
Prekäre Heimat:
Die arabischen Israelis und ihre minderen Rechte
Von Joseph
Algazy
Da Israel
sich als jüdischer Staat versteht, ist es für die Palästinenser eine prekäre
Heimat. Doch jeder fünfte Israeli ist arabischer Herkunft. Rechtlich ist er
damit Bürger zweiter Klasse, und auch wirtschaftlich bleibt er hinter seinen
jüdischen Mitbürgern zurück. Nur den 165.000 Beduinen geht es noch
schlechter.
Im August haben
die internationalen Medien anlässlich des Rückzugs aus Gaza und der Räumung
von Siedlungen im Westjordanland das behutsame Vorgehen der israelischen
Armee und Polizei hervorgehoben. Anders vor fünf Jahren, als es nach Ariel
Scharons Besuch des Tempelberges am 28. September 2000 vielerorts zu
brutalen Übergriffen der Polizei gegen protestierende arabische Israelis
gekommen war. Damals war die Staatsgewalt nicht gerade zimperlich. Ihr
Vorgehen trug dazu bei, die so genannte zweite Intifada auszulösen.
In der Nacht zum
Jom-Kippur-Fest am 8. Oktober 2000 töteten Kommandoeinheiten der Polizei und
Scharfschützen in Nazareth innerhalb weniger Tage dreizehn Araber (zwölf von
ihnen israelische Bürger, einer aus den besetzten Gebieten); außerdem gab es
dutzende Verletzte. Der damalige Regierungschef Ehud Barak, Polizeiminister
Schlomo Ben-Ami und Innenminister Haim Ramon - alle drei Führungskräfte der
regierenden Arbeitspartei und zum Lager der "Tauben" gerechnet - gaben als
Grund für den Einsatz damals unisono an, sie hätten gegen die Blockade einer
Hauptstraße einschreiten müssen.(1) Drei Jahre später, am 1. September 2003,
legte eine Untersuchungskommission der Regierung unter Vorsitz von Theodore
Or, Richter am Obersten Gerichtshof, einen 831 Seiten langen Bericht zu den
Vorfällen vor. Darin wurde zwar im Grundsatz bejaht, dass der Staat das
Recht habe, notfalls mit Gewalt die wichtigsten Straßen des Landes zu
sichern; allerdings stellte der Report auch fest, der allgemeine
Schießbefehl und erst recht der Einsatz von Scharfschützen seien
unangemessene Maßnahmen zur Auflösung protestierender Menschenmengen. Die
Polizei wurde aufgefordert, ihre Verschleierungstaktik aufzugeben und ihre
Truppen dazu anzuhalten, die arabischen Bürger nicht länger als Feinde zu
behandeln. Ferner forderte die Kommission von der Regierung neue
Anstrengungen, den Lebensstandard der Araber zu erhöhen.
Doch die
"Or-Kommission" enthielt sich jeglicher Kritik an den Entscheidungen des
Ministerpräsidenten oder des Polizeiministers, was sowohl bei den Vertretern
der arabischen Bevölkerung als auch bei den Vertretern der demokratischen
jüdischen Organisationen auf heftige Kritik stieß.(2) Überdies wurde der
Report nicht einmal auf Arabisch veröffentlicht, obwohl es in Israel die
zweite Amtssprache ist.
Um den
Empfehlungen der Kommission formal Genüge zu tun, schuf die Regierung
Scharon am 14. September 2003 einen Ausschuss auf Ministerebene; den Vorsitz
hatte der damalige Justizminister Josef Lapid. Da diesem Gremium jedoch
pikanterweise einige Minister angehörten, die für den "Transfer" - also die
Vertreibung der Palästinenser - eintraten, verweigerten die Vertreter der
arabischen Bevölkerung die Zusammenarbeit. Der Lapid-Ausschuss empfahl die
Errichtung einer "Behörde zur Förderung der nichtjüdischen Minderheiten" und
regte außerdem an, "Jugendliche aus den arabischen Schichten, die nicht zum
Militär eingezogen werden, künftig in einen staatlichen Zivildienst
einzuberufen".(3) Die israelischen Araber zeigten sich empört über diese
Vorschläge. Aber auch Richter Theodore Or warf der Regierung mehrfach vor,
den Empfehlungen seiner Kommission zur Bekämpfung der Diskriminierungen
nicht nachgekommen zu sein.(4)
Umstritten war
vor allem der Vorschlag der Or-Komission, für junge Araber einen Zivildienst
einzuführen. Man muss hierzu wissen, dass Israel seit seiner Staatsgründung
1948 seine arabischen Staatsbürger von der Wehrpflicht ausschließt, weil man
ihre Loyalität anzweifelt. Damit werden sie gleichzeitig von diversen
staatlichen Leistungen ausgeschlossen, für die der Militärdienst
Voraussetzung ist. Doch auch den nichtjüdischen jungen Männern und Frauen,
die den Wehrdienst absolvieren - etwa Drusen oder Tscherkessen - oder die
sich freiwillig melden können - wie Beduinen und Araber christlicher
Konfession -, werden diese Leistungen vorenthalten. Daran werde, so die
arabischen Vertreter, auch ein allgemeiner Zivildienst nichts ändern. Sie
schlagen stattdessen einen Zivildienst auf lokaler und kommunaler Ebene vor,
doch sie betonen gleichzeitig, dass die Gleichheit der Bürger an keine
Bedingung geknüpft sein dürfe.
