Pakistans auf Annäherungskurs:
Musharrafs spektakulärer Schritt
Auszüge aus einer Analyse von Yossi Melman,
Ha'aretz, 02.09.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Die Entscheidung des pakistanischen Präsidenten
Pervez Musharraf, eine offene Beziehung zu Israel einzugehen,
erforderte beachtlichen Mut. (…) Israel und die Juden sind in
Pakistan größtenteils verhasst und Millionen von Pakistanis glauben
immer noch an Verschwörungstheorien gemäß der "Protokolle der Weisen
von Zion", wonach die Juden angeblich die Welt beherrschen. (…)
Die islamischen Oppositionsparteien in Pakistan haben bereits
angekündigt, dass der heutige Tag ein "Protesttag" gegen diese
Entscheidung des Präsidenten sein wird. Der Protest könnte sich
schnell in Gewalt verwandeln. Als im Januar eine pakistanische
Zeitung ein Interview mit Shimon Peres führte, griffen Dutzende von
Demonstranten das Büro der Zeitung in Karachi an, schlugen auf die
Sicherheitskräfte ein und demolierten Möbel und Fenster.
Seit mehr als zwei Jahren deutete Musharraf an, er denke über eine
Art Beziehung zu Israel nach. So schüttelte er z. B. beim letzten
Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos die Hand von Shimon Peres.
Und während seiner Auslandsreisen traf er sich mit Vertretern
jüdischer Organisationen. Letztes Jahr brachte er das Thema sogar in
die Öffentlichkeit Pakistans. Doch er traf auf eine solch gewaltige
Ablehnung, insbesondere von Oppositionsparteien und aus religiösen
Kreisen, dass er das Thema schnell wieder fallen ließ.
Indem er nun den Rückzug Israels aus dem Gazastreifen als Vorwand
nutzte, ging er einen weiteren Schritt vorwärts. Es stimmt, dass
sein Sprecher darauf bestand, das Treffen zwischen dem israelischen
Außenminister Silvan Shalom und dessen pakistanischen Kollegen in
Istanbul, stelle keine Anerkennung des Staates Israel dar und dass
diplomatische Beziehungen erst dann entstehen könnten, wenn es einen
palästinensischen Staat gäbe. Dennoch teilten gestern Abend
diplomatische Quellen in Islamabad "Ha'aretz" mit, Musharraf habe
eine strategische Entscheidung getroffen und werde sie nicht
zurücknehmen, selbst wenn sie öffentliche Entrüstung hervorrufe.
Es gibt zwei Gründe für diese Entscheidung. Der erste besteht darin,
dass Pakistan –und es ist nicht das einzige Land mit dieser
Auffassung- denkt, Israel und die Juden könnten ihm die Türen zur
US-amerikanischen Regierung öffnen. Doch der zweite und wichtigere
Grund bezieht sich auf Indien, Pakistans traditionellem Gegner.
Während des letzten Jahrzehnts hat Israel eine strategische Allianz
mit Indien geformt. Diese führte zur Kooperation der Geheimdienste,
im nuklearen Bereich und im expandierenden Handel. Insbesondere
wurde Indien zum führenden Markt für israelische Rüstungsexporte.
Musharraf schloss daraus, dass ein spektakulärer Schritt wie der
gestrige nötig war, um zu versuchen, diese Allianz in etwas
umzuformen, dass weniger beunruhigend für Pakistan ist.
hagalil.com 02-09-2005 |