Nachtrag zum BGH-Urteil:
Wir schweigen nicht!Von Ralf
Bachmann,
Jüdische Korrespondenz 9/2005
Es ist still geworden um einen Vorgang, den Paul
Spiegel vor einem Monat immerhin als "unglaublich" charakterisierte. Eine
Stille, die in den Ohren dröhnt. Gemeint ist das Urteil des
Bundesgerichtshofes, wonach in Deutschland die Parole "Ruhm und Ehre der
Waffen-SS" straflos benutzt und verbreitet werden darf. Man möchte es nicht
glauben im wochenlang mit großem Pomp begangenen 60. Jubiläumsjahr der
Befreiung und muss es zwei und drei Mal lesen.
Der Bundesgerichtshof hob ein Urteil des
Oberlandesgerichts Karlsruhe gegen die Benutzung dieser Losung auf, weil sie
"keine hinreichende Ähnlichkeit" mit NS-Parolen aufweise, eine
"Fantasieparole" sei. Fantasieparole? Ich sehe es noch vor mir, das
Koppelschloss der Hitler-Jungen mit der Aufschrift "Blut und Ehre", an dem
tatsächlich Blut klebte, das meines Cousins, auf den sie eingeschlagen
hatten. Wie viel Ähnlichkeit braucht der BGH?
Man muss fast fürchten, der nächste Hitler würde erst
verfolgt, wenn er sich ein Bärtchen auf der Oberlippe wachsen lässt, ein
Spitzbart wäre nicht ähnlich genug. Und die SA-Leute träfe es erst, wenn sie
Braunhemden anziehen. Ich möchte wetten, dass künftige Neonaziparteien nicht
der deutschen Justiz zuliebe auf das Hakenkreuz zurückgreifen, wo es so
viele andere Möglichkeiten gibt.
Lassen wir die juristischen Spitzfindigkeiten beiseite.
Die eigentliche Gefahr der Botschaft, die von dem BGH-Urteil ausgeht, ist
die Quasi-Legalisierung des Inhaltes der Parole. Die Angeklagten (und mit
ihnen andere Rechtsradikale) hatten doch nicht mehr und nicht weniger getan,
als das Wüten der Mörder von Oradour, die blutigen Verbrechen der
SS-Einheiten nicht zuletzt an Juden in halb Europa ruhmreich und ehrenhaft
zu nennen.
Das ist ein unverblümter Aufruf, solche Taten hochzuhalten
und eines Tages nachzuahmen. Und das Gericht will dagegen nur einschreiten,
wenn die Waffen-SS-Losung "Unsere Ehre heißt Treue" unverfälscht benutzt
wird?
Es ist wahr, seit Frühjahr 2005 (!) ist auch die
Verherrlichung der NS-Herrschaft als Volksverhetzung strafbar und diese Tat
wurde schon vorher, 2001, begangen. Aber wie oft wird dahergeredet "Wehret
den Anfängen!", und wenn es zum Treffen kommt? Dann wird der BGH butterweich
gegenüber offener Nazi-Propaganda, die Parteien stottern verlegen
Unverständnis und bleiben dann ganz stumm, weil Richterschelte im Wahlkampf
Imageschäden verursachen könnte.
Mit uns ist das nicht zu machen. Wir stehen nach wie vor
wachsam, mit offenen Augen und Ohren im Aufstand der Anständigen, zu dem
alle Demokraten doch wohl immer noch aufgerufen sind.
hagalil.com 08-09-2005 |