Neues über die Jeckes:
Zweimal Heimat
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Man kann zwei Vaterländer haben. Aber für das Wort "Heimat" gibt es im
Deutschen keinen Plural. Professor Mosche Zimmermann, Herausgeber der
Anthologie "Zweimal Heimat. Die Jeckes zwischen Mitteleuropa und Nahost",
traf auf einen wunden Punkt, als er das Buch im Garten von Mischkenot
Schaananim in Jerusalem vorstellte. Nicht mehr viele waren gekommen, um auch
Abschiedsworte des scheidenden deutschen Botschafters Rolf Dressler zu
hören. Das Publikum war eher weißhaarig und ging teilweise am Stock.
Die Jeckes, das sind die deutschen Juden. Anders als die
polnischen Juden haben die Deutschen den Aufstieg der Nazis miterlebt und
mehrheitlich die Zeichen an der Wand erkannt, spätestens in der sogenannten
Reichskristallnacht 1938. Bis dahin war Deutschland ein blühendes jüdisches
Zentrum, mit vielen Intellektuellen, Wissenschaftlern, Künstlern und vor
allem assimilierten Juden, die versuchten, in der deutschen Gesellschaft
aufzugehen. Große Namen der deutschen Kultur, Martin Buber, Ernst Simon,
Gerschom Scholem, Salman Schocken, die Wertheimers und andere verschlug es
in den dreißiger Jahren in eine kulturelle Wüste, das damalige Palästina.
Vor der Machtübernahme fürchteten, bewunderten, beneideten
oder hassten die Europäer Deutschland. "Es scheint, als hätten nur die Juden
es (Deutschland) wirklich geliebt" spottet Amos Eilon in seinem Aufsatz über
"Deutsche Juden vor Hitler". Die Jeckes, die selbst in größter Hitze noch
einen Anzug trugen und sich mit "Herr Professor" anredeten, haben angeblich
ihren Spottnamen wegen dieser "Jacken" erhalten. Immerhin hat ein
israelisches Gericht festgestellt, dass "Jeckes" keine Beleidigung
darstellt, obgleich es in Israel nicht an Witzen über jene "Deutschen"
mangelt, die schwerfällig und formalistisch sind, entweder kaum Hebräisch
sprechen oder es aber so perfekt können, dass es schon wieder komisch
klingt. Die Anthologie enthält dutzende
Aufsätze von Forschen und Publizisten, Dichtern und Experten, die im Mai an
einem wohl abschließenden Kongress über die aussterbende Gattung der Jeckes
teilgenommen haben. Mit der Einwanderung der deutschen Juden in den
dreißiger Jahren kamen erstmals massive Einflüsse aus der westlichen Kultur
wie eine Revolution der Modernisierung in den Orient und den jüdischen
Jischuw, stellt Hagit Lawsky fest. Der
Beitrag dieser deutschen Juden für die Kultur Israels ist enorm und
vielfältiger, als selbst Israelis eingestehen. Albert Einstein war nicht nur
bei der Gründung der Hebräischen Universität anwesend, wo damals noch
darüber beraten wurde, Deutsch doch wenigstens als Lehrsprache zu verwenden,
bis endgültig das Hebräische Oberhand gewann. Einstein wurde angeboten,
erster Staatspräsident des jüdischen Staates zu werden. Auch Theater, Musik
und Literatur, die Wissenschaft ohnehin und die Wirtschaft Israels sind ohne
den Einfluss dieser deutschen Juden fast undenkbar. Israels Justiz ist vom
deutschen Gesetzbuch entscheidend geprägt, genauso aber die Presse, die von
der Berliner Verlegerfamilie Schocken und von dem Leipziger Azriel Karlebach
revolutioniert wurde, wie es David Witzthum in seinem Beitrag darstellt.
Auch Israels Diplomaten können sich teilweise auf Deutsch
besser ausdrücken als auf Hebräisch, wenn man an Namen wie Teddy Kollek,
Jochanan Meroz, Leo Savir oder Ascher ben Nathan denkt, die alle aus dem
deutschen Kulturraum stammen, wie die in Deutschland geborene ehemalige
Abgeordnete Esther Herlitz beschreibt. Übrigens auch die heutigen
Spitzendiplomaten, darunter Generaldirektor Ron Prosor, Botschafter Schimon
Stein oder Dani Scheck benötigen als Söhne von Jeckes in Deutschland keinen
Dolmetscher. Weitere "jeckische" Autoren in dem Sammelband brauchen in
Deutschland kaum eingeführt werden, so die Sex-Päpstin Ruth Westheimer, der
Historiker Mosche Zimmermann, der Wiener Journalist Ari Rath oder der
weltberühmte Fotograf Micha Bar-Am.
© Ulrich Sahm / haGalil.com
Zweimal
Heimat:
Die Jeckes
zwischen Mitteleuropa und Nahost
Die Einwanderung der deutschen Juden nach
Palästina ist mit einem Paradox verbunden. Während man die deutschen
Juden "zu Hause", also in Deutschland, als das Paradebeispiel für
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Emigration, in Eretz Israel, für schwer integrierbar...
Konferenz in Jerusalem:
Die Rückkehr der Jeckes
Viele Jahre lang, vor allem seit sie vor 70 Jahren im
Rahmen der 5. Einwanderungswelle in Scharen nach Israel kamen, waren die
Jeckes und ihre Eigenschaften das Thema zahlreicher Witze...
Deutsche Juden:
Die "Jeckes"
im israelischen Humor
Sie hatte es schwerer als andere, sich einem ihnen in
vielfacher Hinsicht fremden Milieu anzupassen, und sie hielten an dem
mitgebrachten Lebensstil lange hartnäckig fest...
hagalil.com 19-09-2005 |