Kontrovers ist
nicht nur die Wehrpflicht, sondern auch die Frage der nationalen
Zugehörigkeit. Die Staatsführung verlangt von den arabischen Israelis die
uneingeschränkte "Treue" zum israelischen Staat, der sich jedoch als
"jüdischer Staat", "jüdisch-zionistischer Staat" oder - im Grundgesetz von
1980 - als "demokratischer jüdischer Staat" definiert. All diese
Bezeichnungen übersehen die Tatsache, dass es eine große arabische
Minderheit im Lande gibt (fast 20 Prozent der Bevölkerung). Sie werden
gemeinhin unter dem Begriff "nichtjüdische Minderheiten" subsumiert. Die
Vertreter der Araber in Israel fordern, dass Israel sich als "Staat für alle
Bürger" oder gar "für alle seine Völker" verstehen müsse, doch solche
Vorstellungen sind für die Regierenden unannehmbar.
Nach den
jüngsten Umfragen würden sich 63,1 Prozent der Befragten aus dieser
Bevölkerungsgruppe als "palästinensische Araber in Israel" bezeichnen. Eine
noch größere Mehrheit würde die Bildung eines unabhängigen
Palästinenserstaates und die Umwandlung Israels in ein binationales
Staatsgebilde befürworten - in der Hoffnung, endlich den jüdischen Bürgern
gleichgestellt zu werden. Zugleich gibt es Vorbehalte: In der Gruppe der
25-Jährigen war die zweite Intifada ein Bruch: Seither verstehen viele sich
nicht mehr als "israelische Palästinenser".
Die junge
Journalistin Mona Abu Bakr will "den zionistischen Staat" nicht anerkennen,
weil er, wie sie sagt, "sich hartnäckig weigert, die Existenz arabischer
palästinensischer Menschen in diesem Land anzuerkennen. […] Zu meiner
Identität gehört es, dass ich morgens aufwache, das Radio einschalte und auf
der Stimme Israels Nachrichten höre; dass ich durch die Straßen laufe und um
mich herum Menschen in mehreren Sprachen reden höre; dass ich auf dem Weg
zur Arbeit im Zug zwischen bewaffneten Soldaten sitze, so als ob nichts
wäre; dass ich mir Hasstiraden gegen meine Landsleute anhören muss und dass
ich mich, im Vergleich zu einem jüdischen Mitbewerber, doppelt anstrengen
muss, um einen Studienplatz zu bekommen. […] Das heißt nicht, dass ich, wenn
es eines Tages einen Palästinenserstaat gibt, dort auch leben möchte, aber
der Gedanke an Palästina ist in unseren Köpfen sehr präsent, egal, wo wir
leben."(5)
Umstritten ist
auch die Forderung der Araber nach "kultureller Autonomie". Die Mehrheit der
jüdischen Bürger fürchtet, ebenso wie die Staatsführung, eine solche
kulturelle Autonomie könne dem Anspruch auf "politische Autonomie" und
separatistischen Bestrebungen Nahrung geben. Für den jüdischen Soziologen
Sami Samuha, Professor an der Universität Haifa, der seit vielen Jahren die
Meinungen der jüdischen und arabischen Bevölkerung erforscht, überwiegen
allerdings die "Vorteile einer kulturellen Autonomie der Araber bei weitem
die Nachteile". Seiner Meinung nach ist die kulturelle Autonomie "ein
wichtiger Schritt auf dem Weg zur multikulturellen Gesellschaft - und
Letztere ist nur sinnvoll, wenn auch jene Minderheiten, die nicht zur
Assimilierung bereit sind, Autonomie gewährt bekommen. Wenn die
multikulturelle Gesellschaft auch den Arabern ausreichende Finanzmittel zu
Verfügung stellt, wird das die Araber stärken, ihr Bild in der
Öffentlichkeit verbessern, ihre Kultur und ihre nationalen Symbole
aufwerten, und es ihnen ermöglichen, ihre Kultur, Geschichte und Literatur
zu erforschen."(6)
Schafiq
Masalhah, Professor für Psychologie an der Universität Tel Aviv, ist
beunruhigt, dass die arabischen Bürger - vor allem im Bildungssektor, wo der
arabischen Jugend die eigene Kultur vorenthalten wird - zunehmend enttäuscht
und verzweifelt sind. "Wenn in einer Gesellschaft mehrere Kulturen
nebeneinander bestehen, ist das eigentlich kein Fluch, sondern ein Segen",
stellt er fest. Doch mit Blick auf seine arabischen Mitbürger gibt er zu
bedenken: "Die Autonomie einer von mehreren Kulturen in einer Gesellschaft
kann in der Isolation enden. Eine solche Abkehr […] wird dann aber
zwangsläufig die chauvinistischen Reaktionen auf diese Kultur bestärken."
