Nach Bali:
Beschuldigungen gegen Apostaten
Von Magdi Allam
Gekürzt, redigiert und übersetzt von Karl Pfeifer
Von Indonesien bis Großbritannien, vom Irak bis Israel, von
Algerien bis zur Türkei ist die Apostasie das den Terror auslösende Übel. Es
ist die Wurzel des Hasses, der eine Person in einen Roboter des Todes
umwandelt, der all diejenigen. die keine "echten Muslime" sind, verurteilt,
um ihre Abschlachtung zu legitimieren. Ein Übel und ein Hass, die auch in
Italien Wurzel gefasst haben.
Schon
am Tag nach dem neuesten Blutbad in Bali verstand man den Ernst der elf
Fatwen, der muslimischen rechtlichen Entscheidungen, die vom "Rat der Ulemas
in Indonesien" am 29. Juli erlassen wurden, in denen, die "vom
Pluralismus, Liberalismus und Laizismus beeinflussten" religiösen
Prediger, die Muslime, die "andere Religionen nicht als Abweichung"
beurteilen, Muslime, "die Personen anderen Glaubens" heiraten, die
Frauen, die als "Imame bei kollektiven Gebeten" fungieren, die
Muslime, die an "Gebeten mit Gläubigen anderer Religionen"
teilnehmen, verurteilt wurden. Eine Lawine der Verurteilungen wegen
Apostasie, die eine Jagd gegen reformistische Muslime und Laizisten sowie
eine Verschlimmerung bei der Unterdrückung der christlichen Gemeinschaft zur
Folge hatte.
Ins
Visier kamen die Mitglieder des "Liberalen islamischen Netzes" (Jil), die
per Email und Fax zahlreiche Todesdrohungen erhielten: "Die Fatwen hatten
den Effekt einer Lawine" – sagte Nong Darol Mahmada, ein Mitbegründer des
Netzes – "die Leute denken, dass wir Verbrecher sind und dass es jetzt
aufgrund der Scharia, der islamischen Gesetzgebung, legitim sei, uns zu
töten".
Dann
hat die "Front der Verteidiger des Islams" im August eine Kampagne lanciert,
die zur Schließung von Dutzenden Kirchen geführt hat, offiziell, weil diese
"nicht genehmigt" waren.
Am 1.
September hat ein Gericht in Harguelis, Westjava, drei Frauen, Rebekka
Zakaria, Eti Pangesti und Ratna Bangun, zu drei Jahren Haft verurteilt, weil
sie muslimischen Kindern Schulaktivitäten am Sonntag, die auch den Besuch
einer Kirche beinhalteten, erlaubten.
Gewärtigen wir, dass all dies in einem Staat geschieht, der nach der
Verfassung laizistisch ist und die Religionsfreiheit garantiert wird.
Die
Explosion der islamischen Intoleranz traf zusammen mit der Machterlangung
von Abdurrahman Wahid, der von 1999 bis 2001 die von der
"Nationalistisch-islamischen Partei" (Pkb) bestimmte Regierung führte. Wahid
wurde als ein gemäßigter Muslim betrachtet. So wie man Omar al Telmessani
von den Muslimbrüdern in Ägypten und Ahmad Yassin von Hamas in Gaza während
der Siebzigerjahre, Abassi Madani vom Fis in Algerien während
der Achtzigerjahre und Necmettin Erbakan von der Refah in der Türkei während
der Neunzigerjahre qualifizierte.
Es
ist wohl eine Tatsache, dass nach dem Erscheinen von integralistischen
Islamisten - die erklärt hatten, den "wahren Islam" zu vertreten - die
Ideologie der Konfrontation und der religiösen Gewalt folgte.
Allam
nennt eine Reihe von muslimischen Persönlichkeiten in Italien, die als
"nicht islamisch" oder als "Feinde des Islams" wegen Apostasie von
Islamisten verurteilt wurden.
Er
fordert von allen politischen Kräften in Italien, diese Verurteilungen nicht
zu unterschätzen und nicht mit banalen Diffamierungen zu verwechseln. Allam
verlangt, dass man dem irakischen Beispiel folgt, die nachdem sie selbst
durch Apostasieverurteilungen ausgelöste Blutbäder gegen Schiiten und gegen
"Verrätern am Islam" erlitten haben, im neuen Entwurf ihrer Verfassung ein
explizites Verbot dieser Apostasie Beschuldigung inkludierten. Allam schlägt
vor, dass man so bald als möglich einen Paragraphen im Strafgesetz
beschließt, der auch in Italien Sanktionen wegen Apostasie verbietet, denn
diese sind die ideologische Einleitung für die Schrecken des Terrorismus.
[Apostasie, Abfall vom Glauben, Apostat, der Abtrünnige,
Abgefallene]
Quelle:
Corriere della Sera
hagalil.com 09-10-2005 |