
Lokal fest verankert:
Die NPD nach den Wahlen
Von Andreas Speit
Nach der Wahl ist vor der Wahl - auch für die
"Nationaldemokratische Partei Deutschland" (NPD). Während die
Parteien im Bundestag noch um die Regierung streiten, verfolgt die
NPD bereits ihre zukünftige Strategie: Als "Volksfront von rechts"
will sie weiterhin mit der "Deutschen Volksunion" (DVU) und den
"Freien Kameradschaften" (FK) Stimmungen in der "Mitte der
Gesellschaft" aufgreifen.
Die NPD hat am 18. September ihren Stimmenanteil mit
1,6 Prozent vervierfachen können, das ist auf Bundesebene ihr bestes
Ergebnis seit 1969. Auch in den nördlichen Bundesländern legte die
älteste Neonazipartei deutlich zu. Nun wollen die Rechtsextremen
gezielt vor Ort auf sozialpolitische Projekte und ökologische
Initiativen zugehen - von einem "Sturm des Reichstags" hatte der
Hamburger Spitzenkandidat Jürgen Rieger zwar vor der Wahl, aber
nicht mehr nach der Wahl gesprochen.
Die NPD weiß, dass ihnen bundesweit das nötige
Personal dafür fehlt. Umso mehr bejubeln die Nord-Verbände ihre
Wahlergebnisse: In Hamburg und Schleswig-Holstein gaben ein Prozent
der Wähler der NPD ihre Stimme. In Bremen erhielten sie 1,4 Prozent,
in Niedersachen 1,3 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern 3,5
Prozent.
Im niedersächsischen Dörverden, wo Rieger das
Neonazizentrum "Heisenhof" unterhält, verzehnfachte sich das
Ergebnis: Der Direktkandidat Rigolf Hennig erhielt 4 Prozent. In
Ostvorpommern erzielte die NPD in Bargischow 16,8, in Neuenkirchen
16,6 und in Postlow 15,5 Prozent. Auch in Westmecklenburg konnte sie
sich regional verbessern. In Lübtheen, dem Wohnort des
NPD-Landeschefs Stefan Köster, bekam sie 8,6 Prozent. Köster gewann
mehr Stimmen als die Vertreter von FDP und Grünen zusammen.
Die NPD ist damit fest in der Region verankert. Und
so stört sich die "Bürgerinitiative 'Braunkohle nein'" auch kaum an
der rechten Unterstützung. Stattdessen greift der Vorsitzende der
Initiative, Kai Hagen, Kritiker als "Linksextremisten" an. Der Chef
des Verfassungsschutzes, Gottfried Timm, warnt vielmehr, dass die
NPD mit ihrem Engagement bei der Bürgerinitiative an "Seriosität"
gewinne.
Längst besteht in Mecklenburg-Vorpommern eine rechte
Szene, die gesellschaftlich eingebettet ist. Nach Sachsen will die
NPD jetzt dort die "zweite Modellregion" aufbauen, befürchtet
Christian Sell von der Mobilen Beratungsstelle für demokratische
Kultur aus Greifswald. Eine "doppelte Verankerung" scheint der NPD
zu gelingen. Hajo Funke, Politikwissenschaftler an der Freien
Universität Berlin, betont: Die Partei habe sich in der "rechten
Jugendszene etabliert" und "auch regionale Anerkennung bekommen, wo
sie mit dem Biedermeiergesicht agiert". Sollte sie sich auf
kommunaler Ebene weiter etablieren, könnte sie sich bei den
Landtagswahlen der Fünf-Prozent-Hürde nähern.
Nichts anderes möchte Thomas Wulff, der
Wahlkampfleiter der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. "Ich hoffe, dass
ihr alle nunmehr auch bereit seid, mir zu folgen: Der Nationale
Widerstand muss nun den einmal begonnenen Wahlkampf fortsetzen",
sagt Wulff, der auch im Netzwerk der FK führend ist. Denn einige
Neonazis, wie der FK-Anführer Christian Worch, schimpfen noch über
die Volksfront. Worch fragte bissig, wie sich sein früher engster
Vertrauter Wulff, der sich "zwei Jahrzehnte" als "Nationalsozialist"
verstanden habe, nun bezeichnen wolle. Worchs Anwurf, Wulff könne
seinen Namen nach einem potenziellen Einzug in den Landtag
Mecklenbug-Vorpommerns, "mit dem Kürzel 'MdL' schmücken", stört
indes die wenigsten Neonazis.
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27-09-2005 |