Die Ereignisse
vom Oktober 2000 haben jedenfalls bei den arabischen Bürgern das Vertrauen
in den israelischen Staat und in die israelischen Medien nachhaltig
erschüttert: Nach einer Umfrage des arabischen Informationszentrums Elam
vertraut eine Mehrheit der Araber in Israel eher den Meldungen arabischer
als israelischer Medien. 64,4 Prozent halten die Nachrichten des
Fernsehsenders al-Dschasira für glaubwürdig, nur 4,3 Prozent glauben dem
Zweiten Programm des israelischen Fernsehens. Und 56,9 Prozent würden
spontan eher den Bericht eines arabischen Journalisten für wahr halten als
den eines jüdischen (5,5 Prozent). Amal Jammal von der Universität Tel Aviv,
der diese Umfrage betreut hat, erklärt die Ergebnisse so: "Die arabische
Öffentlichkeit in Israel hört arabische Sender, um ihr nationales
Zugehörigkeitsgefühl zu stärken; wenn sie sich aber über aktuelle Ereignisse
informieren will, sieht sie den israelischen Sender."
Das Gefühl der
Araber, fehl am Platze zu sein, ist nicht verwunderlich: Seit der
Staatsgründung werden sie in allen Bereichen der Gesellschaft benachteiligt.
Besonders schlimm ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt: In den arabischen
Städten und Dörfern ist die Arbeitslosigkeit vor allem der Jüngeren extrem
hoch. Die offiziellen Zahlen von 13,3 Prozent Arbeitslosen bei
erwerbsfähigen arabischen Israelis und 10,4 Prozent unter den jüdischen
Bürgern beziehen sich nur auf die gemeldeten Arbeitsuchenden. Die
Arbeitsämter verlangen, dass die Arbeitsuchenden jede Stelle annehmen, die
ihnen geboten wird. Wer ablehnt, verliert die Unterstützung und erscheint
nicht mehr in der Statistik. Wie in vielen westlichen Ländern ist auch in
Israel die Sozialhilfe gekürzt worden, um die Leistungsempfänger" wieder in
den "produktiven" Sektor zurückzuführen. Igal Ben-Schalom, Direktor der
israelischen Sozialversicherung, hat kürzlich erklärt, dass diese Politik
"keineswegs zu weniger Ausgaben und mehr Arbeitsplätzen", sondern nur zu
"weniger Ausgaben und mehr Elend"(7) führen wird. Tatsächlich ist die
Erwerbsquote unter den als arm Erfassten zwar von 33,5 (1990) auf 43,1
Prozent (2003) gestiegen - zugleich stieg aber auch die Zahl der
Erwerbstätigen, die unter der Armutsgrenze leben, von 13,6 (1990) auf 20,3
Prozent (2003).(8)
Der
Wisconsin-Plan und seine Folgen
Das israelische
"Workfare"-Konzept heißt "Wisconsin-Plan" - nach dem US-Bundesstaat, in dem
finanzielle Beihilfen erstmals an Beschäftigungs- und Fortbildungsprogramme
gekoppelt wurden. Seit August 2004 dienen 4.500 Arbeitslose aus der
(mehrheitlich arabischen) Stadt Nazareth und dem benachbarten (jüdischen)
Ilit als Versuchspersonen bei der Erprobung des Konzepts, unter Leitung
einer israelischen und einer niederländischen Firma. Die Organisation Saut
al-Amal (Stimme der Arbeit) empört sich, dieses Experiment sei "keine
Kriegserklärung an die Arbeitslosigkeit, sondern an die Arbeitslosen: Es hat
zum Ziel, ihnen die Unterstützungsleistungen zu streichen."
