfach mitteilen können, er nehme nicht teil. Damit gab er
sich jedoch nicht zufrieden. Er
übermittelte eine offizielle Erklärung an die Presse, er werde nicht in die
Residenz kommen, obwohl er wie alle anderen Fraktionsmitglieder eingeladen
wurde, und erklärte dies mit einer prinzipiellen Ablehnung. Das ist nicht
nur eine klare Botschaft, sondern in der verschlüsselten Sprache des Likud
eine Kriegserklärung. Sogar in dieser hitzigen Partei gilt (oder galt) die
Regel: Wenn der Ministerpräsident einlädt, hat man zu erscheinen.
Es kann sein, dass Netanjahu nur den starken Mann
herauskehrt, und das wird sich schon am kommenden Montag zeigen. Wenn er
wirklich den Kampf will, dann wird er gegen die Ernennung der neuen Minister
stimmen. Abgeordnete sagten gestern schon, die Haltung Netanjahus werde das
Schicksal der Abstimmung entscheiden: Sollte Bibi dagegen stimmen, würde
sich eine tödliche Strömung gegen die Koalition bilden und die Ernennungen
würden abgelehnt. Und dann hängt wieder alles von Netanjahu ab.
Im Umfeld Sharons sagt man, wieder, für sie sei das ein
Traum: "Man kann sich vorstellen, was sich hier an der Börse tun wird, wenn
die Knesset beschließen sollte, dass Israel keinen Finanzminister hat",
sagte eine Stelle gestern. "Die wenigen Freunde, die Bibi noch in der
kommerziellen Gemeinschaft hat, würde er damit verlieren, und er würde zum
Führer der Rebellen werden, rechts von Katz und Livnat." Andererseits
besteht die Möglichkeit, dass Netanjahu die Ernennungen befürworten wird und
nur eine Botschaft der Unabhängigkeit aussenden wollte.
Sharon hat seinerseits beschlossen, aufs Ganze zu gehen. Wenn
er nur die Ernennung Olmerts zur Abstimmung gebracht hätte, hätte er
sicherlich eine Mehrheit erhalten. Aber Sharon hat die Nase voll. Er hat
keine Lust mehr, ständig in Angst vor seiner eigenen Fraktion zu leben.
Gestern Abend, als er mit den Likud-Ministern zusammentraf, wollten sie
wissen, wie er die Ernennungen durchbringen wird. "Ihr macht euch Sorgen?",
fragte er zynisch. "Dann bewegt euch gefälligst und tut etwas."
Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv
hagalil.com 31-10-2005 |