von Matthias Küntzel
Eigentlich standen die Internationalen Verlage in Halle 5 der
Frankfurter Buchmesse nicht auf meinem Plan. Doch hatte ich vor Abfahrt
meines Zuges noch einigen Minuten Zeit, besuchte die Halle und war
überrascht, in welchem Ausmaß der Iran hier vertreten ist. Die Stände aus
dem Iran scheinen weit mehr Hallenplatz einzunehmen, als alle hier
vertretenen Länder der Arabischen Liga zusammen.
Nun ist zwar bekannt, dass die Staatsführung des Iran die Existenz eines
Mitgliedsstaats der Vereinten Nationen, Israels, auslöschen will. Und es ist
bekannt, dass Teheran zu diesem Zweck einen kruden Antisemitismus in alle
Welt exportiert.
Publishes
by Islamic Propaganda Organisation
P.O.Box, Teheran, Islamic Republic of Iran
Printes by Sepehr, Teheran, Iran (s.u.)
Doch überraschte mich, wie offen dies auch auf der Buchmesse geschieht. Ich
meine nicht die mehrere Hundert Regalmeter iranischer Literatur, die in
Halle 5 ausgestellt sind. Ich rede von Broschüren, die der Iran hier auf
Englisch präsentiert – nicht, um die Literatur des eigenen Landes zu
präsentieren, sondern um den Antisemitismus europäischer und
US-amerikanischer Provenienz zu verbreiten.
Da wird unter der Überschrift „Jewish
Conspiracy“ der Text angeboten, der Hitlers Antisemitismus wie kein
anderes Werk beeinflusste: Die „Protokolle der Weisen von Zion“, diesmal
herausgegeben von der „Islamic Propaganda Organization“ der „Islamic
Republic of Iran“.
Die
ersten Seiten dieser Broschüre umreißen in Form einer aus Dreiecken
gebildeten Schlange das Gebiet, dass hier als „Map of ,Greater Israel’“
vorgestellt wird: große Teile von Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien, Irak,
Teile der Türkei sowie die Nordhälfte Saudi-Arabiens. Jedes Einzeldreieck,
heißt es in der Erläuterung, symbolisiere das „Freemasony Eye“, das Auge der
Freimaurer, ein angebliches „Symbol of Jewry“.
Auf den nächsten Seiten erklärt uns das „International Relations Department“
des Iran den Zweck der Veröffentlichung: Man wolle „das wirkliche Antlitz
des satanischen Feindes offen legen“ um „die Moslems wachzurütteln“. Der
Zionismus sei „ein tödlicher Krebstumor“, der vollständig zu vernichten sei.
Unter Rückgriff auf ein Zitat von Khomeini wird die Tötung der Israelis
propagiert.
Es folgt eine Zusammenstellung von Zitaten wie dem folgenden: „Die Vereinten
Nationen sind der Zionismus. Es ist die Super-Regierung, die vielfach in den
,Protokolle der Weisen von Zion’ erwähnt ist“. Nachdem einem Aufruf zum
„Djihad gegen diese Bedrohung“, folgt der Wortlaut des antisemitischen
Traktats.
Auch der zweite berüchtigte Klassiker des Antisemitismus: Henry Fords „The
International Jew. The World’s Formost Problem“ wird in Halle 5 der
Buchmesse „In the name of Allahm (sic) the Beneficent, the Merciful“ in
200-seitiger Kurzfassung präsentiert und verkauft. Herausgeber ist das
„Departement of Translation and Publication, Islamic Culture and Relations
Organization“ der “Islamic Republic of Iran”. In seiner Vorbemerkung
schreibt der Herausgeber, dass „die Macht des jüdischen parasitären
Einflusses [seit der Zeit von Henry Ford] stets zugenommen hat. Die jüdische
Gefahr – heute Zionismus genannt – bedroht nicht nur eine Nation, sondern
richtet sich gegen die gesamte Menschheit.“ Anschließend folgt Henry Fords
Machwerk von 1921 in einer Version, die erstmals 1970 in Pakistan vom „World
Muslim Congress“ verbreitet wurde. Interessant sind die zahlreichen
Fußnoten, die von iranischer Seite dem Text hinzugefügt worden sind: Da ist
zum Beispiel die Rede von der „Machtausweitung“ der Juden während des
Zweiten Weltkriegs (S. 39) und dem deutschen „Widerstand“ gegen jene
„jüdische Kontrolle“ (S. 52). Saldam Rushdie wird als ein Beispiel für die
Bösartigkeit jüdischer Verleumdungen präsentiert (S. 77) und wir erinnern
uns: 1989 rief der iranische Staatschef Khomeini die Muslime in aller Welt
dazu auf, den indischen Autor zu töten, da er in seinem Buch „Die
Satanischen Verse“ den Islam beleidigt habe. Für seinen Tod wurde ein
Kopfgeld von 3 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Erst 1998 wurde diese Fatwa
vom Regime formell zurückgenommen; islamische Fundamentalisten halten sie
jedoch weiterhin für verbindlich weshalb sich Rushdie bis heute nicht
öffentlich zeigen kann.
Ein drittens antisemitisches Machwerk fiel mir bei meinem raschen Rundgang
durch Halle 5 schon aufgrund seines grellen Titels ins Auge: Ein roter
Davidstern über einem grauen Totenkopf und einer gelben Karte von der Welt.
Es trägt den Titel „Tale of the ,Chosen People’ and the Legend of
,Historical Right’“ und ist von Mohammad Taqi Taqipour verfasst. Herausgeber
ist erneut der iranische Staat. In seinem Vorwort gibt sich der Autor
siegessicher: Israel werde angesichts der „globalen islamischen Bewegung“
bald schon von der Landkarte verschwunden sein.
Sollte tatsächlich von diesen Broschüren, die schon dem flüchtigem Besucher
der Messe ins Auge fallen, niemand sonst etwas bemerkt haben? Was ist zum
Beispiel mit den Mitarbeitern der Deutschen Welle und des Auswärtigen Amts,
die sich ebenfalls in Halle 5 - nur wenige Schritte von den iranischen
Ausstellern entfernt – präsentieren? Die Deutsche Welle empfiehlt sich auf
der Messe als „Brücke zur islamischen Welt“ und auch das Auswärtige Amt
verteilt hier seine „Dialogue with the Islamic World“-Broschüre, in der es
heißt: „Peace-building, too, may require dialogue with extremists.“
Wurde aber mit den iranischen Ausstellern über die Präsentation jenes
nazihaften Antisemitismus gesprochen oder wurden (wieder einmal) beide Augen
zugedrückt? Was sagt der Direktor der Buchmesse, Jürgen Boos, zu der
Tatsache, dass ein Aussteller dieser Messe mit englischsprachiger Propaganda
zur Auslöschung Israels aufruft? Welche Schlussfolgerung werden Herr Boos
und die deutsche Öffentlichkeit in Bezug auf eine Teilnahme des Iran an der
Buchmesse 2006 ziehen?
[FORUM]
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Dokumente
hagalil.com 23-10-2005 |