Freiburg:
High-Tech-Klo verdeckt Gedenktafel
In Freiburg gibt es eine neue High-Tech-Toilette. Nicht nur,
dass sich die ganze Kabine automatisch selbst reinigt, Rollstuhlfahrer
können den automatischen Raumteiler versenken und so eine geräumige Kabine
erhalten. Wunderbar also, wäre da nicht eine kleine Sache, die derzeit in
Freiburg für Kritik sorgt. Das Super-Klo der Firma Wall AG steht nämlich am
Platz der Alten Synagoge und in unmittelbarer Nähe zu den dortigen
Gedenktafeln.
Während sich der Vorstand der Jüdischen Gemeinde
Freiburg daran nicht weiter zu stören scheint, haben einzelne Personen
starke Kritik angemeldet. Neben der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
engagiert sich vor allem Gemeindemitglied Irina Karawajew. Die Anlage
verdecke die Sicht auf das Mahnmal für die 1940 nach Gurs deportierten
Freiburger Juden und auf die Bronzetafel, die an die Zerstörung der Synagoge
erinnert, schrieb sie an die Wall AG, Oberbürgermeister Dieter Salomon und
Michel Friedman, der im Aufsichtsrat der Wall AG sitzt. Bisher gab es noch
keine Antwort.

Die Badische Zeitung berichtete vor zwei Wochen,
dass man im Rathaus überlegt, das Gurs-Schild um ein paar Meter versetzen,
damit es nicht verdeckt wird.
Dass die Interessen der Wall AG von der Stadt Freiburg gut vertreten werden,
ist verständlich. Denn Wall will hier rund fünf Millionen Euro in andere
Projekte investieren und die Hauptniederlassung für Süddeutschland in
Freiburg errichten. Für die Stadt bringt das gute 4 Millionen Euro. Ein
nettes Sümmchen, das einige Widrigkeiten bei der Standortwahl offensichtlich
vergessen ließ.
Anbetracht der knappen Kassen der Stadtverwaltungen ist
die Schaffung von Arbeitsplätzen selbstverständlich eine vorrangige und
dringende Aufgabe. Jedes Engagement der Stadt Freiburg in dieser Richtung
ist deshalb zu begrüßen. Es ist nur traurig, dass offensichtlich das kleine
bisschen Sensibilität fehlt, das genügt hätte, um die vorhandene Situation
von vorne herein zu vermeiden. Bedenklich ist auch, dass nun schon Wochen,
nachdem auf das Problem aufmerksam gemacht wurde, nichts geschehen ist.
Am 9. November findet in Freiburg die traditionelle Gedenkveranstaltung zur
Reichspogromnacht am Platz der alten Synagoge statt. Es bleibt zu hoffen,
dass es noch ein Einsehen gibt und das Gedenken nicht zwischen Werbetafeln
und Klohäuschen stattfinden muss.
Offener Brief an
Hans Wall, Vorstandsvorsitzenden der Wall AG
Dr. Michel Friedman, Aufsichtsrat
OB Dieter Salomon
Sehr geehrter Herr Wall,
sehr geehrter Herr Friedman,
sehr geehrter Herr Salomon,
unsere örtliche Zeitung schrieb vor kurzem: "Die Wall
AG ist auf dem Weg der "Klobalisierung" weit fortgeschritten" (Badische
Zeitung vom 10.09.2005). Freiburg freut sich sehr über die neuen
Werbeeinnahmen, die Werbeflächen und die hochmodernen Toilettenanlagen
in der Innenstadt von der prosperierenden Firma, zumal die Stadt auf
jede kleine Einnahme angewiesen ist.
Nur ein Makel haftet diesem öffentlichen sanitären Projekt an: Die
Toilette steht nur ein-zwei Meter entfernt vor dem Schild des Platzes
der alten Synagoge und dem Wegweiser nach Gurs 1027 km, als Mahnmal für
die im Oktober 1940 deportierten Freiburger Juden.
Außer der Bronzetafel am Platz der von den Nazis
in der Reichspogromnacht 1938 zerstörten alten Synagoge und dem besagten
Schild existiert bislang keine wirklich der menschlichen Tragik und dem
schrecklichen Ausmaß der damaligen Naziverbrechen angemessene
Gedenkstätte und so wird auch die Diskussion um eine solche nach wie vor
geführt.
Diese wichtige Diskussion, die auch die heutige Gedenkkultur und
ähnliche Aspekte beinhaltet, würde zur Farce verkommen sollte direkt vor
dem betroffenen Platz eine Einrichtung, wo jeder und jede seine/ihre
Notdurft verrichten kann, die Sicht versperren.
Bevor also die besagte Toilette in Betrieb gesetzt wird, muss dringend
ein anderer angemessener Platz für die Toilette gefunden werden, zumal
schon eine Verschiebung auf die andere Straßenseite im Prinzip
ausreichen und das Mahnmal nicht tangieren würde.
Irina Karawajew
Mitglied der Jüdischen Gemeinde Freiburg seit 1993 |
hagalil.com 30-09-2005 |