Nach dem Rückzug:
Auf zu den Wahlen
Von Baruch Leschem, Jedioth Achronoth, 29.08.2005
In einigen Wochen wird man in der Armee und bei der
Polizei beginnen, das Material über die Räumung in den Archiven zu
verstauen. Gleichzeitig wird man bei den Parteien beginnen, die Archive im
Vorfeld der bevorstehenden Wahlen zu öffnen. Der Termin steht noch nicht
fest, aber der Wahlkampf wird nach den Feiertagen beginnen.
Und wenn alles vorbei ist, werden die Politiker mit einem
heftigen Hangover aufstehen. Was macht man jetzt? Was sagt man jetzt?
Der Likud nach der Loslösung ist eine Partei mit
zwei Köpfen. Der eine, Ministerpräsident Sharon, liegt in den Umfragen bei
der Bevölkerung in Führung, verliert jedoch in der Partei. Um die Primaries
gegen Netanjahu zu gewinnen, muss er nach rechts abbiegen. Um die Wahlen zu
gewinnen, muss er wieder auf die linke Spur zurückkehren. Auch Sharon weiß,
dass so etwas zu Unfällen führen kann. Der andere Kopf, Benjamin Netanjahu,
ist der schnellste politischer Sprinter in Israel, jedoch der langsamste
Langstreckenläufer. Er ist der Politiker, der der Rechten den Stojz und der
Linken die Mandate zurückbringen wird. Die Likudwähler werden zwischen
diesen beiden nicht gerade berauschenden Möglichkeiten entscheiden müssen.
Die Avoda wird feststellen, dass die Soldaten im
Rahmen der Loslösung auch sie aus dem bequemen Haus geräumt haben, in dem
sie sich im vergangenen Jahr aufgehalten hat. Der liebende Papa Sharon wird
zu einem Stiefvater werden, der sich mehr um seine ökologischen als um seine
Adoptivkinder von der Avoda kümmern wird. Diese müssen nach ihren eigenen
Wurzeln suchen und eine Führung, ein Parteiprogramm und Wähler finden, die
nicht gefälscht sind. Auch die unvollendete Symphonie der Primaries muss
endlich zu Ende gebracht werden.
Shinui wird erkennen, dass die Loslösung nicht zu
dem erhofften "großen Knall" geführt hat. Die Chance, dass eine neue Band
bestehend aus Sharon, Peres und Lapid gegründet wird, ist ungefähr genau so
groß wie eine Wiedervereinigung der Beatles. Tommy Lapid wird wieder a
alleine losmarschieren, mit einer einzigen Botschaft und 13
Fraktionsmitgliedern, die bei einem TV-Quiz kein einziger Zuschauer erkennen
würde.
Meretz-Jachad wird wieder entscheiden müssen, ob
ihr neuer Name zur neuen Realität passt. Und wer wird der Führer sein? Jossi
Sarid, der auch nach seiner Kopfoperation noch immer einer der brillantesten
Köpfe in der israelischen Politik ist? Oder Jossi Beilin, dessen einziger
Stempel, den er auf der neuen Bewegung hinterlassen hat, das Wort "Jachad"
ist?
Shas, die aus der Regierung ausgetreten ist, ist
gleichzeitig auch aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden.
Ichud Leumi (Nationale Einheit) + Effi Eitam sind
die großen Gewinner und die großen Verlierer aus der Loslösung. Sie wollten
sich in den Herzen ansiedeln, bis es sich herausstellte, dass hinter ihnen
nur Siedler und Nationalreligiöse stehen. Die Nationale Einheit wurde zu
einer religiösen Einheit. Die Frage lautet, ob die Partei den Trennzaun
einreißen kann, den sie zwischen den Gebieten und den Bürgern Israels
errichtet hat.
Die NRP - Gab es sie wirklich, oder war sie nur ein
Traum?
Die israelische Politik muss sich nach der Loslösung neu
definieren. Diejenigen, die für die Räumung waren, müssen erklären, wie sie
so viel versprochen und nur so wenig erreicht haben: Die Palästinenser sind
noch immer Feinde, die soziale Kluft vertieft sich und der internationale
Druck nimmt zu.
Die Gegner müssen erklären. Wie kann man aufhören, die
Palästinenser zu unterdrücken, ohne Juden zu vertreiben? Wie bleibt man
demokratisch, ohne sich von drei Millionen Palästinensern zu verabschieden,
und wie erreicht man Abkommen, ohne abzuziehen.
Die israelische Öffentlichkeit wird sich an den Gedanken
gewöhnen müssen, dass sie mit der Loslösung ein Meer aus Tränen
durchschwommen hat, um jedoch ein echtes Abkommen zu erzielen, ein Ozean
überquert werden muss.
Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv
hagalil.com 01-09-2005 |