Der Orientalist Hans-Peter Raddatz:
Gegen den Mainstream
Vom bundesdeutschen Mainstream der Orientalisten unterscheidet sich
Hans-Peter Raddatz durch seine kritische Distanz zum Islam und seine scharfe
Kritik an oberflächlich-harmonisierenden Allgemeinplätzen.
Der Orientalist, Volkswirt und Systemanalytiker, der
jahrelang die Nahostinteressen internationaler Banken und Unternehmen
vertrat, hat sich als Autor zahlreicher Publikationen und Vorträge Gehör
verschafft. Er ist u.a. Koautor der renommierten "Encyclopedia of Islam",
des Standardwerks der internationalen Orientalistik.
Während in Europa und Deutschland der Islam zu einem Faktor von zunehmender
Wichtigkeit heranwächst, bleibt seine gesellschaftliche Eigendynamik in
einem Positivbild, das vom interkulturellen "Dialog" in Politik, Kirche und
Wissenschaft stereotyp erzeugt wird, weithin ausgeblendet.
Im historischen Systemvergleich der beiden Kulturen sowie ihrer Glaubens-
und Machttraditionen entwickelt Raddatz in seinem Buch "Von Gott zu Allah? -
Christentum und Islam in der liberalen Fortschrittsgesellschaft" provokante
und zum Teil alarmierende Thesen zu einer Problematik, die im Rahmen
"interkultureller" Zuwanderung und Globalisierung immer drängender wird.
Am Beispiel Deutschlands zeigt der Autor, wie sich proislamische Kräfte
illegitime Macht aneignen. So soll auch der EU-Beitritt der Türkei "von
oben" herbeigeführt werden. Dabei scheint unerheblich, dass die Türkei,
trotz diverser Ansätze zur Demokratisierung, weiterhin von ethnischen
Konflikten, vor allem der Unterdrückung der Kurden, einem zunehmend
radikalen Islam und Korruption geprägt bleibt.
Durch anhaltendes Bevölkerungswachstum exportiert die Türkei
Arbeitslosigkeit und Bildungsschwäche nach Europa, wo Deutschland als
Hauptfinanzier der EU zum politischen und sozialen Brennpunkt der Zukunft
werden könnte.
Deutlich widerspricht Raddatz neoliberalen Ansätzen, und warnt vor weiterem
"Sozialabbau durch Globalisierung und Zuwanderung" und könnte sich damit
problemlos in eine Montagsdemo einreihen. Wenn Eurokraten und amerikanische
Think-Tanks die Türkei bereits auf einem "unumkehrbaren Weg" nach Europa
sehen, warnt Raddatz umso eindringlicher vor der "türkischen
Gefahr".
hagalil.com 10-10-2005 |