Auch in den
Städten mit arabischer und jüdischer Bevölkerung ist die Diskriminierung
spürbar. Lod zum Beispiel zählt 21.000 arabische Einwohner (die vorwiegend
im Norden und Westen der Stadt leben) und hat 53 000 jüdische Bürger (die im
Süden und Osten wohnen). Bei einer Fahrt durch die Stadt springen die
Unterschiede zwischen den Wohnvierteln ins Auge. Nach Auskunft von Butaina
Dabit, einer palästinensischen Aktivistin, leben 60 Prozent der 2.930
arabischen Familien in Lod in völlig heruntergekommenen Häusern. Es fehlen
1.600 neue Wohnungen, aber die Behörden ordnen dem Abriss von Gebäuden an,
die ohne Baugenehmigung errichtet wurden. Nicht besser ergeht es den 8.000
arabischen Bewohnern der historisch bedeutenden Altstadt von Akko. Tausende
von Touristen bestaunen die architektonischen Kostbarkeiten - von der
Trostlosigkeit hinter den schönen Fassaden erfahren sie nichts. "Die
Mehrzahl der Häuser ist über 200 Jahre alt und in sehr schlechtem Zustand",
sagt Ahmed Uda, Mitglied des Gemeinderats von Akko, "Sie drohen
einzustürzen, einige mussten bereits geräumt und abgesperrt werden. Aber die
meisten Familien sind sehr arm, oft teilen sich sechs oder sieben Menschen
ein Zimmer. Vernachlässigung und Verelendung haben die Altstadt zu einem
Zentrum des Drogenhandels, der Prostitution und der Kriminalität gemacht."
Die wahrhaft
Ausgestoßenen und Vergessenen des Landes aber findet man ganz im Süden
Israels, in der Negev-Wüste. Vor der Staatsgründung lebten hier etwa 60.000
Beduinen - nur 11.000 entgingen der Vertreibung von 1948. Heute leben wieder
140.000 bis 165.000 Beduinen in Israel, 60 Prozent sind jünger als 17 Jahre.
Zu dieser Bevölkerungsentwicklung trägt auch die Polygamie bei: Jeder fünfte
Beduine hat zwei Ehefrauen.
Der israelische
Staat hat - nicht selten unter Anwendung von Gewalt - zwei Drittel der
Negev-Beduinen in sieben Wohngebieten angesiedelt, die an Indianerreservate
erinnern. Das übrige Drittel lebt in kleinen Dörfern:(9) Diese 45
"nichtoffiziellen" Ortschaften sind auf keiner Karte verzeichnet und nur in
den seltensten Fällen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen. Die
Beduinen dürfen offiziell keine Häuser bauen, selbst die armseligste Hütte
kann jederzeit vom Militär abgerissen werden. Außerdem haben die Beduinen
kein Recht auf Grundeigentum. Deshalb hat der Staat wiederholt Anbauflächen
von Beduinen zerstört - unter anderem durch Pflanzenvernichtungsmittel, die
von Flugzeugen versprüht wurden. In puncto Arbeitslosigkeit stehen die
Beduinensiedlungen ganz oben in der Statistik, in puncto Lebensstandard ganz
unten. In der Beduinensiedlung Arara liegt das monatliche
Pro-Kopf-Mindesteinkommen umgerechnet bei knapp 135 Euro.
Israels Rückzug
aus dem Gaza-Streifen hat innerhalb der arabischen Bevölkerung neue
Befürchtungen geweckt, denn es gab Gerüchte, ein Teil der Siedler solle nach
Galiläa und in den Negev umgesiedelt werden. Im April 2005 hielt die Jewish
Agency gemeinsam mit dem israelischen Staat eine Konferenz unter dem Titel
"Entwicklung Galiläas und des israelischen Nordens" ab. Von der arabischen
Bevölkerung war nur ein einziger Vertreter eingeladen. Für Hana Swaid, den
ehemaligen Bürgermeister der arabischen Ortschaft Eilabun, ist dies
eindeutig ein Versuch, das alte Projekt einer "Judaisierung" Galiläas
voranzutreiben: Auch wenn die Araber in dieser Region nur 12 Prozent des
Bodens besitzen, stellen sie immer noch 51 Prozent der Bevölkerung.
Auch
zivilrechtlich sind die Araber diskriminiert.(10) Ende Juli beschloss das
israelische Parlament mit großer Mehrheit, der Familienzusammenführung von
Palästinensern in Israel und den besetzten Gebieten sehr enge Grenzen zu
setzen. Demnach dürfen nur Männer über 35 Jahre und Frauen über 25 Jahren
beim israelischen Innenministerium die israelische Staatsbürgerschaft
beantragen.(11)
Die Regelung
gilt auch für Eheleute: Seit März 2003 haben die Behörden auch Zuzugsanträge
derjenigen Antragsteller nicht weiterbearbeitet, die bereits mit einem
israelischen Staatsbürger verheiratet sind.(12) Menschenrechtsorganisationen
haben das Gesetz scharf kritisiert, auch weil seine Durchsetzung von einer
beispiellosen antiarabischen Medienkampagne begleitet war. Glaubt man den
Aussagen von Regierungsvertretern oder Zeitungskommentatoren, dann gefährdet
die Heirat zwischen einem arabischen Israeli und einer Palästinenserin aus
den besetzten Gebieten langfristig die Demografie des jüdischen Staates und
damit dessen Sicherheit. Ähnlich haben sich auch Vertreter der Arbeitspartei
geäußert, etwa Innenminister Ophir Pines.
Der
Terroranschlag vom 4. August in Schfar'am kam keineswegs unerwartet. Der
israelische Soldat, der das Feuer auf einen Bus eröffnete und vier Menschen
erschoss, war ein Anhänger der verbotenen rassistischen Kach-Partei. Elias
Jabur, ehemaliges Mitglied im Gemeinderat von Schfar'am - einer Stadt in
Galiläa, in der Araber verschiedener Konfessionen (Muslime, Christen und
Drusen) zusammenleben -, wehrt sich entschieden dagegen, den Täter einfach
als einen "Verrückten" einzustufen. "Hoffentlich wird die ganze Sache nicht
fallen gelassen, unter dem Vorwand, dass der Mörder geistesgestört gewesen
sei. Das wäre in unseren Augen der Versuch, ein abscheuliches Verbrechen
herunterzuspielen und alles zu vertuschen. […] Ich glaube, dass die Morde in
Schfar'am ein Ausdruck des ganz alltäglichen Rassismus sind. Der Täter ist
ein Armeeangehöriger, und man weiß, dass die Truppen in den besetzten
Gebieten üble Unterdrückungsmaßnahmen durchführen. Erst wenn damit Schluss
ist, wird es solche Verbrechen nicht mehr geben." Wie der Journalist Rafik
Halabi schreibt, hat der vierfache Mord "nicht allein die Ruhe in der Stadt
zerstört, sondern auch tausende von Demonstranten auf die Straße gerufen und
die Beziehungen zwischen Gaza. und Galiläa wieder enger geknüpft".
Joseph Algazy
ist Journalist in Tel Aviv.
Fußnoten:
(1) Siehe Joseph Algazy, "Mein Staat tötet mein Volk", Le Monde
diplomatique, November 2000.
(2) Siehe die Stellungnahme des Zentrums für die Verteidigung der
Menschenrechte der arabischen Minderheit (Adalah) vom 4. September 2003.
(3) Presseerklärung des Justizministeriums vom 2. Juni 2004.
(4) Siehe vor allem Ha'aretz (Tel Aviv), Ausgaben vom 2. September 2004 und
vom 22. Juni 2005.
(5) Siehe die Ausgabe der in Jerusalem erscheinenden Zeitschrift Du-et
(hebräisch; arabisch: Lahn musdauag), eines zweisprachigen Periodikums des
"Diskussionskreises jüdischer und arabischer Bürger Israels", vom Juli 2005.
Auch die beiden nachfolgenden Zitate stammen aus diesem Heft.
(6) Ha'aretz, 3. März 2005.
(7) Ha'aretz, 9. August 2005. Siehe dazu auch Anne Daguerre, "Emplois forcés
pour les bénéficiaires de l'aide sociale", Le Monde diplomatique, Juni 2005.
(8) The Marker (Wirtschaftsbeilage der Ha'aretz), 6. Juli 2005.
(9) Itsik Saporta, "Agglomérations dans le Néguev, quelques comparaisons",
www.haokets.org, 8. Februar 2004.
(10) Siehe Meron Rapoport, "Les libertés menacées des citoyens d'Israel", Le
Monde diplomatique, Februar 2004.
(11) Yedioth Ahronot (Tel Aviv), 28. Juli 2005.
(12) Ha'aretz, 27. Juli 2005.
Aus dem
Französischen von Edgar Peinelt.
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15-10-2005 |